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4 Modellierung des IGBT

Für das Bauelement des Insulated Gate Bipolar Transistors (IGBT) soll ein physikalisch interpretierbares Verhaltensmodell unter Verwendung der elektrischen Ersatzschaltung als Beschreibungssprache erstellt werden. Die Begründung für diese Wahl wurde in den vorrangegangenen Kapiteln gegeben.

Unabhängig von der Ladungsträgersteuerung und den am Leitungsvorgang beteiligten Ladungsträgern entstehen für den IGBT und alle anderen leistungselektronischen Bauelemente (Kap. 5) Modelle mit ähnlichem Aufbau. Ursache ist die Reduktion auf äußerlich bestimmbare Eigenschaften, die allen Bauelementen gemeinsam zu Grunde liegen. Das Verfahren ist allgemeingültig und kann unabhängig vom verwendeten Simulator eingesetzt werden. Im Detail hängt die Form der endgültigen Umsetzung in die Ersatzschaltung von den Möglichkeiten des verfügbaren Simulators ab. Die dargestellten Modelle wurden mit dem Simulator Simplorer erstellt und getestet, sie sind in gleicher oder ähnlicher Form auf andere Netzwerksimulatoren zu übertragbar.

4.1 Beschreibung des Bauelementes

IGBT sind elektronische Bauelemente, die als schaltende Elemente in den elektrischen Energiefluß eingreifen. Sie vereinen im wesentlichen die Vorteile von MOSFET (einfache Ansteuerung) und Bipolartransistoren (gutes Durchlaßverhalten) und werden deshalb in zunehmendem Maße in leistungselektronischen Geräten eingesetzt. Einsatzgebiete sind die Drehstromantriebstechnik, Stromversorgungsgeräte mittlerer Leistung oder als Schalter in der Automobiltechnik. Hinsichtlich der Modellierung ist noch ihre Verwendung innerhalb von SPE erwähnenswert.

Die Halbleiterstruktur und das Wirkprinzip mit dem dynamischen und statischen Verhalten des IGBT wurden bereits in zahlreichen Veröffentlichungen beschrieben /Hefner/ /Behr/. Im folgenden sind deshalb die grundlegenden Erläuterungen zum Bauelement kurzgefaßt und nur einige besondere Eigenschaften werden ausführlicher behandelt.

4.1.1 Halbleiterstruktur

Den prinzipiellen Aufbau der Halbleiterstruktur einer Zelle eines n-Kanal IGBT und ein vereinfachtes Ersatzschaltbild zeigt Abb. 4.1. Das Bauelement besteht aus einer Vielzahl parallelgeschalteter Zellen. Mit vertauschten Dotierungen ist auch der Aufbau eines p-Kanal Typs möglich, da er aber noch keine technische Bedeutung erlangt hat, wird nachfolgend das Verhalten des IGBT anhand des n-Kanal Typs beschrieben. Der IGBT besitzt 3 Anschlüsse. Über das Gate (G) und den Emitter (E) erfolgt die Steuerung des Bauelements und über die Kollektor- (C) und Emitteranschlüsse fließt der Laststrom. Bei Bauelementen höherer Stromstärken wird der Steuerpfad am Emitter separat kontaktiert (Hilfsemitter HE), um den Ansteuerkreis vom Laststrom zu entkoppeln. Der Aufbau am Gate gleicht dem eines Power-MOSFET's. Im Unterschied dazu besitzt der IGBT eine zusätzliche p+-Schicht am Kollektor. Es entsteht so die Struktur eines pnp-Bipolartransistors, dessen Emitter am Kollektoranschluß des IGBT liegt.

Im Ersatzschaltbild (Abb. 4.1) wurde die parasitäre npn-Bipolarstruktur am Gate nicht berücksichtigt. Ein lateraler Löcherstrom unterhalb des Gates verursacht einen Spannungsabfall, der ab ca. 0.7V zum Einschalten dieses Transistors führen kann. Es würden dann Elektronen von der höher dotierten n+ in die p+-Schicht injiziert, die nicht mehr über die Gatespannung zu steuern sind. Das Verhalten des IGBT entspräche dann dem eines Thyristors. Das als statischer Latchup bezeichnete Einrasten wird durch Strukturmaßnahmen der Hersteller (Aufbau und Dotierungsprofil der p+-Wanne) verhindert /NAKAGAWA/ und spielt bei Bauelementen der heutigen Generation keine Rolle mehr.

Zur Reduktion der Feldstärke bei hohen Sperrspannungen besitzt der IGBT wie alle Leistungshalbleiter eine schwachdotierte Zone. Je breiter diese schwachdotierte Zone ist, um so höher ist die zulässige Sperrspannung, aber auch der Durchlaßwiderstand ron.

Zur Beschreibung der Vorgänge im Basisgebiet wird ein Koordinatensystem in den Schnitt durch das Halbleitermaterial gelegt (Abb. 4.2), wobei mit wn- die Weite der schwachdotierten Zone, mit wb die des Basisgebietes und mit wj die der Raumladungszone RLZ bezeichnet ist.

Mit dem Ziel, den Bahnwiderstand der schwachdotierten Zone zu verringern (Durchlaßverluste reduzieren), wird angestrebt, wn- zu kürzen. Um dennoch vergleichbar hohe Sperrspannungen aufnehmen zu können, haben die meisten Herstellern (Toshiba, IR, Mitsubishi) einen n+-Bufferlayer bei x1 eingefügt. In dem erfolgt der endgültige Abbau des bereits geschwächten Feldes der Sperrspannung. Da die Feldstärke fast bis zum Emitter "durchgreift" wird diese Struktur als Punch-Through-IGBT oder auf Grund der Schichtfolge als asymmetrischer IGBT bezeichnet. Ohne diesen n+-Bufferlayer (Siemens, Semikron) muß die gesamte Feldstärke innerhalb der Driftzone abgebaut werden. Sie darf "nicht durchgreifen", folglich wird der Typ als Non-Punch-Through-IGBT bezeichnet. Unterscheidungsmerkmale, die sich aus dem Aufbau ergeben, können mit ihren Auswirkungen der nachfolgenden Aufstellung entnommen werden. Mit jeder neuen Bauelementegeneration wird durch Strukturverfeinerungen und Änderungen in den Dotierungen versucht, die Vorteile der jeweils anderen Technologie zu erreichen. Dadurch verwischen die Unterscheidungsmerkmale, so daß heute eine eindeutige Zuordnung anhand äußerer Merkmale schwieriger wird. Für die verhaltensbeschreibende Modellierung vereinfacht sich damit die Arbeit.

Abb.4.3
PT - IGBT NPT - IGBT
wn- kürzer, VCE(sat) geringer, niedrigere Durchlaßverluste  wn- länger, VCE(sat) und damit auch Durchlaßverluste höher
 IC(k)  10 IC(nenn)  IC(k)   6 IC(nenn)
p+ am Kollektor sehr hochdotiert p+ am Kollektor weniger hochdotiert
Kniestrom groß (30..50% IC), stark temperaturabhängig Kniestrom kleiner (5..10% IC), kaum temperaturabhängig
viele Rekombinationszentren in der Driftzone, Itail kurz (1,5µs) keine o. wenige Rekombinationszentren in der Driftzone Itail länger (5µs)
längere Schaltzeiten (toff), größere Schaltverluste, weniger Probleme mit dV/dt schnelleres Schalten (toff), geringere Schaltverluste, Probleme mit dV/dt
Temperaturkoeffizient VCE(sat) teilweise negativ, Parallelschalten nur nach Auswahl einer Spannungsklasse Temperaturkoeffizient VCE(sat) positiv,  Parallelschalten problemlos
wenig rückwärtssperrend (einige 10V), wegen unsymmetrischem Aufbau voll rückwärtssperrend (VCE), da symmetrische p+n-p+-Schichtfolge
VGE(th) niedriger, benötigt negative Abschaltspannung VGE = -15...15V VGE(th) höher, Störabstand höher, Abschalten mit 0V möglich, VGE = 0...15V
 PV(ges) für f<10 kHz geringer, PV(ges) für f>10kHz größer /Bober/

4.1.2 Funktionsprinzip

4.1.2.1 Stationäre Zustände
Im eingeschalteten Zustand befindet sich der IGBT im Normalbetrieb im Bereich der Sättigung. Da beide Ladungsträgerarten am Leitungsvorgang des IGBT beteiligt sind, liegen der Durchlaßwiderstand und die Durchlaßverluste niedriger als beim Power-MOSFET. Bei Nennstrom liegen typische Durchlaßspannungen VCE(sat) zwischen 2 und 4 Volt. Der Spannungsabfall setzt sich im wesentlichen aus zwei Bestandteilen zusammen /Hefner2/:

Im einzelnen sind das die Spannung über dem kollektorseitigen pn-Übergang:

und die Spannung über dem Basisgebiet

Der Stromfluß im IGBT unter den Bedingungen der Hochinjektion wird über die Trägerrandkonzentration des Basisgebietes mit Hilfe der ambipolaren Transportgleichung Gl. (2.10) und (2.11) und der Kontinuitätsgleichungen Gl. (2.6) und (2.7) berechnet. Die Lösung erfolgt nach einem quasistatischen Ansatz (dp/dt=0) :

Eine zeitabhängige Berechnung erfordert die Lösung der ambipolaren Diffusionsgleichung:

Deren geschlossene Lösung ist über Näherungen möglich, das Ergebnis ist die orts- und zeitabhängige Ladungsträgerverteilung in der schwachdotierten Zone.

