3.4 Parametergewinnung durch Messung
Das Verhaltensmodell eines Bauelementes, daß sich auf die wesentlichen
Grundeigenschaften beschränkt, ist sicherlich mit theoretischen Überlegungen
und dem Heranziehen von Datenblattangaben zu erstellen. Eine detailliertere
Modellierung erfordert das Studium des Bauelementes an unterschiedlichsten
Arbeitspunkten, die Ergänzung von Parametern zusätzlich zu den
Datenblattwerten und eine Verifikation des Modells in der praktischen Schaltung.
Folglich ist ein kombinierter Prüf- und Meßaufbau für das
zu modellierende Bauelement notwendig. Es ist eine Lösung zu finden,
die einerseits für das Studium des Bauelementeverhaltens und die Verifikation
praxisnahe Einsatzbedingungen schafft und die andererseits die Gewinnung
von statischen und dynamischen Parametern erlaubt. Es müssen Meßprinzipien
angewandt werden, welche die benötigten Meßwerte reproduzierbar
liefern und bei denen der Meßfehler real einzuschätzen ist.
3.4.1 Meßprinzipien und Meßverfahren
Im wesentlichen beschränken sich die Messungen an Leistungshalbleitern
auf die Untersuchung des Großsignalverhaltens. Eine Ausnahme bildet
die Kapazitätsbestimmung, bei der über die Extrapolation von
Kleinsignalparametern in einem gewissen Bereich auf das Großsignalverhalten
geschlossen werden kann. Nachfolgend sind die zur Untersuchung und Parametergewinnung
angewendeten Verfahren kurz beschrieben.
Zur Aufnahme der statischen Kennlinien von Leistungshalbleitern hat sich
das Impulsverfahren in der Tiefsetzstellerschaltung (Abb. 3.17) durchgesetzt.
Das Bauelement wird bei diesem Verfahren mit kurzen Impulsen einer sehr
niedrigen Frequenz (...1Hz) oder als Einzelimpuls angesteuert. Ziel ist,
die Verluste minimal zu halten, damit die Meßwertverfälschung
durch eine Temperaturänderung während der Messung vernachlässigbar
ist. Die Impulslänge muß folglich so klein wie möglich
sein. Zur Ermittlung statischer Bauelementekennwerte müssen die Schaltvorgänge
abgeschlossen sein, woraus sich eine Mindestimpulslänge ergibt. Die
optimale Impulslänge kann nicht allgemeingültig vorgegeben werden,
sondern ist vom Bauelement und seiner Leistungsklasse abhängig. Bei
Kenntnis der zu erwartenden Verluste und einer max. zulässigen Temperaturänderung
kann die Impulslänge grob aus dem transienten Wärmewiderstand
berechnet werden.
Mit dem ermittelten Wert von Zth kann aus der entsprechenden
Funktion des Datenblatts die Einschaltdauer nach einem Verlustleistungssprung
abgelesen werden. Zu beachten ist allerdings, daß die reale Sperrschichttemperatur
bei großen Leistungssprüngen weit höher ist, als mit dem
im Datenblatt angegebenen Mittelwert für Zth berechnet
wurde /Borucki/. Für den im Kapitel
4 untersuchten IGBT wurden als Impulsdauer ca. 20µs gewählt.
Für die Aufnahme von Kennlinien mit unterschiedlichen Chiptemperaturen
ist das Bauelement extern zu heizen.
Zum Messen der Sättigungskennlinie und für Untersuchungen
zur Leitwertmodulation am IGBT ist es günstig, Stromimpulse auf das
bereits eingeschaltete Bauelement zu geben. Dazu ist in Reihe zum Prüfling
ein zweiter IGBT zu schalten. Mit dessen Gatespannung wird die Höhe
des Stromimpulses eingestellt. Das zu untersuchende Bauelement bleibt im
Leerlauf ständig eingeschaltet, bzw. wird rechtzeitig vor dem Stromimpuls
angesteuert. Prinzipbedingt können beim Impulsbetrieb nur Stromimpulse
mit ohmscher Last oder Stromrampen bei induktiver Last erzeugt werden.
Es dient zur Untersuchung
des Schaltverhaltens bei freilaufendem induktiven Laststrom. Während
eines ersten längeren Einschaltimpulses (Abb 3.15) wird Energie in
der Lastinduktivität des Tiefsetzstellers gespeichert. Der Prüfling
wird kurzzeitig abgeschaltet, während dieser Phase fließt der
Strom über die Freilaufdiode. Im nachfolgenden zweiten Einschaltimpuls
übernimmt der Prüfling den Laststrom. Dies ist der eigentliche
Meßimpuls. Es können sowohl das Einschalten wie auch das Ausschalten
bei vollem Laststrom untersucht werden. Die Schaltverluste für den
energetisch ungünstigsten Fall der induktiven Last sind bestimmbar.
Es kann auch bei dieser Methode von einer temperaturunabhängigen Meßwertaufnahme
ausgegangen werden. Das Verhältnis der Länge von Impuls 1 zur
Freilaufphase sollte so gewählt werden, daß auch bei diesem
Verfahren von einer temperaturunabhängigen Meßwertaufnahme ausgegangen
werden kann.
Zur Aufnahme von statischen Kennlinien kann bei sehr kleinen Stromwerten
an dem Prüfling mit Gleichgrößen gearbeitet werden. Als
obere Grenze mögen ca. 5% des Nennstromes dienen. Oberhalb dieser
Grenze ist das Verfahren auf Grund der entstehenden Verluste und der damit
verbundenen Erwärmung nicht mehr geeignet.
-
Spannungsabhängige Kapazitätsmessung (CV-Kurven)
Halbleiterkapazitäten sind in den meisten Fällen spannungsabhängig
und bestimmen als wesentliche Größe das Schaltverhalten. Eine
Messung für einen Arbeitspunkt ist für die Modellierung nicht
ausreichend. Ein Meßverfahren besteht darin, Kleinsignalkapazitäten
zu ermittelt, in dem mit Hilfe einer hochfrequenten sinusförmigen
Spannung (f <= 100kHz) die Impedanz an den Anschlüssen in
unterschiedlichen Kombinationen (Abb. 3.21) bestimmt wird. Das Bauelement
ist für die spannungsabhängigen Meßpunkte mit einer einstellbaren
Gleichspannung vorzuspannen. Gemessen werden die Effektivwerte von Wechselstrom
und Wechselspannung und als Parameter die eingestellte Gleichspannung.
