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2 Modelle - Voraussetzung zur Simulation

 #2.1 Anforderungen
 #2.2 Bereitstellungsformen
 #2.3 Modellansatz für Leistungshalbleiter

Die Behandlung von Modellen, das Aufstellen von Modellierungsvorschriften und die Beurteilung der erzielten Ergebnisse machen eine Beschreibung der Arbeitsgrundlage notwendig. Was sind Modelle?

Allgemein sind es vom Menschen in einem kreativen Vorgang geschaffene Nachbildungen der Realität. Aus dieser groben Definition heraus folgt, daß bei einem Modell immer mit Abweichungen zu rechnen ist, da auch bei höchsten Genauigkeitsanforderungen eine Nachbildung nie das Original erreichen kann. Da das Modell in einem kreativen Prozeß entsteht, können sich bei Betrachtung von verschiedenen Blickwinkeln unterschiedliche Modelle zum selben Sachverhalt ergeben. Ein Vergleich und eine Wertung von Modellen ist deshalb meist nur von einem bestimmten Standpunkt aus unter gegebenen Rahmenbedingungen möglich. Im technischen Sinn ist ein Modell aber auch eine Sammlung von Expertenwissen, das aufbereitet und zur Verfügung gestellt wird. Aus dieser Dienstleistung heraus resultiert dessen Wert und ein Anspruch auf Schutz der Eigentumsrechte. Da das Modell nicht nur der Darstellung, sondern der stellvertretenden Verwendung für das Original dienen soll, ergibt sich daraus eine Verantwortung des Modellierers an die Einhaltung vorgegebener Gütemerkmale.

Speziell für die Simulation werden zur Lösung naturwissenschaftlicher Probleme mit Hilfe der Rechentechnik Berechnungsvorschriften gebraucht, welche diese Probleme in einer für den Rechner lösbaren Form beschreiben. Mathematisch formulierte Beziehungen für einen real gegebenen Sachverhalt sind der eigentliche Kern der Modelle. Die einfachste Form der Beschreibung eines realen Systems mit mathematischen Mitteln ist eine lineare Gleichung. So stellt der Proportionalitätsfaktor zwischen Strom und Spannung das Modell eines elektrischen Widerstands dar. Die Berücksichtigung des zeitabhängigen Verhaltens eines Modellgegenstandes führt zu Differentialgleichungen DGL. In einfachen Fällen ist hier noch eine Lösung per Hand möglich. Erst die Kombination einer größeren Anzahl linearer, nichtlinearer und zeitabhängiger Beziehungen führt zu Differentialgleichungssystemen die nur noch arbeitspunktbezogen mit Hilfe eines Rechners iterativ gelöst werden können. Aus Gründen der Verständlichkeit und der Nachvollziehbarkeit werden die DGL in den seltensten Fällen direkt, sondern meistens über stellvertretende äquivalente Formen eingegeben. Das Generieren des Gleichungsystems aus den Äquivalenzformen wird dem Softwaresystem, einem analogen Simulationsprogramm, überlassen.

Inhalt und Form der Modelle werden vom späteren Einsatzzweck geprägt, beide ermöglichen eine Untergliederung der Menge aller denkbaren Modelle für den gleichen Sachverhalt. Aus dem Einsatzzweck werden die Anforderungen und die zulässigen Fehlergrenzen für ein Modell abgeleitet. Daraus ergeben sich die Kriterien für die Wahl des geeignetsten Modellansatz. Unter Beachtung dieser Punkte und der Möglichkeiten des verwendeten Simulators kann die für die Modellerstellung günstigste Beschreibungssprache und die Hierarchieebene, auf der das Modell anzusiedeln ist, ausgewählt werden.

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2.1 Anforderungen

                                                                                                                                                                    Anfang
Vor der Modellierung sind Anforderungen an das Modell zu formulieren, deren Erfüllung angestrebt werden soll. Aus den Anforderungen und den gegebenen Möglichkeiten sind zweckgebunden die geeignetsten Umsetzungswege und Kompromisse für die Modellerstellung abzuleiten. Ebenso wie bei anderen ingenieurtechnischen Aufgabenstellungen ergeben sich auch bei der Modellierung von Bauelementen zur Simulation elektrischer Schaltungen Anforderungen nach fachlichen und kommerziellen Gesichtspunkten. Für den Widerspruch zwischen möglichst niedrigen Kosten und hohem fachlichem Anspruch ist ein an die Simulationsaufgabe angepaßter Kompromiß zu finden.

Der Erfolg, der sich bei der Modellierung einstellen soll, ist gleichfalls von den Fähigkeiten des Modellierers abhängig, so daß auch für diesen Anforderungen zu formulieren sind. Wegen des benötigten Wissens über den inneren Aufbau der Halbleiterbauelemente werden viele Modelle vom Bauelemente-Experten mit Kenntnissen vom Hersteller für den Schaltungsentwickler als Anwender erstellt, ohne das dabei vorhandenen Unterschiede in den Anforderungen und der Betrachtungsweise berücksichtigt werden.

 2.1.1 Anforderungen an die Modelle

Prinzipiell soll es mit einem Modell möglich sein, mit geringstem Aufwand in kürzester Zeit hinreichend genaue Simulationsergebnisse zu erzielen. Die konkreten Anforderungen ergeben sich aus dem Einsatzgebiet und dem Einsatzzweck des Modells. Je feiner diese aufgegliedert und definiert werden, um so detaillierter lassen sich die Anforderungen festlegen und das Modell an den Einsatzzweck anpassen.

Für die hier betrachteten Modelle von Halbleiterbauelementen sind die Einsatzgebiete die Schaltungen der Leistungselektronik mit ihrem Umfeld und der Haupteinsatzzweck die Schaltungsanalyse. Ziele der Simulation sind Dimensionierung und Optimierung der Schaltungen, Auswahl von Bauelementen, Verlustermittlung und Untersuchungen zu Störfällen oder Wechselwirkung zwischen Informationsverarbeitung in einer Steuerung bzw. Regelung und dem Leistungsteil. Die modellierten Bauelemente werden in der Regel im schaltenden Betrieb zur Dosierung eines Energieflusses verwendet. Die Betrachtung erfolgt im Zeitbereich, so daß die Modelle für die Transientenanalyse ausgelegt werden müssen.
 

Einige der herausgearbeiteten Eigenschaften und Schlußfolgerungen in Tab. 2.1 resultieren aus allgemeingültigen Modellanforderungen, andere ergeben sich aus der Spezifik des Themas. Differenzierungen zwischen Selbstnutzung und Fremdnutzung der erstellten Modelle sind vor allem hinsichtlich der Verständlichkeit, der Dokumentation und der Portabilität auf verschiedene Simulationssysteme notwendig. Selbstgenutzte Modelle können besser auf die voraussichtlichen Einsatzgebiete abgestimmt werden.
 Tab. 2.1 Modellanforderungen und daraus abgeleitete Schlußfolgerungen
 
Anforderung an die Modelle
 Schlußfolgerung
Verfügbarkeit, 
Übereinstimmung mit den auf dem Markt befindlichen 
Bauelementen
- Schnelle Aktualisierung muß möglich sein 
- Hersteller bietet fertige Modelle oder Parametersätze für vorhandene Modelle zum Produkt an 
- einfache Parametrisierbarkeit bei Bedarf, mit           vorhandenen oder äußerlich bestimmbaren Parametern 
- Vorgabe von Default-Werten
geringe Kosten - Einsatz einer flexiblen Modellierungssprache 
- ein Modell für gesamte Produktfamilie 
- Portabilität auf verschiedene Simulationssysteme 
genaue, vertrauenswürdige Ergebnisse - realitätsnahe Nachbildung des statischen und dynamischen Klemmenverhaltens 
- Unabhängigkeit vom Verwendungszweck 
- Nachvollziehbarer, offengelegter Aufbau
Schnelles erzielen von Ergebnissen, 
geringer Rechenzeitbedarf 
- einfache, kompakte Strukturen im inneren Aufbau 
- Verzicht auf unbenötigte Modelleigenschaften 
- Modelle verschiedener Hierarchieebenen (= Anzahl der berücksichtigten Eigenschaften), die angepaßt an die Simulationsstufe eingesetzt werden
Einsatz unter vergleichbaren Bedingungen wie das reale Bauelement  - Verwendung elektrischer Anschlüsse für elektrische Bauelemente, 
- Berechnung von Größen mit realen physikalischen Bezeichnungen
hohe Konvergenzsicherheit in der Simulationsschaltung  - in sich geschlossene Modellierung von analogen Bauelementen für den gesamten Arbeitsbereich 
- Definition von Übergangsbedingungen ohne Unstetigkeiten bei Zustandsmodellierung
Wie aus der Übersicht in Tabelle 2.1 entnommen werden kann, ist die Verfügbarkeit und Aktualität von Modellen eine der vorrangigen Anforderungen, deren Erfüllung eines der Hauptprobleme bei leistungselektronischen Bauelement darstellt. Das Streben nach einem möglichst idealen Schalter führt alle 2 bis 3 Jahre zu einem Generationswechsel bei den gebräuchlichsten Leistungshalbleitertypen. Eine Aktualisierung der Modelle bedeutet einen immensen Arbeitsaufwand, der nicht durch eine entsprechend massenhafte Anwendung der Modelle gerechtfertigt wird. Dies steht im Gegensatz zur signalverarbeitenden Elektronik, in der Bauelemente über Jahre hinweg millionenfach Verwendung finden.