Eine Begrenzung des Elektronen-Stroms und damit entsprechend der ambipolaren Stromgleichungen auch des Gesamtstroms ist mit Hilfe der Gatespannung VGE möglich. Für den Fall läßt sich die Gleichung für MOS-Transistoren im Einschnürbereich auf IGBT (VGS -> VGE ) anwenden:

Der MOS-Strom ist unabhängig von der Ausgangsspannung VDS (im IGBT  -> VCE ). Dies entspricht einem horizontalen Kurvenverlauf im Ausgangskennlinienfeld. Es wird der Bereich der Sättigung verlassen, die Ausgangsspannung und damit die Verluste im Bauelement steigen stark an. Folglich ist dieser Zustand nicht als Betriebszustand zulässig, diese Fähigkeit wird aber zur Beherrschung der Kurzschlußströme genutzt.

Im ausgeschalteten Zustand fällt die Sperrspannung über dem emitterseitigen p+n Übergang ab. Es entsteht eine Raumladungszone RLZ, die sich nach Gleichung (2.9) fast ausschließlich in das schwachdotierte Bahngebiet ausbreitet. Der noch fließende Sperrsättigungsstrom ist vernachlässigbar klein.

4.1.2.2 Schaltverhalten
Das Schaltverhalten wird durch die zeitabhängigen Ladungsänderungen im Bauelement während eines Schaltvorganges geprägt. Hinzu kommen die Auswirkungen parasitärer Elemente, wie die Induktivität der Bonddrähte und die Gehäusekapazitäten. Es ist üblich, zur Erläuterung des Schaltverhaltens die in der IGBT-Struktur gespeicherten Ladungen über Kapazitäten zu beschreiben. Dies stellt aber schon eine Form der Modellbildung dar und wird deshalb erst in Kap. 4.3. beschrieben.

 Das Einschalten erfolgt durch Anlegen einer positiven Spannung an das Gate. Ein gebräuchlicher Spannungswert liegt bei +15V. Typische Verläufe für die Ströme und Spannungen an Ein- und Ausgangsklemmen zeigen die Oszillogramme in Abb. 4.4.

Durch den Stromfluß IG kommt es zur Anlagerung von Ladungsträgern am Gate, die Spannung VGE steigt bis zur Schwellspannung VGE(th) der MOSFET-Struktur an (t0 -> t1). Es bildet sich durch die p+-Wanne ein leitender Kanal. Über diesen MOS-Kanal fließt bei positiver Kollektor-Emitter-Spannung ein Elektronenstrom in Richtung des np+ Überganges am Kollektor (t1 -> t2). Eine Zufuhr von Ladungen führt zum Abbau der RLZ, dazu sind zunächst nur wenige Ladungsträger notwendig, so daß die Spannung über dem Bauelement schnell abfällt. Der IGBT wird leitend. Nach dem Verschwinden der RLZ ist für den zunehmenden Stromfluß eine hohe Ladungsträgerkonzentration unterhalb des Gatekontaktes notwendig. Sie bedingt die äquivalente positive Ladung am Gate. Dieser Vorgang ist gleichbedeutend mit einer Zunahme der Kollektor-Gate-Kapazität, die auch als Millerkapazität bezeichnet wird (siehe Kap. 4.3). Bei gleichem Gatestrom sinkt VCE merklich langsamer (t2 -> t3). Der Zusammenhang zwischen absinkender Spannung und Zunahme der Kapazität führt zu dem für feldgesteuerte Bauelemente typischen Plateau in der Ansteuerspannung.
 
Im selben Zeitraum beginnt mit dem Eintreffen der Elektronen am Kollektor die Injektion von Minoritätsträgern (Löcher) von der hochdotierten p+ Schicht in die Driftzone (n-) (t2 -> t4). Auf Grund des Konzentrationsgefälles bewegen sie sich als Driftstrom in Richtung Emitter. Die Ladungsträgerdichte in der Driftzone nimmt mit steigendem Strom zu, die Leitfähigkeit wird erhöht. Dieser Vorgang wird deshalb auch als Leitwertmodulation bezeichnet (siehe Kap. 4.1.3.1).

Bei induktiver Last mit Freilaufzweig und nichtlückendem Laststrom wird der Einschaltvorgang im wesentlichen von der Freilaufdiode bestimmt. Erst nach vollständiger Übernahme des Laststroms durch den IGBT und Erreichen der Rückstromspitze nimmt die Diode Sperrspannung auf, was gleichbedeutend mit dem Zusammenbrechen der Spannung über dem IGBT ist. Daraus folgen maximale Verluste während des Einschaltvorgangs. Für diesen Lastfall gelten auch die meistens angegebenen Schaltzeiten: die Einschaltverzugszeit tdon, zwischen dem Anlegen des Ansteuersignals und dem Erreichen von 0,1IC und die Anstiegszeit tr zwischen 0,1IC und 0,9IC.

Zum Abschalten muß die positive Spannung vom Gate weggenommen werden. Das Anlegen einer negativen Spannung ist nicht unbedingt erforderlich, es erhöht aber im ausgeschalteten Zustand den Abstand zu VGE(th) und erschwert damit ein unbeabsichtigtes Einschalten durch Störspannungen.

Abb.4.5 AusschaltvorgangDie Spannungen und Ströme während eines Abschaltvorgangs sind in Abb. 4.5 dargestellt. Nach Abschalten der Ansteuerspannung sinkt durch Abführen der Gateladung die Gatespannung zunächst bis zu einem Wert, an dem der n-Kanal des MOSFET den Strom begrenzt (t0 -> t1). Während der Plateauphase (t1 -> t2) werden Ladungsträger aus dem Basisgebiet abgeführt, wodurch dessen spezifischer Widerstand steigt. Wegen der großen Menge von Ladungsträgern steigt die Spannung anfangs nur langsam, die zwischen Kollektor und Gate wirkende Millerkapazität besitzt einen großen Wert.

Die durch den Stromfluß im MOS-Kanal noch vorhandenen Elektronen sorgen für das Plateau in der Gatespannung. Nur in dem Maße, wie der IGBT in der Lage ist, Sperrspannung aufzunehmen, kann sich der Stromfluß verringern. Mit der sinkenden Anzahl von beweglichen Ladungsträgern steigt VCE schneller an (t2 -> t3), die RLZ breitet sich weiter aus und die wirksame Millerkapazität wird kleiner. In dem die Gatespannung unter die Schwellspannung VGE(th) sinkt, sperrt der MOS-Transistor. Der Elektronenstrom in die Basis der pnp-Bipolarstruktur wird unterbrochen und folglich die Injektion von Löchern vermindert. Ein Teil der Minoritätsträger (Löcher) wird während des schnellen Ausschaltvorganges nicht ausgeräumt und kann nur über Rekombination oder Rückinjektion abgebaut werden (t > t3). Es kommt zu einem Stromschwanz (Tailstrom), der die Ausschaltverluste mitbestimmt (siehe Kap. 4.1.3.2). Die Spannungsspitze beim Ausschalten entsteht durch die nicht vermeidbaren Streuinduktivitäten im Laststrompfad.

In Brückenschaltungen mit induktiver Last muß über dem IGBT erst die Zwischenkreisspannung abfallen, so daß die komplementäre Freilaufdiode in Durchlaßrichtung gepolt ist. Erst dann kann diese den Strom übernehmen. Durch gleichzeitiges Auftreten von Zwischenkreisspannung und Laststrom entstehen die größten Schaltverluste. Die meist für induktive Last angegebenen Schaltzeiten sind: die Ausschaltverzugszeit tdoff, zwischen dem Wegnehmen der Ansteuerspannung und dem Abfall auf 0,9IC und die Fallzeit tf zwischen 0,9IC und 0,1IC.