Der Wechselstromwiderstand kann bei dieser Frequenz dem kapazitiven Widerstand
gleichgesetzt werden, ohmsche oder induktive Anteile sind vernachlässigbar.
Der Impedanzanteil der Kapazitäten bei typischen Werten für
Leistungshalbleiter (100pF...nF) liegt weit über 100
, der Anteil der Induktivitäten (...nH) und Widerstände (..
)
nur bei wenigen Ohm, so daß der relative Fehler unter 1% liegt. Sollte
dies nicht der Fall sein, kann die Frequenz verringert oder die Störgröße
nach einer 2. Messung mit anderer Frequenz rechnerisch eliminiert werden.
Die Meßergebnisse besitzen solange Gültigkeit, wie sich das
Bauelement im sperrenden Zustand befindet. Beim Übergang in den leitenden
Zustand sind wegen der am Stromfluß beteiligten Ladungen die auf
diese Art ermittelten Werte unbrauchbar. Bei Modulen mit integrierter Freilaufdiode
kann die Beziehung C=f(VCE) nicht für negative Ausgangsspannungen
ermittelt werden, da diese ab 0,7V in den leitenden Zustand übergeht.
-
Konstantstromversuch zur Aufnahme der Gateladungskurve
Zur Berechnung
der Eingangskapazitäten von spannungsgesteuerten Leistungshalbleitern
(MOSFET, IGBT) kann die Gateladungskurve V=f(Q) herangezogen werden.
In dem zur Aufnahme der Beziehung verwendeten Meßverfahren (Abb
3.16) wird mit einer Konstantstromquelle für eine Impulsdauer von
einigen µs ein konstanter Strom in den Ansteuereingang eingespeist.
Dadurch verändern die Spannungen an den Klemmen des Bauelementes ihren
Wert nahezu linear. Die besten Ergebnisse erzielt man mit hochohmigem Lastwiderstand,
da dann die Plateauphase der Gatespannung keine Funktion des Laststromes
mehr ist. Die Stromimpulslänge ist so zu begrenzen, daß die
maximal zulässige Eingangsspannung auf keinen Fall überschritten
wird. Zur Auswertung werden die Spannungen mit einem Digital Speicher Oszilloskop
DSO aufgezeichnet, der Gatestrom wird aus dem Spannungsabfall über
RG gewonnen. Sollen Gatestrom und die Spannungen gleichzeitig
oszillographiert werden, ist auf die unterschiedlichen Bezugspotentiale
zu achten (potentialgetrennte DSO-Eingänge mit Differenzverstärker).
Unter der Voraussetzung eines konstanten Stromes ist es möglich, auf
der Abszisse anstatt der Zeit auch die Ladung aufzutragen.
Das Vorgehen zur Berechnung der Kapazitätswerte aus den Spannungsverläufen
ist bei der Parametergewinnung für das IGBT-Modell in Kap.
4.5 detailliert beschrieben. Im Gegensatz zur CV-Kurvenmessung können
hier auch die im eingeschalteten Zustand des Bauelementes wirksamen Kapazitäten
bestimmt werden. Wegen der kleinen Stromwerte, der Toleranz des Meßwiderstandes
und dem Offsetfehler am DSO ist die Strommessung die maßgebliche
Fehlerquelle.
Beim häufigsten angewandten Verfahren werden die Verluste eines Schaltimpulses
in den Leistungshalbleitern aus Oszillogrammen durch Multiplikation der
Augenblickswerte von v(t) und i(t) und einer anschließenden Integration
berechnet:
Es ist auch das einzige Verfahren, bei dem eine Aufteilung in einzelne
Verlustkomponenten (Einschalt-, Ausschalt- und Leitverluste) möglich
ist. Die Sperrverluste liegen unterhalb der mit der DSO-Auflösung
ermittelbaren Werte und sind vernachlässigbar. Die zeitlichen Grenzen
zur Berechnung der Teilverluste werden gemäß den Schaltzeitdefinitionen
des ausgemessenen Bauelementes oder nach Abklingen der dynamischen Vorgänge
gesetzt.
Ein zweites Verfahren ist vorwiegend zur Verlustbestimmung der Halbleiter
in Brückenschaltungen bestimmt. Es sind die arithmetischen Mittelwerte
von Strom und Spannung an der Last und die Leistungsentnahme aus der Stromversorgung
zu messen. Die Subtraktion der Nutzleistung von der aufgenommenen Leistung
liefert in guter Näherung die Verlustleistung in den Halbleitern.
Die Messungen von Gleichgrößen bzw. arithmetischen Mittelwerten
kann mit großer Genauigkeit erfolgen.
Das erstgenannte Verfahren ist wegen der willkürlich festgelegten
Zeitgrenzen, der meßtechnisch vom DSO bedingten Ungenauigkeiten (Kap.
3.4.5) und der anschließenden Integration der Meßgröße
im Hinblick auf den Absolutwert von Wv stark fehlerbehaftet.
Es ist dagegen relativ genau bei der Bestimmung der Relationen der Teilverluste
zueinander. Durch die Kombination der beiden Verfahren ist eine größere
Sicherheit zu gewinnen /Bober/. Mit dem zweiten
Verfahren werden die Gesamtverluste in einem Brückenzweig ermittelt
und mit der Summe der Verluste aus dem ersten Verfahren gleichgesetzt.
3.4.2 Meß- und Prüfschaltungen
Aus den genannten Meßverfahren ergeben sich eine Reihe von Anforderungen
an die Meßschaltung, denen mit einem einzigen Aufbau nicht genüge
getan werden kann. Bei der Auswahl der Testschaltung soll ein Kompromiß
zwischen hoher Funktionalität und geringem Aufwand gefunden werden.
Eine solche Schaltung,
welche die Anforderungen in vielen Punkten erfüllt, ist der Tiefsetzsteller
(Abb. 3.17). Mit einer Variation der Last- und Ansteuer-bedingung eignet
sich diese Schaltung zur Aufnahme aller statischen Kennlinien. Gleichzeitig
kann der Aufbau auch als Teilkomponente einer Brückenschaltung betrachtet
werden. Somit besteht die Möglichkeit die Schaltverhältnisse
für eine der wichtigsten Einsatzgebiete von abschaltbaren Leistungshalbleitern
zu untersuchen. Zur Realisierung sind neben dem Prüfling nur zwei
stabilisierte, einstellbare Spannungsquellen (VCC, VB),
ein Impulsgenerator, der Treiber, die Freilaufdiode und verschiedene Lasten
notwendig.