Der Widerspruch zwischen Verfügbarkeit aktueller Modelle und geringen Kosten ist nur durch Parametrisierung der Modelle nach Bedarf durch den Nutzer zu lösen. Im Idealfall müßten existierende Modelle für eine Produktfamilie mit bauelementespezifischen Parametersätzen vom Hersteller versorgt werden, welche dieser gleichzeitig zum Verkauf seiner Bauelemente mitliefert. Wegen der gegenwärtigen guten Konjunktur auf dem Leistungshalbleiter-Markt besteht kein Zwang zu einem solchen Extraservice, so daß die benötigten Parameter vom Nutzer direkt oder indirekt aus dem Datenblatt bzw. durch Messungen an den Anschlußklemmen zu gewinnen sind. Für die Modellerstellung ergibt sich daraus, daß nur die dem Nutzer zur Verfügung stehenden oder äußerlich bestimmbaren Parameter verwendet werden. Die Modelle sind mit Parametrisierungsvorschriften zu versehen.

Negativ auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Modellerstellung wirkt sich das Fehlen einer Standardbeschreibungssprache für analoge Modelle aus. Statt dessen existieren eine Vielzahl von Simulatoren mit Unterschieden im Verbreitungsgrad, in der Erfüllung leistungselektronischer Ansprüche und den Möglichkeiten und Formen zur Umsetzung von Modellen. Daraus folgt aus Gründen der Kostensenkung bei der Modellerstellung die Notwendigkeit der Portabilität für Modelle. Sie sollten so erstellt werden, daß eine komplikationslose Übertragung auf verschiedene Softwaresysteme möglich ist. Als ein Quasi-Standard gelten bisher elektrische Ersatzschaltungen, wie sie in Form von Netzlisten seit Einführung des Spice-Simulators bekannt sind. Der Verwendung eines kleinsten gemeinsamen Nenners aus Ersatzschaltelementen steht als Nachteil gegenüber, daß die softwarespezifischen Möglichkeiten zur Modellierung stark reduziert werden. Damit werden die Modelle umfangreicher und der Simulationszeitbedarf höher als es notwendig wäre. Portabilität verspricht auch die Programmierung von Modellen mit einer häufig verwendeten Programmiersprache, wie z.B. "C" und die Einbindung über eine entsprechende Schnittstelle. Allerdings existieren auch hier unterschiedliche Formen der Programmiersprache und es verfügen auch nicht alle Simulatoren über die benötigte Schnittstelle, welche auch auf die Schrittweite des Simulators rückwirkt.

Aus kommerzieller Sicht ist als Vorausbedingung die Simulationsplattform auf Personalcomputer oder workstation zu wählen. Wegen der höheren Verfügbarkeit und der größeren Anzahl von potentiellen Nutzern bietet die PC-Basis bessere Absatzchancen, stellt aber auch höhere Anforderungen an den effektiven Umgang mit dem Simulationszeitbedarf. Da eine Übertragung vom PC auf die teurere und leistungsfähigere workstation-Ebene leichter möglich ist als umgekehrt, ist eine Orientierung auf PC-basierende Modellierungstechniken und Werkzeuge empfehlenswert. Für die Zukunft ist abzusehen, daß die Grenzen zwischen beiden Systemen in der Leistungsfähigkeit der hardware und dem Funktionsumfang der Simulationswerkzeuge zunehmend verwischt werden. Gleichzeitig wird an einem Standard für eine Beschreibungssprache für analoge Modelle gearbeitet.

Kommerzielle Gesichtspunkte für die Anwendung der Modelle sind neben dem Anschaffungspreis, was bei Selbstnutzung dem Zeitaufwand der Modellerstellung entspricht, die verursachte Rechenzeit bei der Simulation und der Zeitaufwand zur Parametrisierung der Modelle bzw. der Wartung von Modellbibliotheken. Bei der Auswahl des Modellansatzes ist darauf zu achten, daß diese Zeiten gering gehalten werden.

Ein dritter Schwerpunkt zur Beurteilung von Modellen ist neben der Verfügbarkeit und den Kosten die Vertrauenswürdigkeit der Simulationsergebnisse. Vom Modell werden Eigenschaften verlangt, die dem realen Objekt in guter Näherung entsprechen. Ein Idealfall wäre es, wenn das Modell eines Bauelementes zugleich eine Garantieerklärung für die Richtigkeit des Verhaltens in einer simulierten Schaltung enthielte. Dann würden die Simulationsergebnisse bei hinreichender Modellierung des Schaltungsaufbaus auch Aussagen über die Einhaltung von Garantieerklärungen dieser Schaltung liefern.

Werden die vorrangegangenen Bedingungen erfüllt, ist der konkrete innere Aufbau des Modells für den Anwender uninteressant, für ihn wäre nur das Verhalten an den Anschlußklemmen entscheidend. In diesem Fall könnte eine verschlüsselte Weitergabe der Modelle zur Wahrung der kommerziellen Interessen des Modellierers erfolgen. Bei verschlüsselten Modellen ist dem Nutzer der interne Modellaufbau nicht zugänglich, ihm bleibt nur das Vertrauen auf die Gültigkeit der erzielten Ergebnisse. In der Realität immer vorhandene Modellfehler müssen von ihm übernommen werden und können in bestimmten Anwendungen zu falschen Ergebnissen führen. Daraus folgt die Notwendigkeit einer besonders kritischen Analyse der Simulationsergebnisse, das durch den fehlenden Zugriff auf modellinterne Daten erschwert wird. Die offenen Weitergabe der Modelle ermöglicht es dem Nutzer, Anpassungen an konkrete Besonderheiten der Simulationsaufgabe vorzunehmen. Die eigenständige Parametrisierung und die Auswahl der notwendigen Hierarchieebene durch den Nutzer, wie es für Modelle leistungselektronischer Bauelement angestrebt wird, ist nur sinnvoll im Zusammenhang mit einem offengelegten und zugänglichen Modellaufbau. Die offene Modellform ist der verschlüsselten in jedem Fall vorzuziehen. Ein übersichtlicher und nachvollziehbarer Modellaufbau erhöht außerdem das Vertrauen in die erzielten Ergebnisse und fördert den Einsatz der Simulation als Entwicklungswerkzeug. Dazu trägt auch eine Modellierung in einer für den Schaltungsentwickler vertrauten Umgebung bei. Das Verschlüsseln von Modellen sollte nach Möglichkeit den Halbleiterherstellern vorbehalten sein, um technologische Geheimnisse, die durch Modellaufbau oder Parameter offengelegt werden könnten, zu schützen.

Der Schaltungsentwickler möchte das Modell eines Bauelementes unabhängig von den Schaltungsbedingungen einsetzen können und in jedem Fall richtige Ergebnisse ermitteln. Dies bedingt eine Berücksichtigung aller Eigenschaften im gesamten denkbaren Arbeitsbereich und führt zu umfangreichen Modellen. Aus dem direkten Zusammenhang zwischen Modellumfang und Rechenzeitbedarf ergeben sich somit lange Rechenzeiten, die sich negativ auf die Entwicklungskosten auswirken. Eine zeiteffektive Simulation gebietet es, anstatt mit höchstmöglicher nur mit notwendiger Genauigkeit zu arbeiten und erfordert Modelle, die in ihrer Komplexität an die Simulationsebene angepaßt sind.

Die tatsächlich benötigten Modelleigenschaften und Genauigkeitsanforderungen ändern sich mit der aktuellen Simulationsaufgabe. Verschiedene Problemstellungen können unterschiedliche Modelle des selben Gegenstandes erfordern. Die Eignung eines Modells ist daher immer auf einen oder mehrere Anwendungsfälle bezogen. Der Widerspruch zwischen der Unabhängigkeit des Modells von Einsatzbedingungen und einem hinsichtlich Rechenzeitbedarf auf die Simulationsaufgabe optimierten Modell ist nur durch den Anwender durch Auswahl der geeigneten Hierarchieebene und Modellkomplexität zu lösen ( #Kap. 2.2.1 ). Bei der Modellerstellung sind solche Auswahlmöglichkeiten zu berücksichtigen. Die Modelle müssen bei Fremdnutzung mit Einsatzhinweisen und Abgrenzungen ausgestattet werden. Neben den Simulationszeiteinsparungen für den Anwender ergeben sich mit abgestuftem Modellaufbau auch Vorteile für den Modellierer. Die Parametrisierung und Verifikation ist in Teillösungen einfacher durchzuführen als für das komplette Gesamtprodukt.