Die Geschwindigkeit der Ladungsänderung am Gate und damit auch die Schaltgeschwindigkeit beim Ein- und Ausschalten wird vom internen Gatewiderstand RG(in) und zusätzlich durch einem extern vorgeschalteten Gatewiderstand RG begrenzt. RG(in) setzt sich aus dem MOS-Eingangswiderstand, dem Widerstand der Anschlußleitungen und eventuell aus Abgleichwiderständen der Hersteller zusammen. Die Abgleichwiderstände werden zur Anpassung des dynamischen Verhaltens parallelgeschalteter Chips benötigt. Er wirkt als Serienwiderstand im Ansteuerkreis. Für den Gatevorwiderstand RG werden von den Herstellern Mindestwerte angegeben, um kritische Werte der Flankensteilheit dV/dt auszuschließen. Bei zu schnellen Spannungsänderungen kann es auf Grund von Verschiebeströmen zum dyn. Latchup kommen.

4.1.2.3 Sicherer Arbeitsbereich
Das Leitungsvermögen eines Leistungshalbleiters wird von höchstzulässigen Strom- und Spannungswerten in Abhängigkeit von der Belastungsdauer begrenzt. Der Bereich, in dem unter definierten Voraussetzungen ein zuverlässiger Betrieb gewährleistet ist, wird als Sicherer Arbeitsbereich (Safe Operating Area - SOA) bezeichnet. Ein Verlassen dieses Bereiches kann zu Zerstörungen durch eine unzulässig hohe Feldstärke, Stromdichte oder Sperrschichttemperatur führen. Der IGBT besitzt sowohl in Vorwärts- als auch in Rückwärtsrichtung (Ein-/Ausschalten) ein rechteckiges SOA. Er ist damit in der Lage, Kurzschlußströme abzuschalten. Zum Schutz vor thermischer Zerstörung muß das Abschalten hinreichend schnell (innerhalb von ca. 10µs) erfolgen. Empfindlich reagiert das Bauelement auf von zu hohen Spannungen verursachte Feldstärken. Dies gilt sowohl für VCE als auch für VGE.

4.1.3 Besondere Eigenschaften

Der IGBT zeichnet sich durch einige Eigenschaften aus, die selten detailliert beschrieben werden, zum Teil aber das Charakteristische für den IGBT darstellen. Dies betrifft die durch den bipolaren Leitungsvorgang und die Hochinjektion verursachte Leitwertmodulation und den Tailstrom. Zu den besonderen Eigenschaften wird hier auch noch das Temperaturverhalten zugeordnet. 
4.1.3.1 Leitwertmodulation
Einer der Hauptvorteile des IGBT gegenüber dem Power-MOSFET ist der geringere ron des Bahngebietes, was bei höheren Sperrfähigkeiten der Bauelemente die Durchlaßverluste erheblich reduziert. Wegen der bipolaren Struktur des IGBT kommt es bei hohen Stromdichten am Kollektorseitigen p+n-Übergang zur Hochinjektion von Minoritäten in das n-Gebiet. Deren Anzahl ist so hoch, daß sie die Grunddotierungsdichte der Majoritäten übersteigt und deren Konzentration wegen der Neutralitätsbedingung ebenfalls angehoben werden. Schon bei wenigen 10mA gilt:

Der Zusammenhang zwischen der höheren mittleren Ladungsträgerdichte   und der Verringerung des Bahnwiderstands ron (bzw. Erhöhung des Leitwertes) des Basisgebietes ergibt sich über den spezifische Widerstand:

Da nach der Stromdichtegleichung Gl. (4.5) die Ladungsträgerdichte quadratisch mit dem Strom ansteigt, folgt daraus, daß mit steigendem Strom der Bahnwiderstand fällt.

Statisch äußert sich dies in einer geringeren Sättigungsspannung Gl. (4.4) als bei unipolaren Halbleitern und einer eher quadratisch ansteigenden Sättigungskennlinie des IGBT.

Die Ausbreitung der Ladungsträger ist nach der Kontinuitätsgleichung Gl. (2.6) und (2.7) ein zeitabhängiger Vorgang. Erst nach Ablauf einer gewissen Zeit haben sich die Ladungsträger auch im Mittelgebiet der schwachdotierten Zone gleichmäßig verteilt und der Leitwert hat seinen stationären Endwert erreicht. Die dazugehörige Zeitkonstante wird als Hochinjektionslebensdauer  THI bezeichnet:

(n/ p-Ladungsträgerüberschuß; n0/p0-Gleichgewichtsdichten) Sie kann über weite Bereiche als konstant angesehen werden. Da die Nettorekombinationsrate R von der Anzahl der Rekombinationszentren abhängig ist, ergeben sich für NPT- und PT-IGBT unterschiedliche Zeitkonstanten THI. Als Anhaltspunkt können die aus Messungen gewonnen Werte für PT-IGBT (IXYS)=250ns und NPT-IGBT (Semikron)=1µs gelten.
Beim Einschaltvorgang vor allem des NPT-IGBT (Abb. 4.6) tritt die Leitwertmodulation (LWM)durch ein langsames Absinken der Spannung nach Erreichen der dynamischen Sättigungsspannung in Erscheinung (Zeitabschnitt 900ns < t < 3µs). Dieser Vorgang wird von dem Wirken der mit abnehmender Spannung sich vergrößernden Millerkapazität überlagert, die ebenfalls für ein verlangsamtes Absinken von VCE sorgt (310ns < t < 900ns). Bei PT-Typen mit kleinem THI wird die LWM deshalb kaum sichtbar.

Ein weiterer von der LWM verursachter Effekt ist eine Spannungsspitze, die ein Stromsprung bei einem eingeschalteten IGBT erzeugt.
Für die in Abb 4.7 dargestellten Verläufe wurde durch Zuschalten eines kleinerer Lastwiderstandes auf einen leitenden IGBT ein Lastsprung gegeben.
Dieser Effekt ist nicht allein auf die Streuinduktivität der Bonddrähte zurückzuführen. Erklärbar ist er gleichzeitig mit der Zeitabhängigkeit der Ladungsträger. Zu Beginn eines schnellen Stromanstieges besitzt das Halbleitermaterial einen niedrigen Leitwert und dadurch einen erhöhten Spannungsabfall. Erst verzögert, bis zum Erreichen der Gleichverteilung, stellen sich beide auf den neuen stationären Wert ein. Durch die di/dt-Abhängigkeit ist die LWM mit einem induktiven Verhalten des Halbleiters vergleichbar /Mösch/. In der Realität ist ein solcher Stromsprung dieser Art ein selten auftretender Betriebsfall, so daß die dynamischen Effekte der LWM im hart schaltenden Betrieb nicht modelliert werden müssen.
 

Von Bedeutung ist die Leitwertmodulation und die damit verbundenen zusätzlichen Verluste allerdings bei Resonanzinvertern, da auch bei schnellen und mittleren Kollektorstromanstiegen der zusätzlicher Spannungsabfall in VCE nicht vernachlässigbar ist /Kurnia/. In der genannten Literaturstelle wurde der Effekt der LWM bei Stromanstiegsgeschwindigkeiten von 1A/µs bis 100A/µs meßtechnisch nachgewiesen. Die durch den Stromanstieg verursachte zusätzliche Spannung

ist dabei unabhängig vom Absolutwert des Stromes (Abb. 4.8). Es existiert ein direkter Zusammenhang zwischen  VCE und dem di/dt. Die während eines Stromanstieges wirksame Induktivität liegt deutlich über der Datenblattangabe für die Bonddrähte (siehe auch Kap. 4.5).

Bei fallendem Strom entsteht durch den verzögerten Abbau der Ladungsträger im n--Gebiet ein Ladungsträgerüberschuß. Der Leitwert ist höher, als es dem statischen Wert für den fließenden Strom entspräche. Die Folge ist, daß der Spannungsabfall über dem Bahngebiet verringert wird (Abb. 4.9), wenn auch nicht in dem Maß wie beim Anstieg. Im Grenzfall (Vb -> 0) kann VCE höchstens bis auf den Wert der Flußspannung des pn-Überganges im IGBT fallen. Spannungsspitzen, die darunter absinken, werden durch die parasitären Induktivitäten der Bond- und Anschlußleitungen bzw. den Meßaufbau verursacht.

4.1.3.2 Tailstrom
Der bipolare Leitungsmechanismus verursacht beim IGBT, wie auch bei anderen bipolaren Leistungsbauelementen (GTO, MCT), einen Stromschwanz (Tailstrom) unmittelbar nach dem Ausschaltvorgang. Die Ursache ist ebenso wie bei der Leitwertmodulation die begrenzte Ausbreitungsgeschwindigkeit der Ladungsträger im Basisgebiet.