Ein Problem stellt die entstehende Verlustenergie im Prüfling und
in der Last bei Betrieb mit nicht lückendem Laststrom dar. Die als
induktive Last verwendete Spule muß folglich einen geringen ohmschen
Widerstand besitzen. Nach Erreichen eines stationären Strommittelwertes
wird mit jedem Einschaltimpuls Energie zur Kompensation der Verluste des
Freilaufkreises zugeführt. Prinzipiell kann mit Hilfe des Tastverhältnisses
und der Schaltfrequenz jeder beliebige Strom eingestellt werden. Diese
Betriebsart erfordert einen Kompromiß zwischen Erwärmung des
Prüflings durch die Länge der Einschaltdauer und durch Schaltverluste
in Folge hoher Frequenz. Die Temperatur ist kein freier Parameter mehr.
Mit einigen Ergänzungen entspricht der in Abb. 3.17 dargestellte
Schaltungsaufbau dem, wie er für den im Kapitel
4 untersuchten IGBT verwendet wurde. Bei den eingesetzten Halbbrückenmodulen
konnte die Freilaufdiode der positiven Brückenhälfte als Freilaufzweig
für die Last genutzt werden. Daraus resultieren mehrere Vorteile:
-
Die Streuinduktivität zwischen Prüfling und Freilaufdioden ist
minimal.
-
Vom Hersteller wurde das Schaltverhalten der Dioden an das des Prüflings
angepaßt.
-
Die Diode kann zur Modellierung gleichzeitig mit dem Leistungsschalter
studiert werden.
Komplette Halbbrückenmodule mit einem zweiten schaltenden Leistungstransistor
erhöhen durch die Spannungsänderung über den Halbleiterkapazitäten
die Schwingneigung der Schaltung, besser ist daher ein Modulaufbau nach
Abb 3.18
Die Reihenschaltung
eines zweiten Transistoren zum Prüfling Tr1 ermöglicht
dessen Schutz bei Kurzschlußversuchen und die Vorgabe definierter
Stromimpulse auf das eingeschaltete Bauelement. Als Transistor 2 ist auf
Grund seines rechteckigen SOA ein IGBT einzusetzen. Dessen Nennstrom muß
ein Vielfaches von dem des Prüflings betragen.
Wird ein hochohmiger Widerstand parallel zum IGBT Tr2 geschaltet,
kann Tr1 ständig im Leerlauf im eingeschalteten Zustand
belassen werden. Durch kurzeitiges Zuschalten von Tr2 wird ein
Stromfluß durch die Testschaltung möglich, dessen Höhe
vom IGBT Tr2 durch die Vorgabe der Gatespannung begrenzt wird.
Beim Kurzschlußversuch kann Tr2 zum Abschalten des
Stromes eingesetzt werden, falls das zu untersuchende Bauelement nicht
(mehr) in der Lage ist, den Strom selbst zu schalten. Das Ansteuersignal
für Tr2 muß rechtzeitig vor dem des Tr1
anliegen, damit die Meßergebnisse nicht vom Schaltvorgang beeinflußt
werden.
Als Basisschaltung kann der oben beschriebene Tiefsetzsteller genutzt
werden. Der Transistor Tr2 sollte allerdings nur bei den betreffenden
Versuchen zugeschaltet werden. Der Verbleib als passives Bauelement bei
allen weiteren Versuchen verursacht wegen der Halbleiterkapazitäten
Schwingungen auf den Meßsignalen. Zur Erweiterung der Tiefsetzstellerschaltung
werden eine zweite potentialgetrennte Spannungsquelle (VB2)
und ein Schaltregime zur zeitlichen Koordinierung der Ansteuerimpulse benötigt.
Das Ansteuersignal für Tr2 muß ebenfalls potentialgetrennt
übertragen werden.
Eine weitere verwendete
Meßschaltung ist die H-Brückenschaltung /Bober/.
Sie dient vor allem der Verlustleistungsbestimmung und der Untersuchung
des Schaltverhaltens von Leistungshalbleitern unter praxisnahen Bedingungen.
Die Ansteuerung der beiden Transistoren erfolgt wechselseitig, so daß
immer ein Freilaufkreis über eine Diode und einen eingeschalteten
Transistor besteht. Für einen kurzen Augenblick im Umschaltmoment
sind beide Transistoren eingeschaltet, um dem Lastkreis Energie zuzuführen
und die Verluste während der Freilaufphase auszugleichen. Zum Aufbau
werden zusätzlich zu den Komponenten der Tiefsetzstellerschaltung
ein zweites Halbbrückenmodul einschließlich Ansteuerung, eine
zweite potentialgetrennte Spannungsquelle (VB) und eine zeitliche
Koordinierung der Ansteuerimpulse benötigt.
Diese werden bei
Leistungshalbleitern vor allem zur Bestimmung der Spannungsabhängigkeit
der Kapazitäten gemessen. Die Bezeichnungen gelten für die Anschlüsse
des IGBT, sinngemäß können die Verhältnisse auch auf
andere Halbleiterklemmen übertragen werden.
Mit dem Schaltungsaufbau nach Abb 3.21a) wird die Eingangskapazität
des Bauelementes bestimmt. Die Kapazität zwischen den Ausgangsklemmen
wird über den parallelgeschalteten Elektrolytkondensator für
den Wechselstrom kurzgeschlossen. Gemäß der Ersatzschaltung
liegen für diese Anordnung die beiden Interelektrodenkapazitäten
CGE und CGC parallel.
Durch den Kurzschluß der Eingangsklemmen in Schaltung b) läßt
sich über die gemessenen Wechselgrößen (i2;
v2) die Ausgangskapazität berechnen:
Der Schaltungsaufbau c) ist mit b) identisch, lediglich wird hier der
Strom i1 durch die Eingangsklemmen gemessen. Bei spannungsgesteuerten
Bauelementen wird so ein Teilbereich der Rückwirkungskapazität
ermittelt. Interessant ist besonders der Bereich in der Nähe des
Nullpunktes wegen der starken Kapazitätsänderungen in diesem
Abschnitt.
3.4.3 Technische Anforderungen an Meßaufbauten
In den Meßschaltungen zur Untersuchung, Parametergewinnung und Modellverifikation
werden die Bauelemente bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und teilweise
darüber hinaus beansprucht. Es ist ein Kompromiß zwischen leichtem
Zugang zu den Bauelementen und einem kompakten, induktivitätsarmen
Aufbau zu finden. Nachfolgend werden die Erfahrungen wiedergegeben, die
beim Aufbau eines Versuchsstandes zur Parametergewinnung und Verifikation
von IGBT-Modellen gewonnen wurden.