Zur Reduzierung des Modellumfangs trägt auch die Verwendung der effektivsten softwarespezifischen Lösungen bei. Dies bedeutet aber eine Beschränkung auf eine bestimmte Nutzergruppe und steht im Widerspruch zur angestrebten Portabilität. Neben dem Umfang wirkt sich auch das Konvergenzverhalten des Modells auf die verursachte Simulationszeit aus. Es sind Mittel einzusetzen, die den Simulator bei der iterativen Lösung der DGL-Systeme unterstützen.

2.1.2 Anforderungen an den Modellentwickler

Aus dem vorangegangenen Abschnitt ( #Kap. 2.1.1 ) sind schlußfolgernd auch Anforderungen an den Modellentwickler zu stellen, die dieser für ein bedarfsgerechtes Ergebnis seiner Arbeit erfüllen bzw. sich aneignen sollte (Abb. 2.1).

Offensichtlich gehören zum Entwickeln eines Modells umfassende Kenntnisse über den zu modellierenden Gegenstand. Konkret für Halbleiterbauelemente betrifft dies die halbleiterphysikalischen Zusammenhänge und das sich daraus ergebende Verhalten. Mit diesen Kenntnissen ist es möglich, die Bauelementeeigenschaften zu definieren, die jeweils charakteristischen Parameter zu bestimmen und die zur Ermittlung notwendigen Meßmethoden auszuwählen.

Da als Verwendungszweck die Schaltungsanalyse vorgesehen ist, sind darüber hinaus Kenntnisse über Einsatzgebiete des Modellierungsgegenstandes, bis hin zu ungewöhnlichen Anwendungen notwendig. Nur so können die für die verschiedenen Anwendungsfälle relevanten Eigenschaften bestimmt und gegebenenfalls Abgrenzungen getroffen werden. Erst aus dem Zusammenspiel von Kenntnissen über den Modellgegenstand und über mögliche Ziele der Schaltungssimulation ist eine Auswahl zwischen notwendigen und vernachlässigbaren Eigenschaften zu treffen. Gemäß den Modellanforderungen sollte sich in Abhängigkeit von der Simulationsaufgabe der Umfang des Modells ändern. Zum Herausarbeiten der wesentlichen Eigenschaften aus dem physikalischen Verständnis heraus ist ein Abstraktionsvermögen erforderlich.

Die Umsetzung eines Modellansatzes in eine für das Simulationssystem verständliche Form erfordert vom Modellierer gute Kenntnisse der ausgewählten Software und der darin gebotenen Möglichkeiten. Bei der Auswahl der geeignetsten Beschreibungsformen müssen der entstehende Rechenzeitbedarf und der Lösungsalgorithmus des Simulators für gut konvergierende Modelle von ihm berücksichtigt werden. Für den Fall einer gewünschten Übertragbarkeit zwischen verschiedenen Softwaresystemen müssen deren Gemeinsamkeiten bekannt sein. Er muß abschätzen, in wie weit nicht kompatible, aber besonders geeignete Beschreibungsformen mit geringem Aufwand in eine adäquate Form übertragen werden können.

Die Gewinnung der Parameter und die Verifikation der Modelle muß in den meisten Fällen durch Messung in einer realitätsnahen Umgebung erfolgen. Zum Erstellen von Modellen sind neben der richtigen Bedienung der Meßtechnik auch Grundkenntnisse der Signaltheorie (Meßdynamik   Meßgenauigkeit) notwendig. In Abhängigkeit von den auftretenden Frequenzen sind parasitäre Elemente zu berücksichtigen (vor allem bei schnellen Schaltvorgängen). Eine kritische Analyse der Meßergebnisse unter Berücksichtigung der möglichen Meßfehler beugt einer Fehlinterpretation der Meßdaten vor.
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2.2 Bereitstellungsformen

                                                                                                                                                                     Anfang
Aus den Modellanforderungen wird ersichtlich, daß neben der Wahl der geeigneten Beschreibungssprache und des Modellansatzes ein Modellaufbau in Hierarchien und die Verwendung von Modellbibliotheken für den effektiven Einsatz der Simulation notwendig ist. 

2.2.1 Modellhierarchien

Geringe Entwicklungskosten gebieten einen sorgfältigen Umgang mit Simulationszeit. Schnell werden mehrere Simulationsläufe zur Lösung einer Aufgabe notwendig. Zusätzliche Rechenzeiten durch überdimensionierte Modelle addieren sich dann zu beachtlichen Arbeitszeiten. Zu klären ist, wann ein Modell überdimensioniert ist und welche Maßnahmen dagegen zu unternehmen sind.

Es ist bekannt, daß ein direkter Zusammenhang zwischen Modellumfang und Simulationszeit existiert. Je größer die Anzahl der berücksichtigten Eigenschaften und damit der Gültigkeitsbereich des Modells ist, desto größer wird der vom Modell verursachte Rechenzeitbedarf. Jede modellierte Eigenschaft eines Bauelementes verursacht zusätzlichen Berechnungsaufwand für den Simulator, auch wenn die Eigenschaft keinen Einfluß auf den augenblicklichen Betriebszustand ausübt. Überdimensioniert ist ein Modell dann, wenn es Eigenschaften besitzt, die zur Lösung der Simulationsaufgabe unerheblich sind, bzw. deren Beitrag zum ermittelten Ergebnis vielfach kleiner als der Vertrauensbereich einer Simulation ist.

Weiterhin ist bekannt, daß in die Genauigkeit der erreichbaren Ergebnisse der Modellfehler mit eingeht, mit anderen Worten, die Simulation kann nur so gut wie die verwendeten Modelle sein. Diese Feststellung läßt aber auch den Umkehrschluß zu, daß die Modelle nur so gut zu sein brauchen, wie es die Lösung der Simulationsaufgabe bedingt. Deshalb lautet einer der wichtigsten Grundsätze bei der Simulation: Nur solche genauen Modelle einsetzen, wie es zur Lösung der Simulationsaufgabe notwendig ist!

Für den Aufbau der Modelle folgt aus beiden vorrangegangenen Aussagen, daß eine Abstufung in den realisierten Eigenschaften möglich sein muß. Modellhierarchien mit einem differenzierten Modellumfang stellen ein geeignetes Mittel zur Reduzierung des Simulationszeitbedarfes dar. Je feiner abgestuft wird, um so besser läßt sich der Modellumfang an die Simulationsaufgabe anpassen. Praktikabel sind für Modellersteller und Anwender nur 2 bis maximal 4 Stufen, bei besonders komplexen Modellen bietet sich ein Baukastenprinzip an (siehe Kap 6.2.2).

Für die richtig Auswahl der Modellstufe gemäß der Simulationsaufgabe ist der Anwender verantwortlich. Die ersten beiden Modellebenen in Tabelle 2.2 sind vorzugsweise für Simulationen auf der Geräteebene einzusetzen, wogegen die Modelle der beiden höheren Ebenen eher für Anwendungen auf der Bauelementeebene zu favorisieren sind. Die aufgezählten Anwendungen stehen stellvertretend für in etwa gleichliegende Aufgabenbereiche und können nicht vollzählig sein. Der zur Anwendung notwendige Modellumfang ist auf schaltende Leistungshalbleiter bezogen.
 