Die Tailphase beginnt mit dem Abschalten der MOS-Struktur. In Abb. 4.5 entspricht dies dem Zeitpunkt t3. Der abreißende Elektronenstrom sorgte für den anfangs schnellen Abfall des Kollektorstroms und den Anstieg der Kollektor-Emitter-Spannung VCE bis auf Höhe der Betriebsspannung. Die noch bis zu letzt durch die den kollektorseitigen p+n-Übergang erreichenden Elektronen injizierten Löcher verbleiben als Restladung im Basisgebiet. Dennoch ist die Gesamtladung der Löcher im Basisgebiet zu Beginn der Tailphase geringer als bei stationärem Betrieb. Schon während des Anstieges der Sperrspannung und dem Ausbreiten der RLZ werden gemeinsam mit den Elektronen ein Teil dieser Ladungsträger abgebaut. Zusätzliche Rekombinationszentren und eine Verringerung des Emitterwirkungsgrades ( =Ip+/Iges) reduzieren die verbleibende positive Ladung, erhöhen aber auch die Durchlaßverluste. Hierfür ist ein Kompromiß zu finden oder es werden zwei Typenreihen (Fast- und Low Saturation-Typen) angeboten. /IXYS/.

Die Höhe des Stroms zu Beginn der Tailphase (=Kniestrom Itail0) wird von der verbliebenen Trägerüberschußdichte am kollektorseitigen p+n-Übergang (x1) und der zeitliche Verlauf vom Abbau der Ladungsträger bestimmt. Der zeitliche Verlauf kann mit einer Exponentialfunktion genähert werden:

Quantitative Unterschiede im Tailstromverhalten entstehen durch die verschiedenen Halbleiterstrukturen. Beim PT-IGBT sorgt die sehr hochdotierte p+-Schicht am Kollektor (hoher Emitterwirkungsgrad) für die Injektion einer großen Anzahl von Löchern in die n-Schicht. Dies ist gleichzusetzen mit einem hohen Itail0. Dafür klingt der Strom wegen einer großen Anzahl von Rekombinationszentren im Basisgebiet und einer kurze Basisweite wb schnell ab. Über seinen Einfluß auf die Hochinjektionslebensdauer  THI wirkt sich der Ladungsträgerabbau über Rekombinationszentren stark auf die Temperaturabhängigkeit des Tailstroms aus.

Komplementär dazu verhält sich der NPT-IGBT. Seine niedriger dotierte p+-Schicht am Kollektor sorgt für eine geringere Injektion von Löchern in das Basisgebiet (niedriger Emitterwirkungsgrad), dies ist gleichzusetzen mit kleinem Kniestrom. Die geringe Anzahl von Rekombinationszentren und größere Basisweite sorgen für langsames Abklingen von Itail und für einen fast temperaturunabhängigen Tailstrom.

Der zur Modellierung wichtige Kniestrom kann unter bestimmten Voraussetzungen nach /Behr/ aus der zum Schaltzeitpunkt im Basisgebiet befindlichen Ladung und der Transitzeit der Löcher berechnet werden:

Qpb0 erhält man durch Integration der Überschußträgerdichte pb(x) im Basisgebiet und Multiplikation mit der Elementarladung q und der durchflossenen Fläche A:

Mit der Transitzeit der Löcher:

erhält man durch einsetzen in Gl. (4.14) eine von Halbleiterparametern abhängige Gleichung für den Kniestrom:

Für diese Beziehung wird als Randbedingung ein homogener Halbleiteraufbau vorausgesetzt und daß die Basisweite wb schon sehr klein ist, da zum Zeitpunkt t0 bereits die volle Sperrspannung über dem IGBT abfällt. Somit gelten die oben genannten Beziehungen nicht für ein Ausschalten im spannungslosen Zustand.

Aus den angegebenen Gleichungen zu Itail wird ersichtlich, daß dieser im wesentlichen von 3 Prozeßgrößen abhängig ist, von VCE nach dem Abschalten, dem Kollektorstrom IC0 vor dem Abschalten und der Bauelementetemperatur. Die Abhängigkeit des Tailstroms von VCE ist wegen wb = wn- - wj über die Basisweite und die Breite der RLZ

gegeben. Die Gleichung gilt unter der Annahme, daß die Sperrspannung VCE der Spannung über dem pn-Übergang Vj gleichgesetzt werden kann. Die Basisträgerdichte Nb ist nach /Hefner2/ nicht der Grunddotierungsdichte ND gleichzusetzen, weil sich durch ihre Trägheit noch bewegliche Ladungsträger in der Verarmungszone befinden. Mit steigender Spannung verringert sich die verbleibende Ladung Qpb0 nach Gl. (4.15), da aber gleichzeitig die Transitzeit wesentlich kürzer wird, erhöht sich insgesamt der Kniestrom. Dies kommt auch in der Spannungsabhängigkeit der Löcherrandkonzentration pn(x1) zum Ausdruck (Abb. 4.10). Mit der sich während des Schaltvorganges ausbreitenden RLZ (wj) werden die beweglichen Ladungsträger aus der schwachdotierten Zone verdrängt. Dies führt zu einem Anstieg der Ladungsträgerkonzentration bei x1 und damit zu einem höheren Kniestrom /Hefner2/.
Mit dem Ansatz wn- ~ SQRT(VCES) kann zur Modellierung Gl. (4.17) in eine normierte Form überführt werden:

und hat dann den in Abb. 4.11 dargestellten Verlauf. Für den Fall VCE -> VCES wird der Anstieg der Funktion wegen der steigenden Ladungsträgerkonzentration Nb bedämpft.
Der Strom IC0 geht über die Trägerrandkonzentration und der in dieser Größe enthaltenen Löcherstromdichte Jp mit der Wurzel seines Wertes in die Höhe des Kniestroms ein:

Für kleine Ströme im Vergleich zum Nennstrom wurde meßtechnisch anstatt Itail0=K*SQRT( IC0) für beide IGBT-Strukturtypen die etwas abweichend Beziehung:

ermittelt (VCE und  =konst).
Temperaturabhängige Parameter in Gl. (4.17) sind LA (DA; THI), Dpp; VT) und pb(ni) (siehe nachfolgendes Kapitel).

4.1.3.3 Temperaturverhalten
Bei Betrachtung der Halbleiterbeziehungen für Ströme und Spannungen am IGBT existieren mit der Eigenleitungsdichte, der Ladungsträgerbeweglichkeit und der Trägerlebensdauer im wesentlichen 3 temperaturabhängige Halbleitergrößen.
Durch thermische Generation steigt mit der Temperatur die Eigenleitungsdichte:

In der Gleichung dominiert die Exponentialfunktion. Mit dem Bandabstand Wg=1,11eV für Silizium ergibt sich theoretisch bei Zimmertemperatur ni = 1,5*1010cm-3 und bei 100°C ni = 1013cm-3.
Die Temperaturabhängigkeit der Ladungsträgerbeweglichkeit ist auf die zunehmende Gitterstreuung zurückzuführen. Mit einer gegebenen Beweglichkeit bei der Temperatur 0 ist der Ansatz:

gebräuchlich. Auf Löcher und Elektronen wirken sich Temperaturänderungen unterschiedlich stark aus /Ottaviani/. Außerdem treten abhängig von der Einsatztemperatur und der Ladungsträgerdichte verschieden Streuvorgänge gleichzeitig auf, so daß TK1 zwischen 1,5 und 2,5 /Sze/ schwankt.

Die Ladungsträgerlebensdauer im IGBT weist bei Rekombination über zusätzlich eingebrachte Rekombinationszentren eine starke Temperaturabhängigkeit auf /Sansev/. Die Nettorekombinationsrate nimmt mit steigender Temperatur ab, so daß die Lebensdauern größer werden. Der allgemeine Ansatz für die Ladungsträgerlebensdauer:

gilt in ähnlicher Form auch für die Hochinjektionslebensdauer. Als Exponenten für die in Gl.(4.24) genäherte Beziehung können Werte von TK2=2 /Behr/ bis TK2=2,5 /Grove/ eingesetzt werden.