Bei schnell
schaltenden Leistungshalbleitern ist die geometrische Anordnung der Komponenten
besonders kritisch. Zur Vermeidung von Streuinduktivitäten sind kurze
Verbindungen zur Ansteuerschaltung und im Lastkreis sicherzustellen. Die
Treiberplatine zur Ansteuerung der Prüflinge wurde deshalb senkrecht
auf die Module aufgesteckt (Abb. 3.22) und mit einem großflächigen
Massepotential im Layout versehen, so daß praktisch keine Fläche
durch eine Leiterschleife im Ansteuerkreis vorhanden ist. Der Ansteuerimpuls
wird über eine flexible verdrillte Leitung zur Leiterplatte mit der
Treiberschaltung geführt. Die Leistungshalbleiter und die Elektrolytkondensatoren
zum Stützen der Lastspannung VCC sind in unmittelbarer
Nachbarschaft zu positionieren. Beide sollten über Anschlußfahnen
aus Flachkupfer in Sandwichbauweise (Leiter-Isolator-Leiter) miteinander
verbunden werden. Der Unterschied zwischen den Streuinduktivitäten
von Flach- zu Rundleiter liegt bei vergleichbaren Abmessungen im Verhältnis
von 1:10. Diese optimale Lösung kann aber wegen der Strommessung nur
teilweise realisiert werden. Ein Stück Rundleiter für einen Strommeßwandler
oder der Koaxialmeßshunt sind am Massepotential unmittelbar am Elektrolytkondensator
einzufügen. Nachteilig ist, daß bei Bauelementen mit unterschiedlichen
Gehäuseabmessungen neue Anschlußbleche benötigt werden.
Zur Bedämpfung von Spannungspitzen sind Metallpapierkondensatoren
parallel zu den Elektrolytkondensatoren geschaltet.
Der kombinierte Kühl- und Heizkörper mit dem aufgeschraubten
Prüfling sollte aus einer Öffnung des Gehäuses herausragen.
So können Umbauten bei Wechsel der Bauelemente vermieden werden. Außerdem
sind so die elektrischen Anschlüsse für die Meßspitzen
des DSO zugänglich. Das Herausführen der Anschlüsse über
Koaxialkabel und Meßbuchsen an die Frontplatte des Meßaufbaus
hat sich als nicht geeignet erwiesen. Der Meßfehler wird dadurch
erhöht und es werden mehr Störungen in das Meßsignal eingestreut
als bei direkter Messung.
In Bohrungen im Kühlkörper liegen die Heizpatronen, eine weitere
Bohrung dient zur Aufnahme des Temperatursensors. Eine Temperaturregelung
ist nicht zwingend notwendig, es vergeht zu viel Zeit bis zum Erreichen
eines stationären Wertes. Mit einer Heizleistung von 50 bis 100W,
je nach Kühlkörpergröße, ist während der Heizphase
ausreichend Zeit, um temperaturabhängige Meßreihen aufzunehmen.
An die Ansteuerschaltung
in einem Versuchsaufbau (Abb. 3.23) gibt es eine Reihe von Anforderungen,
die zum Teil über die einer Treiberschaltung für industrielle
Zwecke hinausgehen /Abraham/
/Licitra/. Kommerzielle Ansteuerschaltkreise
sind wegen den darin enthaltenen Schutzfunktionen nur bedingt verwendungsfähig.
Ein diskreter Aufbau kann an die speziellen Bedürfnisse besser angepaßt
werden. Beispielsweise muß die Gatespannung für den Auszustand
bis -20V und für den Einzustand bis +20V frei einstellbar sein. Ansteuerschaltkreise
mit integriertem Unterspannungsschutz unterbinden dies und sind deshalb
zur Aufnahme von Kennlinien nicht geeignet. Die Gatevorwiderstände
müssen zur Untersuchung verschiedener Abhängigkeiten veränderbar
sein. Es ist deshalb vorteilhaft, sie mit Lötösen auf der Leiterplatte
zu befestigen. Dies ermöglicht gleichzeitig das Anbringen von Meßspitzen
zum Oszillographieren des Gatestroms. Der zum Umladen der Eingangskapazität
notwendige Strompeak muß auch bei sehr kleinen Gatevorwiederständen
bereitgestellt werden können. Überschlägig gilt:
Der minimal zulässige Gatevorwiderstand RG(min) wird
meist von den Herstellern vorgegeben, um das di/dt bzw. du/dt während
des Schaltvorgangs auf ein Höchstmaß zu begrenzen. Mit einer
Gatespannung von 15V und einem RG(min) = 3
entsteht so eine Stromspitze von nahezu 5A.
Für die Versuchsaufbauten mit 2 Leistungstransistoren nach Kap.
3.4.2 sind die beiden Betriebsspannungen und die Ansteuersignale potentialgetrennt
bereitzustellen. Auch bei dem auf Massepotential liegenden Leistungstransistor
wirkt sich die Potentialfreiheit bei großen Transienten der Ausgangsgrößen
positiv auf das Schaltverhalten und die Meßergebnisse aus /Gößner/.
Zur Potentialtrennung der beiden Betriebsspannungen sind zwei getrennte
Übertrager notwendig, anderenfalls besteht eine unerwünschte
kapazitive Kopplung zwischen den Wicklungen beider Betriebsspannungen.
Besondere
Ansprüche werden an die Stromquelle für den Konstantstromversuch
gestellt. Um einen geringen Fehler bei der Auswertung zu gewährleisten,
muß der Strom einen fast idealen rechteckigen Verlauf haben. Mit
der in Abb. 3.24 dargestellten Schaltung, kann diese Forderung erfüllt
werden. Die Amplitude ist im Bereich von einigen mA bis einige 10mA mit
Hilfe des Potentiometers einstellbar. Der Ansteuerimpuls wird von einem
kommerziellen Frequenzgenerator eingespeist. An diesem ist auch die Impulslänge
einzustellen. Sie ist abhängig von der Größe der Eingangskapazitäten
des untersuchten Bauelementes. Als Meßschaltung kann der Tiefsetzsteller
genutzt werden, wenn der Treiber durch die Konstantstromquelle ersetzt
wird.
Die über einen externen Eingang bereitgestellten Ansteuersignale
für die unterschiedlichen Messungen müssen in der Pulsfrequenz
(1Hz...20kHz) und dem Tastverhältnis tein/T (1...10µ)
über einen großen Bereich variiert werden können. Für
einfache Signale bieten kommerzielle Impulsgeneratoren diese Möglichkeiten.