Tab. 2.2 Hierarchieebenen
Hierarchie 
-ebene
Anwendung Modellumfang
1 Nachweis der Funktionsfähigkeit, 
Studium ihrer Funktionsweise einer Schaltung, Ermittlung von Netzrückwirkungen bei niedrigen Frequenzen
Leiten: ron -> 0;   Sperren: roff -> Inf.     , ideales Schaltverhalten, logische Ansteuerung 
idealisiertes Schaltermodell 
2 Bestimmung von Verlustleistungen und Erprobung von Steuer- oder 
Reglerkonzeptionen bei niederen Schaltfrequenzen
Ergänzung des realen Durchlaß- und Sperrverhaltens 
statisches Modell des Leistungshalbleiters
3 Bestimmung der totalen Verlustleistung, Untersuchungen des Schaltverhaltens mit Einfluß von parasitären Elementen, Auswahl von Beschaltungsmaßnahmen, 
Einfluß von Verzögerungszeiten bei hochdynamischen Prozessen
Ergänzung des realen Schaltverhaltens, Berücksichtigung des Einflusses der Ansteuerung 

dynamisches Modell des Leistungshalbleiters

4 Spezielle Anwendungsfälle in Randgebieten des Arbeitsbereiches, 
Untersuchungen zum Verhalten bei Eigenerwärmung und in Havariesituationen, 
Wirksamkeit der Schutzkonzeption
Ergänzung von temperaturabhängigen Komponenten und thermischer Ersatzschaltung, Zerstörungsmechanismen, 
Schutz- und Überwachungsfunktionen von SPE 
dynamisches Modell mit anwendungsspezifischen Zusatzfunktionen
Die aktiven Bauelemente in der Leistungselektronik können in erster Näherung als gesteuerte Schalter betrachtet werden. Das bedeutet für Ebene 1 mit den geringsten Modellanforderungen, daß die Leistungshalbleiter durch einen Schalter ersetzt werden, dessen Widerstand im "Ein-Zustand" näherungsweise gegen Null und im "Aus-Zustand" gegen unendlich geht. Unter Verwendung einfacher, idealisierter Modelle können schnell Funktion und Wirkungsweise der Schaltung untersucht und grobe Dimensionierungen vorgenommen werden. Ebenfalls denkbar sind Untersuchungen zu Oberschwingungsspektren, die von leistungselektronischen Schaltungen in Strömen oder Spannungen verursacht werden (siehe Kap. 7.2). Modelle dieses Levels sind auf die eine oder andere Art und Weise in den meisten Simulatoren bereits enthalten, so daß es bei der Modellerstellung für ein bestimmtes Bauelement nicht mehr berücksichtigt werden braucht.

Für das Konvergenzverhalten des Modells bei der Simulation ist es oft besser, wenn für Anwendungen der Ebene 1 anstatt des idealen Schalters ein statisches Modell gemäß Hierarchieebene 2 eingesetzt wird. Die Arbeit mit realen Widerständen und kontinuierliche Übergängen zwischen den Schaltzuständen erleichtert das Konvergieren bei der Lösung der DGL-Systeme. Der Rechenaufwand durch den größeren Modellumfang wird durch eine gering Anzahl von Iterationen kompensiert, so daß kaum ein Einfluß auf die benötigte Rechenzeit zu erwarten ist. Zusätzlich zu den Simulationsaufgaben der Ebene 1 können Problemstellungen mit niederen Schaltfrequenzen untersucht werden. Dann werden zur Verlustbestimmung oder zur Untersuchung und Optimierung von Steuerungen bzw. Regelungen statische Modelle ausreichend sein. Die Frequenzgrenze ist abhängig vom Bauelementtyp. Voraussetzung ist, daß Schaltzeiten und Schaltverluste eine vernachlässigbare Rolle spielen.

Ist diese Bedingung nicht erfüllt und soll die Gesamtleistungsbilanz unter Einbeziehung der dynamische Verluste erstellt werden oder sind hochdynamische Steuer- und Regelvorgänge zu untersuchen, müssen dynamische Modelle mit den für die Ebene 3 beschriebenen Eigenschaften eingesetzt werden. Gleiches gilt für die Untersuchung aller Effekte und Schaltungsteile, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Schaltvorgang entstehen. Die angesprochenen Effekte sind beispielsweise die Auswirkungen von Streuinduktivitäten, Speicherladungen in den Halbleitern oder Verschiebeströme und Resonanzerscheinungen mit Halbleiterkapazitäten. Bei den Schaltungsteilen handelt es sich u.a. um Entlastungschaltungen oder Ansteuerschaltungen, die mit Hilfe der Simulation dimensioniert werden können.

Für die meisten Anwendungsfälle in der Schaltungssimulation werden Modelle der Hierarchieebenen 2 und 3 ausreichend sein. In einigen besonderen Fällen wird von den Modellen die Berücksichtigung weiterer Halbleitereigenschaften gewünscht. Dazu gehören Eigenerwärmungseffekte und Zerstörungsvorgänge durch Überlastung. Bei den Zerstörungsvorgängen ist keine scharfe Abgrenzung zwischen den Ebenen 3 und 4 möglich, so werden Spannungsdurchbrüche oft in Modellen der Ebene 3 realisiert, wogegen Überlastungen durch Strom, Temperatur oder transiente Vorgänge den Modellen der Ebene 4 zuzuordnen sind. In die gleiche Hierarchieebene sind die in Modulbauweise integrierten Schutz- und Überwachungsfunktionen von Smart-Power-Elementen einzuordnen. Auf Grund des bereits angesprochenen Simulationszeitbedarfs und des erhöhten Parametrisierungsaufwands sollte der Einsatz dieser Modelle auf die Untersuchung der ausgewählten Eigenschaften beschränkt bleiben, in vielen Fällen sind gleiche Effekte durch einfachere Ersatzlösungen zu erreichen. 

2.2.2 Bibliothekskonzepte

Modellbibliotheken sind Datenformen, die parallel zum Simulator existieren und sind eine übliche Form, in der die Modelle vom Modellierer den Nutzern bereitgestellt werden. Sie enthalten in unterschiedlicher Form die Berechnungsvorschriften und/oder deren Parameter, welche dem Simulator die Eigenschaften für das bezeichnete Bauelement übermitteln. Die Verwirklichung verschiedener Bibliothekskonzepte ergibt sich aus unterschiedlichen zu berücksichtigenden Interessen.

Für den Nutzer gehören Aktualität und nutzerfreundliche Handhabung zu den wichtigsten Kriterien. Für den Modellierer bzw. die vertreibenden Einrichtungen stehen kommerzielle und wettbewerbsbedingte Gründe im Vordergrund. Aus beiden Anforderungen entsteht die Diskussion um die offene oder verschlüsselte Weitergabe der Modelle, d.h. ob dem Nutzer Einblick in den Modellaufbau mit der Möglichkeit der Veränderung gegeben werden soll oder nicht. Die Erläuterungen zu den Modelleigenschaften haben gezeigt, daß unter den gegebenen Besonderheiten für leistungselektronische Bauelemente offene Modelle zu bevorzugen sind.

Aus der Sicht des Nutzers wird angestrebt, daß unter dem Oberbegriff des Bauelementetyp das konkret bezeichnet Bauelement ohne zusätzlichen Parametrisierungsaufwand ausgewählt werden kann. Diesem Wunsch am nächsten kommt eine Bibliothek mit fertigen, vorparametrisierten Modellen für das genau bezeichnete Produkt. Dies ist auch die häufigste anzutreffende Form und wird mit Erfolg vor allem für Bauelement der Signalverarbeitung genutzt. Vorparametrisierte Bibliotheken werden meistens Modelle der Hierarchieeben 3 enthalten.

Wie die Diskusion um das Kosten/Nutzenverhältnis in  Kap. 2.1.1  gezeigt hat, ist ihre Eignung für leistungselektronische Bauelemente umstritten, da die Anzahl der Anwendungen pro Modell bezogen auf die Erstellungskosten viel zu gering sind. Außerdem sind solche Bibliotheken, wenn sie nicht sorgfältig vom Halbleiterhersteller selbst oder dem Softwareanbieter gepflegt werden, meist veraltet. Die Generationsfolge der Bauelemente und neue Halbleiter erfordern eine jährliche Aktualisierung der Bibliotheken. Der einsetzende Trend, daß Hersteller zum Datenbuch die parametrisierten Modelle für ihre Halbleiter anbieten, hat sich in letzter Zeit nicht weiter fortgesetzt. Hauptursachen sind die hohen Kosten bei der Modellerstellung, der fehlende Konkurrenzdruck und eine nicht vorhandene Standardisierung der Modellsprache, die die Portabilität zwischen verschiedenen Simulatoren verhindert.

Eine Möglichkeit zur Verminderung des Widerspruchs zwischen Nutzeranforderungen und kommerziellen Möglichkeiten der Modellerstellung ist die Förderung mit öffentlichen Mitteln. Auf diesem Weg ist beispielsweise in einem Verbundprojekt die "Modellbibliothek für komplexe analoge Bauelemente" /Biblio/ entstanden. In diesem Projekt wurden zur Sicherung der Portabilität auf verschieden Simulationsplattformen Netzlisten auf Spice-Niveau als einheitliche Modellierungssprache gewählt. Der Vorteil der Portabilität mußte mit Einschränkungen in den Modellierungsmöglichkeiten erkauft werden. Wegen der öffentlichen Förderung sind die Modelle offengelegt und stehen jedermann zur Verfügung. Problematisch bleibt nach dem Ende eines solchen Projektes die Aktualität der vorparametrisierten Modelle.