Prinzipiell kann man davon ausgehen, daß alle äußeren Parameter von Halbleiterbauelementen eine Funktion der Temperatur sind. In der Realität sind aber viele dieser Abhängigkeiten vernachlässigbar, bzw. heben sich Temperaturabhängigkeiten in ihrer Wirkung nach außen auf. Der Wunsch der Anwender, eine Schaltung möglichst unabhängig von der Eigenerwärmung der Leistungshalbleiter dimensionieren zu können, forciert die Entwicklung, in neuen Bauelementegenerationen das temperaturabhängige Verhalten immer weiter zu unterdrücken. Nur noch wenige äußere Parameter ändern ihre Werte in einem Umfang, der für die Modellierung von Bauelementen zur Schaltungsanalyse von Bedeutung ist. In vielen Fällen ist der Temperatureinfluß auf einzelne Faktoren einer Halbleiterbeziehung gegenläufig, so daß es in Abhängigkeit von Struktur und Halbleiterparametern zu unterschiedlichem Verhalten kommt. Generelle Aussagen zum Verhalten bei steigender Temperatur sind so kaum möglich. Es muß von Fall zu Fall unterschieden werden.

Dies gilt unter anderem auch für den Durchlaßspannungsabfall und damit für die Sättigungskennlinie. Aus Gl. (4.23) und Gl. (4.9) ergibt sich ein steigender spezifischer Widerstand und damit gemäß Gl.(4.4) eine Zunahme des Spannungsabfalls Vb über dem Basisgebiet. Dagegen ist den Gleichungen (4.22) und (4.3) zu entnehmen, daß Vj(x1) fällt. Als Ergebnis geht der zunächst negative Temperaturkoeffizient mit steigendem Strom in einen positiven über. Beim PT-IGBT liegt der Schnittpunkt meist weit oberhalb des Nennstroms, während der NPT- IGBT schon bei sehr geringen Strömen einen positiven Temperaturkoeffizient aufweist.

Unterschiede im Temperaturverhalten sind auch beim Tailstrom festzustellen. Der Tailstrom des PT-IGBT wächst stark bei höheren Einsatztemperaturen. Die Hauptursache ist die oben beschriebene Zunahme der Hochinjektionslebensdauer THI bei Rekombination über Rekombinationszentren und die Zunahme der Ladungsträgerüberschußdichte pb(x1) = f (ni). Der Temperatureinfluß auf den Kniestrom läßt sich mit folgender Beziehung beschreiben:

mit einem meßtechnisch ermittelten Exponenten TK3=1,5...1,7. Dagegen ist der Tailstrom des NPT-IGBT weitestgehend temperaturunabhängig.

Der Temperatureinfluß auf Schaltzeiten und damit auf Schaltverluste kann mit einer Änderung des Gateinnenwiderstandes erklärt werden.

Temperaturbedingte Änderungen der Interelektrodenkapazitäten konnten nicht festgestellt werden /Abicht/. Besonders die Verzögerungszeiten des PT-IGBT steigen stark mit der Temperatur, dagegen ließ sich für den NPT-IGBT kaum ein Einfluß der Temperatur auf die Schaltzeiten nachweisen /Bober/. Trotzdem erhöhte Angaben zu den Einschaltverlusten sind vor allem auf ein sich mit der Temperatur verschlechterndes Schaltverhalten der Freilaufdiode zurückzuführen.

Der letzte äußere Parameter, der sich unter Temperatureinfluß ändert, ist die Transferkennlinie mit der Schwellspannung VGE(th). Die Abhängigkeit entsteht durch die Eigenleitungsdichte, den Abstand WF zwischen Eigenleitungs- und Ferminiveau sowie für die Transferkennlinie über die Ladungsträgerbeweglichkeit. Für VGE(th) wird eine lineare Beziehung angesetzt /Fatemiz/:

Der Temperaturkoeffizienten kann mit TK5 <= -10mV/K angenommen werden /Hefner1/, die Schwellspannung sinkt also mit steigender Temperatur. Im Verlauf der Transverkennlinie wirkt die abnehmende Trägerbeweglichkeit diesem Effekt entgegen, so daß die Kennlinie im Bereich größerer Gatespannungen einen positiven Temperaturkoeffizienten besitzt.

4.1.4 Eckdaten/Trends

Auf dem Markt befindet sich zur Zeit die dritte Generation von IGBT. Übliche Grenzwerte sind für den Nennstrom ca. 600A, für die Sperrspannung ca. 1600V und bei der Schaltfrequenz ohne besondere Maßnahmen ungefähr 20kHz. Die Entwicklung des Bauelements ist noch nicht abgeschlossen, momentan wird versucht, die Leistungsgrenzen durch Spezialisierung auf bestimmte Einsatzgebiete zu erweitern. Eine Entwicklungsrichtung geht hin zu immer höheren Leistungen. Für Traktionsantriebe sind bereits IGBT mit Grenzwerten von über 3000V und 1000A Nennstrom entwickelt worden /Hiyoshi/ /Brunner/. Sie liegen damit im klassischen Anwendungsgebiet von Thyristor bzw. GTO.

Verlustreduzierung ist eine weitere Triebfeder für neue Bauelementegenerationen. Für batteriegespeiste Straßenfahrzeuge werden niedrigere Durchlaßspannungen verlangt. Ein solches Entwicklungsprodukt ist der Trench-IGBT, bei dem durch eine Grabenstruktur des Gates die Sättigungsspannung (VCE(sat) =1,1V (IC =450A)) erheblich reduziert wird /Harada/. Niedrigere Durchlaßverluste sind wegen konträrer Abhängigkeiten der Halbleitergrößen meist mit höheren Schaltverlusten verbunden. Deshalb besteht die dritte Entwicklungreihe aus High-Speed IGBT für hochfrequente Anwendungen. Erwähnt sollte noch werden, daß durch eine Weiterentwicklung der Dioden und einer besseren Anpassung an den IGBT, das Gesamtschaltverhalten verbessert wird.

Alle diese Verbesserungen stellen im Sinne der Verhaltensmodellierung keine Qualitätsänderungen dar, und haben keinen Einfluß auf die nach dieser Methode erstellten Modelle. Mit der Methode der verhaltensbeschreibenden Modellierung kann daher zügig auf den Modellbedarf, der durch Strukturänderungen oder Generationswechsel der Bauelemente entsteht, reagiert werden. Die neuen Quantitäten in den äußeren Eigenschaften sind schnell zu ermitteln. Sie können problemlos in vorhandene Modelle durch veränderte Parameter eingebunden werden.


Zusammenfassung der Beschreibung des IGBT:


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4.2 Erstellen eines Basismodells

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Ein Modell dieses Levels soll die Ansprüche für einfache Simulationsaufgaben erfüllen. Dazu gehört die Wiedergabe von Strömen und Spannungen in den stationären Zuständen und das Übertragungsverhalten eines Bauelementes. Es dient als Basis für die nächste Modellstufe, bei der auch das dynamische Verhalten des Bauelementes berücksichtigt wird.

4.2.1  Modellansatz für das statische IGBT-Verhalten

Abb.4.14 Modellansatz 1+2Der zur verhaltensbeschreibenden Modellierung gewählte Ansatz beginnt mit der Nachbildung der pn-Struktur zwischen den Ausgangsklemmen. Das Ausgangsverhalten wird im Leitzustand und im rückwärtssperrenden Zustand vom kollektorseitigen p+n--Übergang bestimmt. Die Verhältnisse gleichen denen einer pin-Diode und dementsprechend ist die Modellierung mit dem statischen Diodenmodell D1 die einfachste zu realisierende Lösung. Für den emitterseitigen p+n--Übergang, der im Blockierzustand die Spannung aufnimmt, wird ebenfalls ein statisches Diodenmodell (D2) verwendet.

Zur Nachbildung des Übertragungsverhaltens müssen die Steuerungsvorgänge der Ladungsträger im IGBT in das Modell umgesetzt werden. Gemäß den im Kap. 4.1 beschriebenen Leitungsvorgängen kommt es über den MOS-Kanal zu einem gatespannungsabhängigen Elektronenstrom in die Basis der internen Bipolartransistorstruktur. Der Gesamtstrom ist wiederum abhängig vom Elektronenstrom. Im Modell wird der durch den MOS-Kanal am pn-Übergang des Bipolartransistors vorbeigeführte Strom von einer gatespannungsgesteuerten Stromquelle geführt. Sie liegt parallel zu D2 und überbrückt diese damit im leitenden Zustand des IGBT. Vom Modellansatz und den von außen meßbaren Größen ist keine Aufteilung nach Strömen der beiden beteiligten Ladungsträgerarten möglich.

Der Eingangswiderstand des IGBT kann näherungsweise als unendlich angesehen werden. Es fließt zwar ein Gatereststrom von einigen µA, der aber weder für die Verluste im Leistungshalbleiter noch für die vorangestellte Treiberschaltung von Bedeutung ist. Für das Modell wird ein hinreichend großer statischer Eingangswiderstand RGin(s) eingesetzt.