Zur Koordinierung der Ansteuersignale von zwei Transistoren, für Einzelimpulse
und Doppelimpulse, ist die Erzeugung am PC mittels software und die Einspeisung
über die parallele Schnittstelle vorzuziehen.
3.4.4 Meßtechnik
Wichtigstes Meßinstrument zur Untersuchung schnell schaltender Leistungshalbleiter
ist ein Digitalspeicher Oszilloskop (DSO). Er wird zur Untersuchung des
Schaltverhaltens, der Aufnahme statischer Kennlinien, der Verlustbestimmung
und der Verifikation von Simulationsergebnissen benötigt.
Besondere Gegebenheiten der Leistungselektronik sind steile Flanken
und große Unterschiede zwischen den Minimal- und Maximalwerten der
Ströme und Spannungen. Daraus ergeben sich sehr hohe Anforderungen
an dieses Meßgerät, wodurch die Anschaffungskosten stark anwachsen.
Wünschenswert ist eine hohe Amplitudenauflösung und eine hohe
Grenzfrequenz. Die maximale Datenverarbeitungsbreite gibt als Summe für
die Anzahl der Amplituden- und Zeitwerte die Obergrenze für die mögliche
Auflösung vor. Daraus folgt, daß eine Erhöhung der Amplitudenauflösung
eine geringere Zeitauflösung bedingt und umgekehrt. Für die anstehenden
Meßaufgaben ist deshalb ein Kompromiß zu finden.
Anforderung:
-
Hohe Abtastrate ( 1 Giga-Sample) für schnell schaltende Bauelemente
-
Hohe vertikale Auflösung ( 10Bit) zur Reduzierung des Meßfehlers
bei starken Amplitudenschwankungen
-
IEEE-Schnittstelle zur Datenübertragung (Auswertung, Vergleich von
Meßdaten und Simulationsergebnissen)
-
Cursorfunktionen
-
Auswertungssoftware (Postprozessor)
Hinzu kommen als Meßwertaufnehmer Meßspitzen mit Spannungsteiler,
Differentialtastköpfe, Koaxial-Shunts und Strommeßzange. Die
Verwendung von aktiven Meßwertaufnehmern ist auf das Notwendigste
zu beschränken, da sie als schwächstes Glied in der Meßkette
den Meßfehler bestimmen.
Die Messung von Gleichgrößen und dem Effektivwert von sinusförmigen
Wechselgrößen ist mit preiswerten Digitalmultimetern mit geringem
Fehler und über einen großen Meßbereich möglich.
3.4.5 Meßfehler
Da sich Meßfehler nicht vermeiden lassen, ist eine kritische Betrachtung
aller aufgenommenen Kennwerte und Kurvenverläufe angeraten. Für
jede Meßmethode sind mögliche Fehler aufzulisten und ihr Einfluß
auf das Meßergebniss zu untersuchen. Wegen der immer vorhandenen
parasitären Induktivitäten und Kapazitäten ist besonders
bei dynamischen Vorgängen Vorsicht geboten. Für gemessene ungewöhnliche
Erscheinungen ist gleichzeitig nach einer physikalisch begründeten
Erklärung oder einem eventuell vorliegendem Meßfehler zu suchen.
Die nachfolgende Fehlerbetrachtung bezieht sich vor allem auf die durch
die digitale Meßwertaufnahme verursachten Fehler. Zu diesen durch
das Meßprinzip und die technischen Gegebenheiten verursachten Fehlern,
kommen die individuell und durch thermische Einflüsse verursachten
Fehler hinzu. Durch die Diskretisierung eines analogen Signals entsteht
immer ein Fehler in Abhängigkeit von der kleinsten diskretisierbaren
Einheit. Dies gilt sowohl für die Amplitudenauflösung als auch
für die zeitdiskrete Auflösung.
-
Diskretisierungsfehler der Amplitude
Durch die Aufteilung eines analogen Signals in diskrete Einzelwerte ergibt
sich eine mittlere Abweichung zwischen Meßwert und tatsächlichem
Wert. Für diesen Diskretisierungsfehler gilt in Abhängigkeit
von der Auflösung der AD-Wandler n/Bit und dem gewählten Meßbereich
XB:
Der relative Fehler in Bezug auf das gemessene Signal X ergibt sich
aus:
Aus den Gl. (3.43) und (3.44) wird ersichtlich, daß für
einen kleinen Meßfehler der Meßbereich möglichst vollständig
vom Meßsignal auszunutzen ist. Problematisch wird es, wenn sich das
zu messende Signal innerhalb eines Zyklus um mehrere Zehnerpotenzen ändert,
wie es typisch für die Leistungselektronik ist. Die für DSO mit
hoher Abtastrate typische Auflösung von 8 Bit führt zu großen
Meßfehlern. Angenommen, die Versorgungsspannung einer leistungselektronischen
Schaltung betrage 400V, am DSO wurde ein Meßbereich mit 600V gewählt,
so beträgt der Diskretisierungsfehler 1,17V. Mit einem Bit Quantisierungsrauschen
entsteht ein Fehler von 3,51V. Dieser Wert liegt im Bereich der zu erwartenden
Spannung der Leistungstransistoren im Leitzustand. Somit ist diese Messung
zur Bestimmung der Sättigungsspannung oder zur Berechnung der Verluste
im eingeschalteten Zustand nicht zu gebrauchen. Eine Möglichkeit zur
Abhilfe ist ein DSO mit höherer Auflösung oder die Messung der
Transienten als repetierende Signale, aus denen dann im DSO eine höhere
Amplitudenauflösung rechnerisch ermittelt wird. Ein kleinerer Meßbereich
kann gewählt werden, wenn gesichert ist, daß der Eingangsverstärker
hinreichend übersteuert werden kann. Eine weitere Lösung zur
Messung der Sättigungsspannung sind Klemmschaltungen, mit denen die
hohen Blockierspannungen der Leistungstransistoren vom Meßsignal
abgeschnitten werden.
-
Diskretisierungsfehler der Zeit
Die Abtastung zu diskreten Zeitpunkten mit dem Abstand t verursacht
eine Zeitunschärfe, welche die maximal mögliche Grenzfrequenz
fg bzw. die Bandbreite B des Meßsignals festlegt.