Die besonders für leistungselektronische Modellbibliotheken akuten Probleme der Finanzierbarkeit und der Aktualität können durch Bibliotheken mit unparametrisierten Modellen eines Bauelementetyps gemindert werden. Unter Bauelementetypen sind u.a. die Transistorarten zu verstehen, deren Modelle abgestuft in Hierarchieebenen in dieser zweiten Bibliotheksart enthalten sein können. Sie sind vom Nutzer selbst zu parametrisieren. Die Übergabe von Modellparametern erfolgt beim Modellaufruf. Um dem Nutzer die Parametrisierung zu ermöglichen, müssen die Modelle mit Parametrisierungsvorschriften versehen sein, welche sich auf Angaben in durchschnittlich dokumentierten Datenblättern oder auf leicht meßbare Größen beziehen. Ein direkter Bezug zu diesen Daten entsteht bei der Modellierung des Klemmenverhaltens dieser Bauelemente.

Die dritte Art von Bibliotheken enthält nur die bauelementespezifischen Parametersätze für simulatorinterne Modelle. Die Modelle gelten ebenfalls für einen Bauelementetyp und sind im allgemeinen für den Anwender nicht zugänglich. Dieser Nachteil wird zum Teil durch Vorteile im Simulationszeitbedarf kompensiert. Bei der simulatorinternen Modellumsetzung lassen sich günstig die Gleichungssätze eines auf halbleiterphysikalischer Basis modellierten Bauelementes integrieren. Die Parametrisierung dieser Modelle erfordert die Zusammenarbeit mit dem Bauelementehersteller, von dem vorzugsweise die Parametersätze zu beziehen sind.

Als vierte, in ihrem Inhalt etwas abweichende Form existiert die Bausteinbibliothek. Sie wird vorzugsweise für komplexere Bauelemente mit großem Funktionsumfang eingesetzt. Der bedarfsgerechte Aufbau der Modelle erfolgt vom Nutzer. Zwischen den Ausgangs- und Eingangsklemmen eines n-Pols (des Bauelementes) werden je nach Anforderung der Simulationsaufgabe aus der Bibliothek Funktionsbausteine eingebaut. Voraussetzung sind klar abgrenzbare Funktionen des Modellgegenstandes, die in Bausteine als Bestandteil der Bibliothek umgesetzt werden können.



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2.3 Modellansatz für Leistungshalbleiter

Für den Ansatz zur Modellierung von Leistungshalbleitern wird in unterschiedlichem Umfang auf die in Abb. 2.2 dargestellten drei Wissenschaftsrichtungen zurückgegriffen. Für die Umsetzung des Modellansatzes bedient man sich einer Modellierungssprache oder -technik, welche für Verhaltensmodelle im Kapitel 3 erläutert werden.

Als ein Ansatz liefert die Halbleiterphysik die Gleichungen für die Bewegung und Verteilung der Ladungsträger und erlaubt bei Kenntnis der Dotierungsprofile und der geometrischen Abmessungen eine sehr detailgetreue Nachbildung der internen Vorgänge im Halbleiter. Vom elektrotechnischen Standpunkt wird das Verhalten der Bauelemente von außen betrachtet. Unter Anwendung der elektrotechnischen Grundgesetzte, wie Ohmsches Gesetz, Knotenpunkt- und Maschensatz erfolgt eine verhaltensbeschreibende Umsetzung der Bauelementeeigenschaften, beispielsweise in elektrischen Ersatzschaltungen. Der Einsatz rein analytischer mathematischer Berechnungsverfahren erfolgt weniger zur Bauelementemodellierung selbst. Ein wesentlicher Vorteil der Simulationssysteme ist es, daß sie dem Ingenieur das Aufstellen und Lösen der komplizierten Differentialgleichungssysteme für diese Modelle über Umschreibungen abnehmen. Daher liegt der Beitrag der Mathematik im wesentlichen in der Bereitstellung der unterschiedlichen Verfahren zur Umsetzung der Ansätze, die sich auf halbleiterphysikalische oder elektrische Gesetzmäßigkeiten stützen.

Die Beschränkung auf eine wissenschaftliche Beschreibungsform führt zu Modellen mit Eigenschaften, deren sinnvoller Anwendungsbereich stark eingeschränkt ist. Häufig werden Mischformen verwendet, um die Vorteile der unterschiedlichen Betrachtungsweisen zu kombinieren und um dazwischenliegende Anwendungsbereiche abzudecken. Für die Summe aller denkbaren Modellanwendungen wird ein Optimum im schraffierten Mittelbereich (Abb. 2.2) liegen. Eine ideale Modellierungstechnik, welche gleichermaßen für jedes der einzelnen Anwendungsgebiete geeignet ist, existiert dennoch nicht. Die Auswahl des richtigen Modellansatzes und der geeigneten mathematischen Umsetzungsform wird vom bevorzugten Einsatzzweck, dem Anwenderkreis und der zur Verfügung stehenden Software bestimmt.

Das realisierbare Spektrum reicht von der strukturnahen Modellierung des Halbleitermaterials mit Finite-Elemente-Methoden (FEM) unter Anwendung der halbleiterphysikalischen Gesetzmäßigkeiten bis zur strukturfernen Modellierung mit den aus Kennlinien synthetisch generierten Verhaltensmodellen. Ein modulares Konzept, welches dem ersten Fall sehr Nahe kommt, ist an der TU München entwickelt worden /Metzner/. Dort werden Teilmodelle für Halbleiterstrukturen zum gewünschten Halbleiter zusammengefügt. Basiselement ist das für das Verhalten von Leistungshalbleitern entscheidende Modell der Driftzone. Für diese erfolgt die orts- und zeitabhängige Berechnung des Loch-Elektronen-Plasma mit Hilfe der Finite-Differenzen-Methode.

Für die andere Seite des Spektrums stehen Makromodelle wie sie in /Heine/ entwickelt und vorgeschlagen wurden. Dort wurde das Systemverhalten der Bauelemente in separat wirkende Charaktereigenschaften zerlegt und diese mit verschiedenen Syntheseverfahren approximiert. Die so entstehenden Bausteine werden nach festgelegten Verknüpfungsvorschriften über Zustandsgleichungen in einer automatisierten Modelltransformation bedarfsgerecht zusammengefügt und optimiert. Diese Modelle haben jeglichen Bezug zu physikalisch interpretierbaren Strukturen verloren.

Die bevorzugte Methode zum Erstellen von Leistungshalbleitermodellen zur Schaltungsanalyse muß unter Abwägung von Vor- und Nachteil aus drei Standpunkten ausgewählt werden. Als erstes muß es im Modellierungsverfahren möglich sein, problemlos das Wissen über die Eigenschaften des Bauelementes in eine dem Simulator verständliche Form zu übertragen. Beziehungen zu halbleiterphysikalisch interpretierbaren Größen sollten vorhanden sein. Vom Standpunkt der Schaltungsentwicklung interessiert vorrangig das richtige Klemmenverhalten des Modells und eine schnelle Verfügbarkeit der Ergebnisse auch bei umfangreicheren Schaltungen. Als drittes ist vom ökonomischen Standpunkt auf einen geringen Kostenaufwand zu achten.

Unter diesen Gesichtspunkten sind die Zustandsmodellierung als übergeordneter Modellansatz, der halbleiterphysikalische und der verhaltensbeschreibende Ansatz zu untersuchen. Die detaillierte Analyse der Modellierungstechniken in den nachfolgenden Abschnitten führt zu der Schlußfolgerung, daß die Verhaltensmodellierung unter Beachtung physikalischer Zusammenhänge den genannten Ansprüchen am nächsten kommt.

2.3.1 Zustandsmodellierung

Die geschlossene Beschreibung umfangreicher technischer Prozesse und Systeme ist wegen der Vielzahl der zu berücksichtigenden Einflußgrößen oft nicht oder nur mit erheblichem Aufwand möglich. Mit einem Zustandsmodell ist durch eine Aufteilung des Modellgegenstandes in überschaubare Abschnitte eine Lösung des Problems möglich. Für den Modellgegenstand müssen anhand von Umgebungsbedingungen Zustände definiert werden, die sich durch wesentliche Charaktereigenschaften voneinander unterscheiden und in ihrer Summe sein Verhalten und seine Eigenschaften vollständig beschreiben. Innerhalb der Zustände können sowohl die Verhaltensmodellierung wie auch die halbleiterphysikalischen Gleichungen eingesetzt werden. Das vorrangige Einsatzgebiet und der Umfang der berücksichtigten Eigenschaften der Modelle hängt damit von den in den Zuständen definierten Beziehungen ab. Die Modellierung zeitlicher Abläufe, bei denen ein Ereignis eine Änderung am System hervorruft, wird auch als ereignisorientierte Modellierung bezeichnet. Voraussetzung für die Zustandsmodellierung ist die Verwendung eines Simulators, bei dem eine Eingabe von Fallunterscheidungen vorgesehen ist. Dies können IF-THEN-Schleifen sein, wie sie bei einer den Programmiersprachen ähnlichen Modelleingabe (Kap. 3.1.3) gebräuchlich sind. Eine andere Lösung bietet die Petri-Netz-Theorie (Kap 3.1.2).