4.2.2 Anpassung des Modellansatzes an die verfügbaren Parameter

Von den vier Beziehungen, die nach der Vierpoltheorie existieren, sind zur statischen Beschreibung des IGBT nur zwei praktisch relevant. Diese sind die Strom- und Spannungsbeziehungen am Ausgang und sein Übertragungsverhalten. Die Wiedergabe des statischen Verhalten des IGBT wird dementsprechend durch das Zusammenwirken der im Modell umgesetzten Sättigungskennlinie IC = f(VCE) und der Transferkennlinie IC = f(VGE) realisiert (Abb. 4.16). Eine statische Rückwirkung des Ausgangs auf den Eingang besteht praktisch nicht und die Wirkung des statischen Eingangswiderstandes RGin(s) in Form eines Leckstromes ist vernachlässigbar.

Für eine Aufteilung auf die bei Stromfluß im IGBT entstehenden Teilspannungsabfälle stehen keine detaillierten Angaben zur Verfügung. Deshalb beinhaltet die Kennlinie, die der Diode D1 zugeordnet wurde, alle vom stationären Strom IC verursachten Spannungsabfälle zwischen den Anschlußklemmen. Dazu gehören die Spannungsabfälle über dem pn-Übergang, dem MOS-Kanal dem Widerstand der Basisregion und auch über dem Widerstand der Bonddrähte. D1 wird die Sättigungskennlinie des IGBT für die Gatenennspannung z.B.: VGE(nenn) =15V zugewiesen.

Der Stromfluß soll abhängig von der angelegten Gatespannung mit Hilfe einer spannungsgesteuerten Stromquelle IU realisiert werden. In dem als Übertragungsfunktion die Transferkennlinie eingesetzt wird, stellt die Stromquelle den für die Gatespannung maximalen Strom IC(k) bereit. Als Kollektorstrom IC darf nur der Anteil des Stromes das Modell verlassen, der nötig ist, um im Lastkreis den Maschensatz zu erfüllen. Dies ist sichergestellt, da sich im Fall IC(k) > IC über D2 eine Spannung in Durchlaßrichtung aufbaut. Die Diode D2 schließt damit den für die konkreten Lastbedingungen zuviel eingespeisten Strom kurz. Für die Ausgangsspannung gilt:

Per Definition war aber festgelegt, daß VCE(sat)(IC)=VD1(IC) ist, folglich muß im Modell sichergestellt werden, daß der Spannungsabfall über D2 im Rahmen der vom Simulator gegebenen Möglichkeiten zu Null wird. Dieses Vorgehen entspricht dem in Kap. 3.3 beschriebenen Verfahren zur Begrenzung nicht benötigter Kennlinienzweige. Der Sperrwiderstand von D2 ist so bemessen, daß der Sperrsättigungsstrom ICES des IGBT fließen kann.

Das so entstehende Ausgangskennlinienfeld berücksichtigt nicht die Quasisättigung und eine geringfügige Abhängigkeit der Sättigungskennlinie von VGE. Beide Mängel liegen unterhalb der Bauelementestreuung und sind bei den existierenden Einsatzgebieten des IGBT vernachlässigbar.

Die eingesetzten statischen Kennlinien gelten nur für konkrete Randbedingungen. Weicht der Arbeitspunkt von diesen Randbedingungen ab, entsteht ein Fehler. Dieser kann bei geringeren Abweichungen vernachlässigt werden, liegt der Arbeitspunkt aber weit außerhalb (große Temperaturdifferenz, abweichende Gatenennspannung), so sollten mit einem Satz neuer Kennlinien dieser Fehler wieder minimiert werden.



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4.3 Modellerweiterungen zur Nachbildung dynamischer Eigenschaften

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Zur Lösung von anspruchsvolleren Simulationsaufgaben ist oft ein statisches Modell nicht ausreichend. Dies gilt beispielsweise für Verlustbetrachtung bei höherern Schaltfrequenzen, bei Untersuchungen zum Schaltverhalten unter Berücksichtigung von parasitären Schaltungselementen oder bei der Entwicklung von Schutzkonzeptionen gegen Störfälle. Für solche und weitere Anwendungen ist das Modell um dynamische Eigenschaften des Bauelementes zu erweitern. Dazu ist es notwendig, die Speichervorgänge von Ladungsträgern nachzubilden und parasitäre Elemente des Bauelementes mit einzubeziehen. Die Frequenzabhängigkeit der dynamischen Größen ist nicht relevant. Da bei der Schaltungsanalyse transiente Vorgänge untersucht werden, interessiert in erster Linie das Schaltverhalten von Bauelementen der Leistungselektronik.

Für die dynamischen Modellerweiterungen soll ähnlich vorgegangen werden, wie bei der Erstellung des statischen Modells. Über einen Ansatz, der sich aus dem Aufbau des Bauelementes ergibt, wird eine Lösung gefunden, die mit den vorhandenen Parametern und Modellierungsmöglichkeiten zu realisieren ist.

4.3.1 Ansatz zur Modellierung der Halbleiterladungen

Die übliche Methode zur Modellierung von gespeicherten Ladungen in Netzwerksimulatoren ist deren Darstellung als konzentrierte Kapazitäten oder äquivalente Beziehungen über gesteuerte Quellen. Eine für den IGBT mögliche Aufteilung und die Lage der Kapazitäten zeigt Abb. 4.17.

Unter den Faktoren, die den Schaltvorgang beeinflussen, üben die Eingangskapazitäten (die über den Eingang gesteuerten Ladungen) den größten Einfluß aus. Die Eingangskapazität setzt sich bei kurzgeschlossenem Ausgang aus den Teilkapazitäten zusammen, die zwischen Gate und Kollektor und zwischen Gate und Emitter liegen.

CGE besteht aus einer Parallelschaltung von der Gate-Source-Überlappungs-Kapazität CGS* und einer Kapazität Cm zwischen den Metallkontakten von Gate und Emitter. Das Dielektrikum ist in beiden Fällen die Oxidschicht. Die Größe der Kapazitäten hängt im wesentlichen von den Abmessungen des Gateaufbaus ab, und kann als konstant angenommen werden. Die in diesen Kapazitäten gespeicherte Ladung beeinflußt den Stromfluß und der Umladevorgang das Schaltverhalten. Folglich wird die Spannung über diesen Kapazitäten zur Steuerung der Kollektorstromquelle genutzt. In dem Maße wie sie sich auflädt, sprich Ladungsträger am Gate angelagert werden, wird der Stromfluß ermöglicht.

Auch bei der Kapazität zwischen Kollektor und Gate handelt es sich um eine Kombination mehrerer Einzelkapazitäten. Mit dem Verschiebestrom über diese Kapazitäten (Millerkapazität) wird die Rückwirkung der Ausgangspannung auf die Eingangsspannung modelliert. Die wesentlichen Bestandteile sind gemäß Abb. 4.17 eine Reihenschaltung von Cox , CGD* und CBE*. Die Oxidschichtkapazität Cox wird aus dem Gateanschluß und dem Halbleitermaterial der Driftzone mit der Oxidschicht als Dielektrikum gebildet. Sie hat eine von den Abmessungen abhängige konstante Größe. CBE* ist im eingeschalteten Zustand eine Diffusionskapazität des kollektorseitigen p+n-Übergangs. Ihr Wert ist vom Stromfluß abhängig. Sie ist wesentlich größer als die kleinste der drei in Reihe liegenden Kapazitäten und kann deshalb vernachlässigt werden. CGD* ist die Kapazität der Raumladungszone und über deren Weite wj stark von der Kollektor-Emitter-Spannung abhängig. Der Wert der Kapazität ändert sich um die Größenordung von 1 bis 2 Zehnerpotenzen und beeinflußt deshalb das Schaltverhalten des IGBT nachhaltig. Sie kann entsprechend der Gleichung (3.4) für die Sperrschichtkapazität berechnet werden:

wj als spannungsabhängige Größe vereinfacht sich wegen des unsymmetrischen Aufbaus zu:

Die Gesamtkapazität zwischen dem Gate und dem Kollektoranschluß CGC berechnet sich aus der Reihenschaltung der beiden relevanten Kapazitäten:

Abb.4.19 Gate-Kollektor-Kapazitätso daß für die Interelektrodenkapazität gilt:

Eine analytische Beschreibung CGC = f(VGC) ist wegen der unbekannten Spannungsverhältnissen über den Teilkapazitäten nur schwer möglich. Der Kapazitätsverlauf läßt sich qualitativ wie folgt beschreiben: Für eine negative Gate-Kollektor-Spannung VGC (IGBT sperrend) nähert sich die Gesamtkapazität sehr schnell dem Minimalwert von CGD* an. Mit steigender VGC steigt auch CGC an und hat 2 bis 3V vor dem Nulldurchgang der Spannung einen Wendepunkt. Im weiteren Verlauf nähert sie sich im positiven Bereich von VGC dem Wert der Oxidkapazität an.