Um mit einer Fourier-Transformation alle im Meßsignal enthaltenen
Frequenzen zu erfassen, muß die Abtastfrequenz fa der
Meßeinrichtung mehr als doppelt so hoch wie die höchste im Meßsignal
enthaltene Frequenz fg sein. Dies entspricht der Formulierung
des Abtasttheorem 1.Art:
Bei Verwendung der als Eigenschaft des DSO geforderten Abtastrate von
>= 1Gigasampel kann der Fehler durch die Zeitdiskretisierung bei Messungen
an den heute verwendeten Leistungshalbleitern vernachlässigt werden.
-
Erholverhalten nach Übersteuerung
Messungen, bei denen eine angelegte Spannung größer als der
mit dem Anzeigebereich eingestellte Nominalwert für die Eingangsverstärker
ist, führen zur Übersteuerung dieser Verstärker. Die Auswirkungen
sind mit einem DC-Offset am Meßergebnis vergleichbar. Erst nach Ablauf
der Overdrive recovery time todr stellt sich die kalibrierte Verstärkung
und damit der reelle Meßwert wieder ein. Beim dynamischen Messen
der Sättigungsspannung unter realen Einsatzbedingungen muß,
wie oben bereits erläutert, ein Kompromiß zwischen hoher Auflösung
für kleine Spannung (einige wenige V) und der Übersteuerung durch
vorangegangene angelegte Sperrspannung (einige 100V) gefunden werden. Moderne
DSO's erlauben eine Übersteuerung bis zum 100-fachen des Skalenwertes
bei geringer todr. Es ist möglich ein, Zeitfenster in den interessierenden
Bereich zu legen und so die Auflösung an den gewünschten kleinen
Spannungsbereich optimal anzupassen.
Durch den Anschluß
mehrerer Meßkabel und Masseanschlüsse an unterschiedlichen Punkten
des Meßaufbaus werden Flächen senkrecht zum stromdurchflossenen
Leiter aufgespannt (Abb. 3.25). Bei einer Laststromänderung induziert
der veränderliche Magnetfluß eine Spannung, die zu Meßfehlern
führt /Reichstein/. Die Folge der im Massekreis
auftretenden Spannungen sind Mantelströme, die neben zusätzlichen
Spannungsabfällen auch zu Verschiebungen des Massepotentials führen
können. Um die Wirkung der Fehlerquellen zu reduzieren, sind die Flächen
durch parallele Kabelführung und kürzeste Masseanschlüsse
(Umwinden der Meßspitze) zu vermindern. Die Meßkabel sollten
durch Ferritkerne geführt werden, diese bedämpfen die Mantelströme.
Nach Möglichkeit sind alle Masseanschlüsse bei gleichzeitigem
Oszillographieren von mehreren Größen auf einen Punkt zu legen.
Jedes dazwischen liegende Stück Leiter besitzt eine parasitäre
Induktivität.
-
Strommessung über Meßshunts
Fehlerquellen
bei Strommessungen mit Hilfe eines Shunt sind dessen Bauelementetoleranz
und Ablese- und Offsetfehler bei der Messung der relativ geringen Spannungen.
Der Vorteil ist eine hohe Grenzfrequenz. Trotz koaxialem Aufbau ist die
Annahme eines idealen Widerstandes nur bedingt zulässig. Eine Streuinduktivität
von 50pH in einem Meßshunt von 5m verursacht bei einer Stromänderung
von 1000A/µs einen Spannungsabfall, der einem Strom von 10A entspricht.
Ein solcher Meßfehler wird beispielsweise in einer nicht realen negativen
Stromspitze zu Beginn der Tailstromphase in Abb 3.26 sichtbar und führt
zu einem vermeintlich schnelleren Stromabfall. Als weitere Fehlerquelle
kommt die Anschlußleitung zwischen dem Transistor und dem Meßshunt
in Frage (Abb.3.25), die zu einer Spannungsinduktion und zu Verschiebeströmen
führen kann.
-
Strommessung mit Stromzangen
Eine vorhandene Totzeit und niedrige Grenzfrequenzen sorgen bei Strommessung
über diese Art von Wandlern in Folge der Bedämpfung hoher Frequenzen
zu einer Abflachung steiler Flanken und zu einer Phasenverschiebung (Abb.
3.26). Zum Digitalisierungsfehler und dem Offset des DSO kommt ein weiterer
Offset des Eingangsverstärker der Stromzange hinzu. Ein Abgleich dieses
Fehlers zu Beginn jeder Meßreihe und nach Änderung des Meßbereiches
ist dringend notwendig. Ein weiterer zu berücksichtigender Fehler
ist die Bedämpfung von Stromspitzen, wie beispielsweise die Rückstromspitze
von Freilaufdioden.
-
Fehlerbetrachtung zu Verlustmessung mit DSO
Bei der Verlustleistungsbestimmung durch Multiplikation der Augenblickswerte
von i(t) und v(t) entsteht eine große Unsicherheit durch das gleichzeitige
Auftreten der vorgenannten Fehlerquellen. Spannungs- und Strommeßfehler
vergrößern den Gesamtfehler durch die Multiplikation der beiden
Größen. Ungünstig in bezug auf die Auflösung ist die
Notwendigkeit über den gesamten Spannungsbereich zu messen. Die Messung
der Sättigungspannung ist dadurch nur sehr ungenau möglich. Zusätzlich
zu den mit der digitalen Signalverarbeitung verbundenen Fehlerquellen führt
der Fehler bei der Bestimmung der 0-Linie zu Integrationsfehlern. Bei Strommessungen
über einen Shunt gehen dessen Toleranzen und das nicht ideal ohmsche
Verhalten in den Meßfehler ein.
Die Strommessung
mit einer Strommeßzange führt zu einer Phasenverschiebung zu
der mit einem Tastkopf oszillographierten Spannung (Abb. 3.27). Die durch
Multiplikation der Augenblickswerte berechnete Verlustenergie ist dann
beim Einschalten zu gering und beim Ausschalten zu groß. Es ist falsch,
davon auszugehen, daß sich der Fehler über eine Schaltperiode
kompensiert. Mit den in Abb. 3.27 angenommenen idealisierten Schaltvorgängen
für induktive Last ergibt sich folgender von der Totzeit abhängiger
relativer Fehler:
Unterschiedliche Flankensteilheiten beim Ein- und Ausschalten wirken
sich unterschiedlich stark auf den Fehler aus.
Die Aufteilung der Gesamtverluste in die Teilverluste der einzelnen
Schaltphasen ist mit einer Schätzungen der begrenzenden Zeitpunkte
verbunden und damit ebenfalls fehlerbehaftet.