Einer der wesentlichen Vorteile der Zustandsmodellierung ist, daß innerhalb der Zustände nur die dort relevanten Größen betrachtet und berechnet werden. Durch den Ausschluß nicht wirksamer oder vernachlässigbarer Größen wird der Berechnungsumfang für den Simulator gemindert und die Simulationsergebnisse stehen schneller zur Verfügung. Für die analytische Beschreibung mit Gleichungen ist die Aufteilung in Zustände meist Voraussetzung, da dann Vernachlässigungen und Vereinfachungen getroffen werden können, die eine Berechnung erst ermöglichen. Zustandsmodelle erlauben einen hohen Grad der Abstraktion und eine Modellierung in Level unterschiedlicher Komplexität. Der Umfang kann vom idealisierten Schaltermodell bis zur Berechnung der Ladungsträgerbewegungen im Halbleiter reichen. Die Syntax zur Fallunterscheidung, wie sie zur Aufteilung in Systemzustände benötigt wird, kann dazu genutzt werden, um mit einem vom Nutzer einzugebenden Parameter zwischen verschiedenen Modellhierarchieebenen auszuwählen.

Nachteilig ist bei der diskreten Modellierung analoger Systeme, dies stellt die Zustandsmodellierung von Halbleitern dar, die Notwendigkeit, für einen stetigen Verlauf der Prozeßgrößen beim Übergang zwischen zwei Zuständen zu sorgen. Die Beziehungen in den verschiedenen Zuständen müssen so auf einander abgestimmt sein, daß keine Sprünge in Strömen, Spannungen oder Ladungen auftreten. Dies bedingt einigen Aufwand bei der Modellierung.

Der Handlungsablauf bei der Erstellung eines Zustandsmodells zur Simulation transienter Vorgänge beinhaltet unabhängig vom Modellgegenstand generell die Lösung von drei Teilaufgaben:

  • Formulierung der Zustandsfolgen
  • Die Folge von Zuständen der zeitlich ablaufenden Vorgänge erhält man unmittelbar mit der Aufstellung der Ursache-Wirkungskette. Die Zustände müssen für den Zweck der Analyse von Bedeutung sein, jeweils für eine endliche Dauer das System entscheidend prägen und sich voneinander qualitativ unterscheiden.
  • Formulierung der Zustandsgrenzen
  • Mit diesen wird festgelegt, unter welchen Bedingungen und bei welchen Systemgrößen sich der Zustand des Modellgegenstandes verändert. Eine Überschreitung der Grenzen löst den sprunghaften Übergang vom bisher gültigen zum nachfolgenden Zustand aus.
  • Formulierung der Zustandseigenschaften
  • In dieser Komponente des Modells wird vereinbart, wie das Modell im aktuelle Zustand auf das umgebende System einwirkt. Neue Eigenschaften werden als Folge der Erfüllung einer Übergangsbedingung mit einem neuen Zustand herbeigeführt.
     
    Nach dieser Methodik entsteht ein Modell, dessen Grundelement in Abb. 2.3 dargestellt ist. Eine Eignung ist vor allem für statische Modelle von Leistungshalbleitern gegeben, da sich durch ihren Einsatz als Schalter die Bauelemente mit nur wenigen Zuständen beschreiben lassen. In erster Näherung sind dies die Betriebszustände Sperren, Blockieren und Leiten.
    Die Spezifizierung, um welches Bauelement es sich dabei handelt, wird durch die Definition der Übergangsbedingungen und die Zustandseigenschaften erreicht. Die Übergangsbedingungen ergeben sich aus Änderungen der Lastverhältnisse, aus Grenzwerten oder aus den Ansteuerbedingungen. Für jeden Zustand erfolgt das Aufstellen der darin gültigen Gleichungen oder Gleichungssätze. Deren Umfang und Inhalt bestimmt die Güte und den Gültigkeitsbereich des Modells. Innerhalb der Grenzen eines Zustandes reagiert das Modell entsprechen seiner Eigenschaften auf quantitative Änderungen in der Modellumgebung und wirkt dadurch auf die Umgebung zurück.

    Am Beispiel eines Thyristors ist ein solches einfaches Modell in Abb. 2.4 dargestellt. Durch Zustandserweiterungen sind weitere Eigenschaften wie Durchbrüche realisierbar. Mit Zwischenzuständen, die das Übergangsverhalten zwischen den statischen Zuständen festlegen, können auch dynamische Modelle erstellt werden.

    Eine ganz andere Bedeutung kommt der Zustandsmodellierung zu, wenn ein Leistungsmodul über den Einzelhalbleiter hinaus geht, wie es durch den Einsatz von Smart-Power immer häufiger der Fall ist. Bei der Modellierung solcher Elemente sind Schutz- und Überwachungsfunktionen zu berücksichtigen, deren Wirkungsweise in diskreten Zuständen der Zustandsmodellierung entgegen kommt. Viele dieser Baugruppen befinden sich während des Betriebes nur in einem Bereitschaftszustand und greifen nur unter bestimmten Randbedingungen in das Wirken des Leistungshalbleiters ein. Mit einem Zustandsmodell können diese Funktionen in effektiver Weise berücksichtigt werden, ohne das Modell für den Normalbetrieb unnötig aufzubauschen. 

    2.3.2 Modellierung mit halbleiterphysikalischem Ansatz

    Die Modelle mit diesem Ansatz beruhen auf dem Anspruch, dem Nutzer ein Modell zur Verfügung zu stellen, daß im gesamten Bereich möglicher Einsatzbedingungen durch Berechnung interner physikalischer Vorgänge dem realen Bauelement sehr nahe kommt. Auf Grund der internen Betrachtungsweise ist ein solches Modell geeignet, die Funktion und Wirkungsweise des Bauelementes selbst zu studieren. Bei der Modellierung auf halbleiterphysikalischer Basis können eine Vielzahl der im Bauelement vorhanden Charaktereigenschaften auf das Modell übertragen werden. Die berücksichtigten Effekte sind beispielsweise dynamische Raumladungen, Lawineneffekte, lokal wirkende Streu- und Rekombinationsmechanismen und die Temperaturabhängigkeit aller Halbleitergrößen. Die einsetzbaren mathematischen Berechnungsverfahren liegen zwischen FEM zur Darstellung bauelementeinterner Größen und der Eingabe von Gleichungssätzen.

    Es ist möglich, für die physikalisch basierte Modellierung einen Handlungsalgorithmus aufzustellen. Nach /Hefner1/ sind dazu folgende Schritte notwendig:

    Letzteres bedingt als Voraussetzung die Verwendung eines Simulators, der eine Eingabe von Gleichungen direkt oder über eine Programmierschnittstelle ermöglicht. Am günstigsten in Bezug auf den Simulationszeitbedarf ist eine direkte Einbindung der Modellgleichungen in den Quelltext des Simulators. Andere Verfahren, insbesondere eine Gleichungsberechnung über Ersatzschaltungen, ist mit zu vielen Näherungen und Kompromissen verbunden. Aber auch bei direkter Verwendung von Gleichungen werden, wie bei allen Modellen, Näherungsvereinbarungen getroffen und Vereinfachungen vorgenommen. In Abhängigkeit davon sind die Simulationsergebnisse nicht zwangsläufig genauer als bei Simulationen mit verhaltensbeschreibenden Modellen.

    Bei entsprechendem Modellaufbau können durch Optimierung der halbleiterspezifischen Parameter Verbesserungen an der Halbleiterstruktur und den Dotierungsprofilen vorgenommen werden. Für Simulationen des Bauelementes in einer leistungselektronischen Schaltung ist es möglich, das Verhalten in begrenztem Umfang zu testen. Einzelne Phasen von dynamischen Vorgängen können bis ins Detail analysiert werden. Beschränkungen für umfassende Schaltungsbetrachtungen sind vor allem durch den Simulationszeitbedarf gegeben, der einige Minuten pro Schaltvorgang und Bauelement betragen kann /Vogler/.