Als Ausgangskapazität wird die bei kurzgeschlossenem Eingang wirksame Kapazität bezeichnet. Es handelt sich dabei um die Summe der bereits beschriebenen Gate-Kollektor-Kapazität und der zwischen Kollektor und Emitter liegenden Kapazität. Die Ladung der RLZ über der Basis-Kollektordiode des internen pnp-Transistors wird durch eine Sperrschichtkapazität (CBC*) nachgebildet. Für die bei Stromfluß im pn-Übergang und im Basisgebiet gespeicherten Ladungen ist eine gesonderte Modellierung notwendig. Das oft für pn-Übergänge verwendete Modell einer Diffusionskapazität ist hier nicht gültig. Wichtigste transiente Auswirkung der Ladungen ist der bei bipolaren Strukturen auftretende Tailstrom während des Ausschaltvorgangs. Dem Verständnis einer gespeicherten Ladung kommt eine Modellierung mit einem RC-Glied am nächsten. Die Beschreibung des Stromverlaufs nach Gl. (4.13) mit einem Anfangswert Itail0 läßt aber auch eine Interpretation mit einem RL-Glied zu. Die Angabe eines empirisch gewonnen Zusammenhangs für Itail0 =f(VCE ; IC0 ; ) bezogen auf die meßbaren Größen ist möglich. Der Kniestrom selbst hängt jedoch von vielen halbleitertechnologischen Parametern ab, so daß für jeden Hersteller und jede Bauelementegeneration die Gleichung zu präzisieren ist. Erschwerend für die Modellierung kommt hinzu, daß bei den wenigsten Herstellern Datenblattangaben zur Tailphase vorliegen. Eine Angabe der vom Tailstrom verursachten Ausschaltverlustenergie Woff2 im Nennarbeitspunkt ermöglicht nur das Abschätzen des Tailstromverlaufs.

4.3.2 Anpassung des Modellansatzes an die verfügbaren Parameter

Ein detaillierter Aufbau wie in Abb. 4.17 dargestellt, ist bei der verhaltensbeschreibenden Modellierung nicht möglich. Die kapazitive Gesamtwirkung zwischen zwei Anschlußklemmen ist mit wenigen Komponenten nachzubilden. Hauptursache ist die Parameterbestimmung über Messungen an den äußeren Anschlußklemmen, die eine Differenzierung kaum zuläßt. Zu den Halbleiterkapazitäten kommen noch Gehäusekapazitäten hinzu, da diese ebenfalls meßtechnisch nicht voneinander zu trennen sind. In den meisten Fällen wird eine Nachbildung durch Interelektrodenkapazitäten notwendig sein, wie es im Ersatzschaltbild (Abb. 4.19) für den untersuchten IGBT dargestellt ist.

Einfach ist dies bei der Gate-Emitter-Kapazität CGE . Wie oben beschrieben sind die darin enthaltenen Teilkapazitäten konstant und können folglich gemeinsam mit der Gehäusekapazität zu einem konzentrierten Bauelement mit festem Wert zusammengefaßt werden.

Die gleiche Problematik ist für die die Millerkapazität CGC bildenden Teilkapazitäten zu lösen. Die nichtlineare Kapazität wird wesentlich durch die Sperrschichtkapazität CGD* geprägt. Mit den Gleichungen (4.29) und (4.30) können die Beziehungen zur Bestimmungsgleichung der Sperrschichtkapazität hergestellt werden. Im gesperrten Zustand gilt näherungsweise VGD* = VGC:

mit:


Die in der Kapazitätskennlinie vorhandene Verschiebung parallel zur Ordinate (Abb. 4.20) ist, wie im Kap. 3.3 beschrieben, durch eine Gleichspannungsquelle mit dem Wert VCGC erreichbar. Außerdem muß der Wert der Kapazität für VGC - VCGC -> VD begrenzt werden. Dies kann bereits in dem vordefinierten Kapazitätsmodell gelöst sein oder muß durch den Modellierer selbst geschehen. Eine Reihenschaltung dieser Sperrschichtkapazität mit einer konstanten Kapazität (Cox = CGC(max) ) ist allein nicht möglich, da dies die Arbeitspunktberechnung für den Simulator erheblich erschwert.

Die mit einem Kleinsignalmeßverfahren ermittelbare Kollektor-Emitter-Kapazität CCE spielt für das Schaltverhalten des IGBT eine untergeordnete Rolle. Zwischen den Ausgangsklemmen des IGBT liegt die Bipolarstruktur mit einem pn-Übergang in sperrender Richtung und einem in Durchlaßrichtung. Eine Umkehrung der Funktion gehört nicht zu den betriebsmäßigen Zuständen des IGBT. Da ihre Spannungsabhängigkeit im wesentlichen durch die Ladung der Raumladungszone beeinflußt wird, ist eine Modellierung als Sperrschichtkapazität über dem in Sperrichtung liegendem pn-Übergang legitim.
Anders verhält es sich mit den während des Stromflusses im Basisgebiet gespeicherten Ladungen. Da deren Auswirkungen im transienten Verhalten im wesentlichen auf den Tailstrom beschränkt bleibt, ist eine von CCE gesonderte Modellierung möglich und notwendig. Heutige Generationen der IGBT zeichnen sich durch ein verbessertes Tailstromverhalten aus, die Ströme sind wesentlich kleiner als bei den ersten Generationen. Da der Tailstrom nicht mehr die bedeutende Rolle im Schaltverhalten spielt, ist eine Vereinfachung bei der Modellierung möglich. Im einfachsten Fall kann dies in der Umgebung eines gegebenen Arbeitspunktes mit einer Reihenschaltung von Rtail und Ctail realisiert werden. Der Stromfluß ergibt sich dann nach Gl. (4.35) durch die Beziehung:

Diese Art von Modellierung ist mit Fehlern behaftet. Die Ausgangskapazität des Modells liegt bei einer solchen Parametrisierung über dem meßbaren Wert. Für einen neuen Arbeitspunkt müssen wegen der Strom- und Spannungsabhängikeit von Itail beide Bauelemente neu parametrisiert werden.

Für eine umfassendere Modellierung mit mehreren Abhängigkeiten ist eine Berechnung außerhalb des eigentlichen Modells notwendig. In Netzwerksimulatoren kann das in einem Hilfsnetzwerk erfolgen. Der Zeitverlauf des Stroms in Gl. (4.35) kann auch durch einen induktiven Strom interpretiert werden. Zur Modellierung wird mit Hilfe einer ausdrucksgesteuerten Quelle und einer aus Meßreihen und den Gleichungen (4.19) und (4.21) gewonnenen semiempirischen Gleichung

der Kniestrom in eine Induktivität eingeprägt. Zur Nachbildung des Tailstrom wird der nach dem Abschalten freilaufende Strom parallel zum statischen IGBT-Modell eingespeist.

4.3.3 Modellierung von parasitären Elementen


Im Modellansatz aus der Halbleiterstruktur sind parasitäre Elemente nicht enthalten. Die Gehäusekapazitäten sind in den Interelektrodenkapazitäten enthalten und wurden bei der Modellierung berücksichtigt. Nicht erfaßt wurden die Bonddrähte und Anschlußstücke. Auf Grund der großen Stromänderungen im Lastkreis sind deren Induktivitäten nicht zu vernachlässigen. Die parasitären Induktivitäten eines IGBT in Modulbauweise lassen sich nach einer Analyse des internen Aufbaus auf die in Abb. 4.22a) dargestellte Weise unterteilen. Zur Modellierung sind im Interesse des Simulationszeitbedarfs und der Parametrisierung Vereinfachungen vorzunehmen (Abb. 4.22b) ).
 
 

Die Streuinduktivitäten sind als weitere Ersatzschaltelemente in Reihe zum statischen Modell zu schalten (Abb 4.23). Bei genauerer Betrachtung müßten diese sogar als gekoppelt modelliert werden, dies ist aber im Rahmen eines Modells für die Schaltungsanalyse nicht zu realisieren. Die Gateanschlußleitungen besitzen ebenfalls eine parasitäre Induktivität. Die spielt aber bei der Analyse transienter Vorgänge eine untergeordnete Rolle, da im Ansteuerkreis im Gegensatz zum Lastkreis mit geringeren Strömen und Stromanstiegen gearbeitet wird.