Zusammenfassung zur Parametergewinnung durch Messung:
-
Das Studium eines nicht ausreichend veröffentlichten Bauelementes,
die Parametrisierung und Verifikation eines neu erstellten Modells machen
Messungen dringend erforderlich.
-
Als Meßschaltung hat sich der Tiefsetzsteller mit einem wahlweise
zuschaltbaren zweiten Transistor bewährt.
-
Für den Meßaufbau ist ein Kompromiß zwischen leichter
Zugänglichkeit zum Prüfling und kompakter Bauweise zur Unterdrückung
der Störeffekte parasitärer Elemente zu finden.
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An Gerätetechnik sind ein DSO mit Zubehör, ein Digitalmultimeter
und ein Impulsgenerator notwendig.
-
Die ungünstige Kombination von großen Flankensteilheiten
und hohen Amplituden der Meßgrößen in der Leistungselektronik
verlangt eine gründliche Fehleranalyse.
3.5 Handlungsanleitung zur Verhaltensmodellierung von Leistungshalbleitern
Bis zu einer gewissen Grenze ist es möglich, für die verhaltensbeschreibende
Modellierung von Leistungshalbleitern einen Algorithmus aufzustellen.
Am Beginn steht, wie bei allen Modellierungen, das Studium des nachzubildenden
Gegenstandes, um Wirkprinzip und typisches Verhalten herauszuarbeiten.
Hilfreich sind dabei Lehrbücher, da dort bereits simplifiziertes Fachwissen
bereitgestellt wird, welches zur Beschreibung der wesentlichen Bauelementeeigenschaften
ausreicht. Bei neuen Bauelementen, die noch keine Berücksichtigung
in Lehrbüchern gefunden haben, muß man sich über verschiedene
Artikel in Fachzeitschriften oder Tagungsbänden ein Gesamtbild schaffen.
Ein Meßaufbau zur Untersuchung des Bauelementes und zur Überprüfung
theoretischer Aussagen ist dann unabdingbar.
Die Studien konzentrieren sich gemäß des gewählten Modellansatz
auf das Verhalten des Bauelementes in seiner Umgebung. Dies gilt sowohl
für stationäre als auch für dynamische Einsatzbedingungen.
Für schaltende Leistungshalbleiter betrifft das statisch und dynamisch
je vier elektrische Sachverhalte.
Strom/Spannungsverhältnisse am Eingang (steuernde Klemmen)
Strom/Spannungsverhältnisse am Ausgang (Laststrom führende Klemmen)
Der Einfluß der Eingangsgrößen auf den Ausgang
Rückwirkungen des Ausgangs auf den Eingang
Statisch entspricht dies im wesentlichen den aus der Vierpoltheorie bekannten
Zusammenhängen. Hinzu kommen thermische Einflüsse, denen die
genannten Beziehungen unterliegen und Sonderfunktionen, die sich beispielsweise
durch Integration von Schutzeinrichtungen ergeben.
Aus den gesammelten Erkenntnissen sind die Grundeigenschaften herauszuarbeiten,
die sich wesentlich auf das Verhalten des Bauelementes unter üblichen
Schaltungsbedingungen auswirken und durch welche sich das Bauelement von
anderen unterscheidet. Zeitgleich mit der Ursachenforschung für jede
Eigenschaft, die ein bestimmtes Verhalten hervorruft, ist eine modellierbare
Interpretation zu suchen. Zur Umsetzung des Modellansatzes wurde nach Abwägung
der Vor- und Nachteile (Kap. 3.1) für
Einzelhalbleiter die Ersatzschaltung aus diskreten Bauelementen als Beschreibungssprache
gewählt. Bei Smart-Power-Elementen mit einem großen Anteil an
Signalverarbeitung sind Mischformen zu bevorzugen.
Die Modellierung beginnt mit der untersten Hierarchieebene und wird
durch Hinzufügen weiterer Modelleigenschaften zu höherwertigen
Ebenen fortgesetzt. Als statischer Ansatz für ein Modell aus Ersatzschaltelementen
dient eine Nachbildung der pn-Schichtfolge aus Diodenmodellen. Ladungssteuerungsvorgänge
werden mit parallel zu den Dioden liegenden gesteuerten Stromquellen modelliert.
Je nach Leitungsmechanismen handelt es sich bei bipolaren Bauelementen
um stromgesteuerte und bei unipolaren Bauelementen um spannungsgesteuerte
Quellen (siehe Tab. 3.4). Es ist möglich, anstatt der Konstruktionen
aus Dioden und gesteuerten Quellen in den Halbleitermodellen mit ausdrucksgesteuerten
Leitwerten oder Widerständen zu arbeiten. Durch Verwendung empirischer
Gleichungen lassen sich die Einflüsse von Eingangs- und Ausgangsgrößen
so einbeziehen, daß zwischen Simulation und Messung fast Deckungsgleichheit
in den statischen Kennlinienfeldern erreicht wird. Ihre Verwendung hat
aber im dynamischen Betrieb viel längere Rechenzeiten zur Folge, ohne
dadurch verbesserte Verläufe von Strömen und Spannungen bei den
Schaltvorgängen zu erhalten. Außerdem steigt der Parametrisierungsaufwand,
so daß diese Form der Nachbildung der statischen Eigenschaften nicht
zu empfehlen ist.
Die durch einen Stromfluß in pn-Übergängen gespeicherten
Ladungen werden mit Diffusionskapazitäten nachgebildet. Die Raumladung,
welche durch die Verdrängung der beweglichen Ladungsträger im
Sperrzustand des pn-Übergangs entsteht, wird mit dem Modell einer
Sperrschichtkapazität berücksichtigt.
-
Tab. 3.4 Grundelemente zum Erstellen von Halbleitermodellen
Ersatzschaltelement |
Schaltsymbol |
Strom-/Spannungsbeziehung |
Sonderformen für Halbleitermodelle |
D pn-Übergang (statisch) |
|
I1 = f(V1) |
Stromverstärkung in bipolaren Bauelementen |
|
I2 = f(I1) |
Feldsteuerung in unipolaren Bauelementen |
|
I2 = f(V1) |
Cspr Sperrschichtkapazität |
|
C = f (V) |
Cdiff Diffusionskapazität |
|
C = f (Q) |
Zum Modell kommen Besonderheiten im dynamischen Verhalten hinzu, die sich
im Zusammenhang mit Ladungsträgerverhältnissen in der schwachdotierten
Zone der Leistungshalbleiter ergeben. Dabei handelt es sich um Effekte
wie der Tailstrom Itail bei IGBT und GTO oder das Recoveryverhalten
von Dioden. Abschließend wird das Modell um praxisrelevante parasitäre
Elemente erweitert.