    Voraussetzung zur Modellierung mit halbleiterphysikalischem Ansatz ist eine umfassende Analyse des Halbleiters, was lange Modellentwicklungszeiten mit entsprechend hohen Kosten zur Folge hat. Zur Analyse muß die Struktur und das Dotierungsprofil des Bauelementes bekannt sein, was mit dem benötigten Detailwissen meist erst weit nach der Markteinführung und Veröffentlichungen von Strukturparametern der Fall ist. Die Verfügbarkeit und Aktualität ist nur in Zusammenarbeit mit dem Hersteller, etwa bei Auftragsmodellierung, zu gewährleisten. Einige wenige Hersteller machten wegen eines gestiegenen Kundeninteresses davon Gebrauch und brachten gemeinsam mit neuen Bauelementegenerationen parametrisierte, verschlüsselte Modelle heraus (SABER IGBT-Modelle für Motorola Bauelemente).

    Gleiches gilt für die Parameter zur selbständigen Parametrisierung des Modells. Da es sich um halbleiterspezifische, technologische Größen handelt, sind diese nicht dem Anwender, sondern nur dem Hersteller bekannt. Letztere versuchen in den meisten Fällen das damit verbundene Hintergrundwissen zu schützen.

    In einigen Fällen wird eine Parameterextraktion über teils speziell zum Modell geschriebene, zusätzliche Software durchgeführt. Die Parameter der Halbleitergleichungen werden solange verändert, bis das vorher bekannte Verhalten mit dem geringsten Fehler nachgebildet wird. Die Parameter können dabei den physikalischen Bezug verlieren, da diese Eigenschaft meist mit einer genäherten Gleichung beschrieben wird. Dies ist durchaus legitim, stellt aber nur eine Art der verhaltensbeschreibenden Modellierung mit physikalischem Ansatz dar. Außerdem wird die Handhabbarkeit der Modelle stark beeinträchtigt, da die Software dem Nutzer zum gegebenen Zeitpunkt eventuell nicht zur Verfügung steht.

    Als Ansatz für die physikalischen Modelle diskreter Leistungshalbleiter dienen die hinlänglich bekannten Halbleitergleichungen. Ein Ausgangspunkt ist die Poisonsche Differentialgleichung:

    Unter zu Hilfenahme der Beziehung D = E zwischen Verschiebungsstromdichte und elektrischer Feldstärke kann die Verbindung von Potential und Raumladung hergestellt werden:

    Oft wird bei der Halbleitermodellierung Gleichung (2.2) auf ein eindimensionales Problem mit der x-Komponente reduziert. Die Beschreibung der geordneten Bewegung der mobilen Ladungsträger (=Stromfluß) durch Wirkung eines elektrisches Feldes (=Driftstrom) oder durch Konzentrationsgradienten (=Diffusionsstrom) erfolgt mit der Stromdichte-Gleichungen für Löcher und Elektronen:

    Die Gesamtstromdichte entspricht der Summe der beiden Teilstromdichten:

    Zur Berechnung der zeitlichen und räumlichen Änderung der Ladungsträgerkonzentration in einem Volumenelement durch Generation G, Rekombination R oder eine Änderung des Stromflußes wird die Kontinuitätsgleichung herangezogen:

    Je nach Leitungstyp, Halbleitergeometrie und Dotierung können für verschiedene Halbleiter Vereinfachungen bezüglich der am Stromfluß beteiligten Komponenten getroffen werden.

    Zur Beschreibung dynamische Vorgänge von steuerbaren Bauelementen werden mit der Ladungssteuerungstheorie die Ströme mit den gespeicherten Ladungen in Verbindung gebracht. Das Bauelement wird in die zu modellierenden Bahngebiete aufgeteilt. Grundlage zur Berechnung der Ladungen sind die Kontinuitätsgleichungen. Die Integration über ein Bahngebiet (x=0 -> x=w) führt zur Gleichung (2.8) in allgemeingültiger Form:

    Mit den entsprechenden Randbedingungen für die Bahngebiete können die Ströme zeitabhängig vom Simulator berechnet werden.
    Zu beachtende Besonderheiten bei der Modellierung von Leistungshalbleitern sind vor allem:

    Die letztgenannten Beziehungen in Gl. (2.10-13) sind physikalische Grundlagen für den in Kapitel 4 zur verhaltensbeschreibenden Modellierung ausgewählten IGBT. Nach /Hefner/ ist allerdings dieser quasistationäre Ansatz zur Modellierung von IGBT nur bedingt geeignet. Ursache dafür ist unter anderem die nicht vernachlässigbare Ausbreitungsdauer der Ladungsträger im Basisgebiet während des Schaltvorganges.
    Auf einer physikalischen Beschreibung beruhen auch alle bekannten, veröffentlichten IGBT-Modelle. Eine Auswahl ist in Tab. 2.3 mit dem Lösungsansatz und dem verwendeten Simulator aufgeführt.
     
    Tab. 2.3 Veröffentlichte IGBT-Modelle
    Autor  Lösungsansatz verwendeter Simulator
    Hefner (National Institute of Standards and Technology, USA) /Hefner3/  nicht quasistatische Lösung von DGL (eindimensional)  SABER
    Kraus/Türkes 
    Bundeswehr UNI München 
    /Kraus/
    Lösung der DGL durch Polynome höherer Ordnung 
    z.T. zweidimensional 
    SABER
    Vogler/Schröder 
    UNI München /Vogler/
    orts- und zeitabhängige Ladungsträgerplasmaberechnung in der Driftzone durch Finite Differenzen SABER
    Fatemizadeh/Silber 
    UNI Bremen /Fatemiz/
    quasistatische Lösung von DGL Modell mit Eigenerwärmung beliebig, 
    Eingabe eines Gleichungssystem
    Behr, TU Berlin 
    /Behr/ 
    quasistatische Lösung von DGL (eindimensional )  beliebig, 
    Eingabe eines Gleichungssystem
    Protiwa/Apeldoorn/Groos 
    UNI Aachen 
    /Protiwa/
    Ersatzschaltung mit Standard PSpice Modellen (BJT, MOSFET) + Ergänzungen PSpice
    Cotorogea, TU Berlin 
    /Cotorogea/
    Standard PSpice Modell MOSFET mit Zusatzbeschaltung  PSpice
     Diesen Modellen fehlt zum Teil der Bezug zum Datenblatt oder anderen Herstellerangaben. Die Kenntnis von Halbleitergrößen wird vorausgesetzt. Außerdem besitzt keines der Modelle die Möglichkeit, das Bauelement auf wesentliche Eigenschaften zu reduzieren, um den Parametrisierungsaufwand und die Simulationszeiten zu verringern.

    2.3.3 Verhaltensbeschreibende Modellierung

    Anspruch der verhaltensbeschreibenden Modellierung ist es, Modelle zu schaffen, die das Klemmenverhalten der betreffenden Bauelemente in einer Simulationsschaltung richtig wiedergeben. Bei diesen Modellen werden keine eigentlichen halbleiterphysikalischen Größen integriert, sondern nur ihre meßbaren Größen an den Anschlußklemmen. Für Modelle von Leistungshalbleitern betrifft dies auf Grund des leistungselektronischen Wirkprinzips (Einsatz als Schalter) vor allem das statische Verhalten und das Schaltverhalten.

    Schaut man in die Historie der verhaltensbeschreibenden Modellierung bzw. des Analog Behavioral Modeling zurück, nahm diese vor Jahren noch einen unbedeutenden Platz unter den Modellierungstechniken ein. Heute gibt es kein modernes Analogsimulationssystem ohne diese leistungsfähige Möglichkeit. Der Ursprung dieses Modellansatzes liegt in der Signalverarbeitung. Bauelemente, wie der Bipolartransistor, wurden mit mehr oder weniger komplizierten Ersatzschaltungen nachgebildet. Als immer umfangreichere Schaltungen eine Simulation auf Transistorebene unmöglich machten, mußten auch für Schaltkreise (Operationsverstärker, Komparatoren) Verhaltensmodelle erstellt werden /Biblio/. Wegen der offensichtlichen Vorteile bei der Beschreibung komplexer Systeme hat es sich als sinnvoll erwiesen, auch in der Starkstromelektrotechnik auf der Schaltungsebene mit diesem Ansatz zu arbeiten. Ein effizienter Top-Down-Entwurf ist ohne Verhaltensmodelle in den oberen Entwicklungsebenen kaum möglich.

    Nicht gebräuchlich, aber mit interessanten Vorteilen gegenüber den Problemen des halbleiterphysikalischen Ansatzes, ist die verhaltensbeschreibende Modellierung bisher bei Leistungshalbleitern. Durch das Herausarbeiten grundlegender qualitativer Bauelementeeigenschaften, die allen Bauelementen dieses Typs unabhängig von der konkreten halbleiterphysikalischen Realisierung gemeinsam sind, entstehen Modelle für eine gesamte Produktfamilie. Solche Eigenschaften sind unter stationären Bedingungen das Sperrverhalten, das Durchlaßverhalten und das Übertragungsverhalten. Die dynamischen Eigenschaften werden im wesentlichen durch die Berücksichtigung gespeicherter Ladungen modelliert.