Der statische Eingangsstrom eines spannungsgesteuerten Leistungshalbleiters liegt bei einigen µA und kann mit Hilfe eines Parallelwiderstandes zu CGE modelliert werden. Wegen der geringen Bedeutung wurde dieser Strom nicht im Modell berücksichtigt und der statische Eingangswiderstand RGin(s) weggelassen. Anders ist es beim dynamischen Gateinnenwiderstand RGin, bei dem eine Vernachlässigung besonders bei Verwendung sehr kleiner Gatevorwiderstände zu falschen Schaltzeiten und veränderten Schaltflanken führen kann. Seine Modellierung erfolgt als konstanter Widerstand.



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4.4 Temperaturabhängige Modellierung

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Wie bei der Beschreibung des Bauelementes erläutert, ändern sich einige der statischen und dynamischen Eigenschaften durch Temperaturschwankungen. Die Modellierung kann mit einer vorher angenommenen konstanten Temperatur erfolgen oder durch Berechnung der Eigenerwärmung aus den im Bauelement erzeugten Verlusten. Einleitend folgen noch einige Wort zur Notwendigkeit einer temperaturabhängigen Modellierung von diskreten Leistungshalbleitern.

Die oft aufgestellte Behauptung, daß eine aussagefähige Simulation ohne Berücksichtigung von Eigenerwärmungseffekten in der Leistungselektronik nicht möglich sei, gilt nur bedingt. Niemand kann es sich leisten, den Erwärmungsvorgang von Raumtemperatur auf Betriebstemperatur bei einem Wechselrichter unter Verwendung von dynamischen Halbleitermodellen zu simulieren. Die Zeitkonstanten von Kühlkörpern für Halbleitermodule liegen im Minutenbereich. Die Diskrepanz zwischen den thermischen Zeitkonstanten und den Zeitkonstanten von Strom und Spannung im Wechselrichter ist mit Unterschieden von 106...108 viel zu groß. Es ist also auf alle Fälle Parametrisierungsaufwand notwendig, um eine thermische Ersatzschaltung auf den betriebsmäßig erwärmten Zustand zu setzen. Dieser Aufwand ist aber mit dem einer Modellparametrisierung für eine neue, konstante Temperatur ohne Eigenerwärmung vergleichbar. Auf diese Weise sinkt der Simulationsaufwand erheblich (kleinere Modelle mit geringerem Rechenzeitbedarf), so daß diese Methode unbedingt vorzuziehen ist.

Was bleibt, ist die Temperaturschwankung um die Betriebstemperatur bei einem einzelnen Lastimpuls und für eine ganze Periode des Laststromes (z.B. WR mit PWM). Wirksam ist dabei nur die thermische Impedanz zwischen Chip und Modulgehäuse. Die Temperatur im und am Kühlkörper kann wegen der hohen Zeitkonstante als konstant angesehen werden. Unter diesen Voraussetzungen ändert sich die Chiptemperatur während eines Einschaltimpulses (z.B. tein = 100µs, IC = IC(nenn) = 50A, VCE(sat) = 3V, Zthjc(t)/PV <=  0.01°C/W) um höchsten 1,5°C. Die damit verbundenen Parameteränderungen können vernachlässigt werden. Wesentlich größer ist der Unterschied, falls ein Bauelement in einem Wechselrichter nur während einer halben Phase des Laststroms im Einsatz ist. Dann können Temperaturänderungen bis zu 25°C auftreten (fWR = 50Hz, I(max) = 50A) /Hefner/. Dies ergibt bei NPT-IGBT dieser Stromklasse beim kritischsten Parameter VCE(sat) eine Änderung von ca. 0,2V. Der Wert ist immer noch wesentlich kleiner als die Bauelementestreuung dieses Parameters (>0,5V) bei konstanter Temperatur /Semikron/. Es muß also auch hier abgewogen werden, ob sich der Aufwand einer temperaturabhängigen Modellierung lohnt, oder ob es nicht ausreicht, die größeren Schaltverluste bei PT-IGBT und größere Durchlaßverluste bei NPT durch einen konstanten Faktor bei der Parametrisierung zu berücksichtigen.
Im folgenden sollen die beiden Möglichkeiten der temperaturabhängigen Modellierung erläutert werden.

4.4.1 Berücksichtigung einer konstanten globalen Temperatur

Die Eingabe von Parametern der voraussichtlichen Betriebstemperatur bei der Parametrisierung ist problemlos. Es werden die für die gewählte Temperatur gültigen statischen Kennlinien den Ersatzschaltelementen zugeordnet. Zur Beeinflussung der Schaltzeiten des PT-IGBT wird der Gateinnenwiderstand RGin nach Gl. (4.26) und der Kniestrom Itail0 nach Gl. (4.25) um einen temperaturproportionalen Betrag verändert.

4.4.2 Modellierung der Eigenerwärmung

Für ein Modell mit Berücksichtigung der Eigenerwärmung muß zunächst die Chiptemperatur aus den Verlusten im Bauelement, dessen thermischen Widerstand und der Umgebungstemperatur berechnet werden. Das am häufigsten verwendete Berechnungsverfahren ist die Temperaturbestimmung über thermische Ersatzschaltungen (Kap. 3.1.1.2). Das Bauelement bekommt in diesem Fall zusätzlich zu den elektrischen Anschlüssen noch einen thermischen Knoten. Das Modell muß vom Nutzer um Kühlkörper und Übergangswiderstände ergänzt werden. Alle temperaturabhängig modellierten Parameter werden bei jedem Simulationsschritt für die aktuelle Chiptemperatur neu berechnet, auch wenn nur eine Änderung um Bruchteile auftritt. Dadurch erhöht sich der Rechenaufwand für die Gesamtschaltung enorm.

Der Weg zur Modellierung der Eigenerwärmung soll am Beispiel der Sättigungskennlinie und des Gateinnenwiderstandes gezeigt werden. Ausgangspunkt sind die Größen bei Zimmertemperatur, da für diese die meisten Datenblattwerte gelten. Zweite Bezugsgröße ist ein ebenfalls dem Datenblatt zu entnehmender Wert im hohen Temperaturbereich. Zwischen den Werten ist mit guter Näherung eine lineare Interpolation möglich /Bober/. Bei der Verwendung von vorgefertigten HL-Bauelementen mit temperaturabhängigen Parametern (PSpice) ist die globale Temperaturabhängigkeit zu kompensieren. Außerdem ist zu beachten, daß ein Einsatz des Modells auch bei geringeren Temperaturen denkbar ist und die negative Temperaturdifferenz nicht zu undefinierten Zuständen führen darf. Daraus folgt, daß die Verwendung von zusätzlichen temperaturabhängigen Widerständen zu den bereits eingesetzten statischen Widerständen nicht geeignet ist. Besser ist es, den Widerstand selbst temperaturabhängig zu modellieren oder eine gesteuerte Spannungsquelle einzusetzen. Sie wirkt auch wie ein Widerstand und kann problemlos einen negativen Wert annehmen.

Bei dem für die Sättigungskennlinie verwendeten Verfahren, diese durch Eingabe einer Liste von Wertepaaren zur modellieren, ist eine direkt Realisierung des Temperatureinflusses nicht möglich. Eine allgemeingültige Lösung, die auch, wie beim PT-IGBT, den Wechsel des Temperaturkoeffizient in Abhängigkeit von der Höhe des Kollektorstroms zuläßt, ist in Abb. 4.24 dargestellt. In einem Hilfsnetzwerk wird die Spannungsdifferenz der aus dem Datenblatt bekannten Sättigungskennlinien für 25°C und 125°C für den aktuell fließenden Strom ermittelt. Diese Spannungsdifferenz wird mit der in der thermischen Ersatzschaltung ermittelten Spannung Vj für die Chiptemperatur gewichtet und als zusätzliche Spannungsquelle in das statische Modell eingefügt.

Beim NPT-IGBT dominiert der Bahnwiderstand des Basisgebietes das Temperaturverhalten. Er besitzt dadurch näherungsweise ein einheitliches Temperaturverhalten über den gesamten Strombereich. Dies vereinfacht die Modellierung, da nur eine stromgesteuerte Spannungsquelle mit einem temperaturabhängigen Proportionalitätsfaktor eingefügt werden braucht.

Der Gateinnenwiderstand hat einen positiven Temperaturkoeffizient. Hier kann ein ausdrucksgesteuertes Bauelement eingesetzt werden. Probleme mit negativen Temperaturen werden durch eine quadratische Komponente in der Widerstandsgleichung beseitigt.