Eine gute modelltechnische Lösung ist jedoch wertlos, wenn keine
Daten zur Parametrisierung vorliegen. Folglich muß vorher oder wenigstens
zeitgleich geklärt werden, auf welche Daten man sich stützen
kann, bzw. mit welchen geeigneten Meßverfahren (Kap.
3.4) diese zu ermitteln sind. Bei der Parameterauswahl darf nur auf
Daten zurückgegriffen werden, die jedermann zugänglich sind.
Diese Bedingung wird von Datenblattwerten und den Ergebnissen aus Messungen
an den äußeren Anschlußklemmen erfüllt. Die Reihenfolge
Modellierung -> Parametrisierung als nacheinander abzuarbeitende Schritte
ist hier nicht so streng anzugeben. Es handelt sich um einen Prozeß
mit Wechselwirkungen. Bei der Modellierung ist zu beachten, daß die
von außen bestimmten Daten sich nicht oder nur ungenau auf einzelne
Halbleiterstrukturen aufteilen lassen. Das gilt beispielsweise für
die statischen Spannungsabfälle, die an pn-Übergängen und
über Bahngebieten entstehen. Sie sind von außen nicht trennbar
und nur als gemeinsame Größen zu modellieren. Gleiches gilt
für die von außen bestimmten Kapazitäten. Aus den Halbleiterkapazitäten
werden Interelektrodenkapazitäten, die alle kapazitiven Anteile zwischen
zwei Anschlußklemmen beinhalten.
Mit einer kritischen Analyse der aus Messungen und dem Datenblatt gewonnenen
Parameter beginnt die Verifikation des Modells schon während der Erstellung.
Die Hauptarbeit liegt aber bei dem Vergleich von Simulationsergebnissen
mit der Realität. Es ist zeitsparend, wenn dieser Vergleich bereits
nach Fertigstellung von Funktionsbaugruppen oder unterschiedlicher Hierarchieebenen
durchgeführt wird. Nach Modellerweiterungen ist dieser Vorgang zu
wiederholen. Wenn Beeinflussungen auszuschließen sind, kann auf eine
nochmalige Überprüfung von Parametern niedrigerer Modellierungsstufen
verzichtet werden. Es ist der praktische Nachweis der Gültigkeit der
Simulationsergebnisse im gesamten Arbeitsbereich in einer Testschaltung
zu erbringen. Daraus ist der Rückschluß abzuleiten, daß
auch die Ergebnisse in anderen, vergleichbaren Schaltungen Gültigkeit
besitzen.
Den Abschluß der Arbeiten bildet das Erstellen einer Dokumentation
zum Modell. Bei einem offengelegten Modell gehört dazu eine detaillierte
Beschreibung aller Modellkomponenten, bei einem verschlüsselten Modell
wenigstens eine kurze Funktionsbeschreibung. Unverzichtbar sind eine ausführliche
Parametrisierungsvorschrift und Angaben über den Gültigkeitsbereich
des Modells.
Eine bessere Übersicht über die notwendigen Arbeitsschritte
zum Erstellen verhaltensbeschreibender Modelle von diskreten Leistungshalbleitern
mit physikalisch interpretierbaren Ersatzschaltungen soll die nachfolgende
stichpunktartige Auflistung geben:
-
Studium des Bauelementes und seines Verhaltens unter typischen Einsatzbedingungen
-
Bestimmen von statischen Abhängigkeiten
-
Analyse transienter Vorgänge, Schaltverhalten
-
Aufteilung in Schaltzustände mit eigenen Merkmalen
-
Suche nach physikalischen Ursachen und Interpretationen für die ermittelten
Verhaltensweisen
-
Herausarbeiten der Grundeigenschaften und Abhängigkeiten
-
Ermitteln wesentlicher nichtidealer Eigenschaften
-
Aufteilen in Eigenschaften und Erscheinungen, die unabhängig von anderen
modelliert werden können
-
Erstellen eines Basismodells mit statischen Eigenschaften (Hierarchieebene
2)
-
Umsetzung der pn-Schichtfolge mit Diodenmodellen
-
Modellierung der Ladungssteuerungen mit gesteuerten Quellen, je nach Übertragungsverhalten
stromgesteuert oder spannungsgesteuert
-
Einsatz von Kennlinien und Anwendung der Vierpoltheorie zur Beschreibung
der statischen Verluste und des Übertragungsverhaltens
-
Modellerweiterung zur Nachbildung dynamischer Eigenschaften (Hierarchieebene
3)
-
Nachbildung von gespeicherten Ladungen und aus Ladungsänderungen resultierender
Zeitabhängigkeiten mit Kapazitäten.
-
Ergänzen von parasitären Elementen (Induktivitäten der Bonddrähte,
Gehäusekapazitäten)
-
Modellierung der Besonderheiten, welche durch die schwachdotierte Zone
in Bauelementen der Leistungselektronik entstehen
-
Modellergänzung für spezielle Eigenschaften (Hierarchieebene
4)
-
Berücksichtigung von Temperatureffekten
-
Erstellen eines thermischen Netzwerkes
-
Integrieren von Schutzfunktionen
-
Parameterauswahl und Parametrisierung
-
Zusammenstellung der verfügbaren Daten zur Bauelementeparametrisierung,
Sichtung der Datenblätter, Zusammenstellung in Frage kommender bekannter
Meßmethoden
-
Abgleich zwischen vorhandenen Daten und Modellierungsmöglichkeiten
-
Extrahieren von Parametern aus Herstellerangaben in den Datenblättern,
-
Messung von Parametern
-
Verifikation
-
Kontrolle nach jeder Modellierungsstufe, ob Eigenschaften realitätsgetreu
wiedergegeben werden und ob andere, bereits modellierte Eigenschaften davon
verfälscht werden
-
Messen bzw. Oszillographieren relevanter Größen und Vergleich
mit den Ergebnissen der simulierten Meßschaltung (statisches Verhalten,
dynamische Vorgänge)
-
Vergleich von Datenblattangaben mit Simulationsergebnissen
-
Dokumentation des Modells
-
Kurzbeschreibung der Funktion
-
Parametrisierungsvorschriften
-
Einsatzgebiete, Fehler, Gültigkeitsgrenzen
Anhand des IGBT soll im Kapitel 4 die beschriebene
Herangehensweise ausführlich erläutert werden. Als weitere Beispiele
sind Modelle für den Power-MOSFET und den Bipolartransistor im Kapitel
5 angefügt.