    Die Bedienung einer gesamten Produktfamilie wirkt sich gemeinsam mit relativ kurzen Entwicklungszeiten und einfachster Anpassung der Modelle an entwicklungsbedingte Änderungen günstig auf den Kostenfaktor aus. Durch die Verwendung von äußerlich bestimmbaren Eigenschaften werden die fehlenden Strukturkenntnisse von neuen, noch nicht ausreichend veröffentlichten Bauelementen umgangen und das Problem fehlender Parameter gelöst.

    Die Aufgabe der Simulation, den Schaltungsentwickler bei der Entscheidungsfindung über den Einsatz neuer Bauelemente innerhalb einer leistungselektronischen Schaltung zu unterstützen, setzt die Verfügbarkeit von Modellen der neuesten Bauelemente voraus. Die oft durch Struktur- oder Dotierungsänderungen verbesserten Halbleiter behalten dennoch ihre grundlegenden Bauelementeeigenschaften, so daß die auf einer qualitativen Beschreibung von Eigenschaften beruhenden Verhaltensmodelle mit geänderten Parametersätzen weiter einsetzbar sind. Halbleiterphysikalische Gleichungen verlieren unter Umständen durch die Änderung der Halbleiterstruktur ihre Gültigkeit.

    Mit Hilfe der Verhaltensbeschreibung ist es möglich, Modelle zu erstellen, bevor Details über die Struktur und Wirkprinzipien des Bauelementes für einen halbleiterphysikalischen Modellansatz veröffentlicht werden. Möglich wird dies, da zur Markteinführung neuer Produkte von den Herstellern Testelemente in geringer Stückzahl mit einfachen Datenblättern zur Verfügung gestellt werden, so für den MCT 1994 von Harris, oder den Trench-IGBT 1995 von Mitsubishi. An diesen Elementen sind die erforderlichen Messungen zum Studium des Klemmenverhaltens des Bauelementes möglich. Da die verhaltensbeschreibende Modellierung unabhängig von Halbleitertechnologien einsetzbar ist und auf der Beschreibung äußerlich bestimmbarer Eigenschaften beruht, stellt sie ein Verfahren dar, daß auch bei zukünftigen Bauelementen schnell zu brauchbaren Modellen führen wird.

    Durch die Erfassung des Klemmenverhaltens werden gleichwirkende oder sich teilweise kompensierende Halbleitergrößen zwangsweise zu einer Modelleigenschaft zusammengefaßt, was zu vereinfachten Modellstrukturen mit geringerem Simulationszeitbedarf führt. Zusätzlich wird der Einsatz der verhaltensbeschreibenden Modellierung durch die Tatsache gerechtfertigt, daß durch den Aufbau in Modulen und die zunehmende Integration von Zusatzfunktionen und Schutzbeschaltungen mit Leistungshalbleitern komplexe Systeme (Smart-Power-Elemente) zu modellieren sind, deren diskrete Umsetzung auf Schwierigkeiten stößt.

    Die genannten Vorteile entsprechen den in Kap. 2.1 gestellten Anforderung und widerlegen die oft vertretene Meinung, daß nur streng physikalisch fundierte Modelle, die über die Berechnung der Ladungsträgerbewegungen im Halbleiter das Bauelement nachbilden, die Anforderungen der Schaltungsentwickler befriedigen können. Letztendlich interessiert den Schaltungsentwickler vorrangig das Verhalten des Bauelementes in einer Schaltung, unabhängig von der Realisierungsform des Modells.
    Die Vorgehensweise beim Erstellen von Verhaltensmodellen der Leistungselektronik stellt eine Kombination aus theoretischer und experimenteller Modellentwicklung dar und hat folgendes Aussehen:

    Grundlage für die Modellentwicklung ist ein umfassendes Studium des Modellgegenstandes. Dazu ist es auch bei Anwendung der verhaltensbeschreibenden Modellierung von diskreten Leistungshalbleitern notwendig, daß der Modellentwickler grundlegende Kenntnisse über die ablaufenden halbleiterphysikalischen Vorgänge besitzt. Halbleiterphysikalische Basisgleichungen und ein Verständnis für die halbleiterinternen Vorgänge reichen meist aus. Auf dieser Grundlage sind die geeigneten Modellierungs- und Meßmethoden auszuwählen, mit denen die Eigenschaften des Bauelementes beschrieben und deren Kenngrößen ermittelt werden können. Die gewonnenen Meßwerte sind hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit zu interpretieren und vorhandene Tendenzen abzuleiten. Eine tieferes Eindringen in die Halbleiterphysik ist nicht zwingend notwendig, es unterstützt aber die Lösungsfindung bei der Modellierung und ermöglicht es, besser die Gültigkeitsgrenzen für das Modells festzulegen. Für den Modellierungsvorgang nach dem Studium des Bauelementes genügen im wesentlichen die Grundgesetze der Schaltungsanalyse, wie die Kirchhoffschen Gesetze oder der Energieerhaltungssatz.

    Der verhaltensbeschreibende Ansatz erlaubt es, verschiedene Modellierungstechniken und -sprachen zu verknüpfen und damit den Modellaufbau je nach Anwendungszweck zu variieren. So können mathematische Beschreibungen von Systemen mit algebraischen oder boolschen Gleichungen mit Ersatzschaltungen (Kap 3.1.1) oder Zustandsbeschreibungen (Kap 3.1.2) kombiniert werden. Die Schwierigkeit für den Modellentwickler besteht darin, für einen bekannten physikalischen Zusammenhang eine simulationstechnisch einfach zu realisierende Interpretation und die optimale Beschreibungssprache zu finden. Dazu muß er sich bei Bedarf von der diskreten Umsetzung einzelner Eigenschaften, beispielsweise in elektrischen Ersatzschaltungen, lösen. Die Abstraktion im Sinne einer Anhebung auf eine übergeordnete Funktionalität erlaubt dann die Gestaltung von sehr komplexen Systemen.

    Bei der Wahl der Modellierungssprache sollte beachtet werden, daß im Modell eine physikalische Interpretierbarkeit erhalten bleibt. Das erleichtert dem Modellierer die Umsetzung seiner Kenntnisse über das Bauelement und dem Anwender die Parametrisierung und das Nachvollziehen der Simulationsergebnisse. Im Interesse der Ökonomie muß man dort, wo es zeitraubende Analysen erspart, bereit sein, darauf zu verzichten und empirisch gewonnene Zusammenhänge mit abstrakten Modellkonstruktionen einsetzen.

    Aus dem Prinzip der Verhaltensmodellierung heraus ergeben sich Grenzen für den Einsatz der Modelle. Auf Grund der Nachbildung eines Verhaltens als Reaktion auf konkrete Umgebungsbedingungen sind Verhaltensmodelle zur Analyse von Schaltungen mit diesen Bauelementen und weniger zum Studium interner Vorgänge im Bauelement konzipiert. Da keine Analyse interner Vorgänge erfolgt, sind auch keine quantitativen Schlußfolgerungen zur Verbesserung des Halbleiteraufbaus möglich.

    Wie bei den Modellanforderungen im Kapitel 2.1 gezeigt wurde, lassen sich geringer Simulationszeitbedarf mit genauen, beliebig einsetzbaren Modellen nicht vereinbaren. Zeiteinsparungen sind nur mit Abstrichen in anderen Eigenschaften zu erkaufen. Bei der Verhaltensmodellierung muß jede zusätzliche Eigenschaft in Form einer Modellerweiterung hinzugefügt werden. Bei Einzelhalbleitern wird ab einer bestimmten Anzahl realisierter Eigenschaften ein Punkt erreicht, an dem der Aufwand für Modellerstellung, Parametrisierung und Simulationszeitbedarf für das Verhaltensmodell den des halbleiterphysikalischen Ansatzes übersteigt. Die durch das Herausarbeiten qualitativer Bauelementeeigenschaften gewonnenen Vorteile im Simulationszeitbedarf gehen verloren. Auf Grund der Konzentration auf die zur Schaltungsanalyse wesentlichen Modelleigenschaften sind solche Modelle nicht zur Untersuchung aller physikalischen Effekte bis ins letzte Detail geeignet.
     


    Schlußfolgerungen zu den beschriebenen Modellierungsansätzen

        Schlußfolgernd daraus ist es Ziel dieser Arbeit, Lösungswege, Vorteile und Einsatzgebiete für die verhaltensbeschreibende Modellierung von Leistungshalbleitern aufzuzeigen.