In der Art der Parametergewinnung ist zu unterscheiden ob sie bei der Modellerstellung oder beim Nutzer erfolgen soll. Während bei der Modellerstellung Parametermessungen unvermeidbar sind, um einen späteren Vergleich von Simulationsdaten mit dem ausgemessenen Bauelement zur Verifikation zu ermöglichen, stellt der mit einer meßtechnischen Parametrisierung verbundene Aufwand für den Anwender oft ein Problem dar.
Leichter und für jedermann zugänglich sind die von den Herstellern gelieferten Datenblätter. Mit den darin enthaltenen Kennlinien und Kennwerten sollte eine schnelle, wenn auch nur grobe Parametrisierung möglich sein. Kennwerte aus Datenblättern haben meist worst-case-Charakter, so daß zum Teil erhebliche Abweichungen zwischen Datenblattangabe und ausgemessenem Bauelement bestehen. Der Gesamtfehler der Modelle setzt sich dann aus dem Modellfehler und den typischen Datenblatt-Toleranzen zusammen. Umfang und Art des bereitgestellten Materials weicht von Hersteller zu Hersteller stark voneinander ab. Oft sind deshalb nicht alle zur Modellierung notwendigen Angaben enthalten und müssen notfalls durch Schätzungen ergänzt werden.
Der bessere Weg sind Ergänzungen durch gemessene Werte. Für
die meist einfachen Meßverfahren sind als Mindestvoraussetzung ein
Digitalspeicheroszilloskop
DSO, Pulsgenerator und Stromversorgungsgeräte notwendig.
Die nachfolgend beispielhaft angeführten Datenblattwerte und am
Bauelement vorgenommenen Messungen beziehen sich auf ein NPT-IGBT Modul
SKM50GB101D mit den Nennwerten IC =50A und VCE =1000V
von der Firma Semikron /Semikron/.
Zur meßtechnischen Bestimmung werden kurze Einzelimpulse unterschiedlicher
Stromhöhe bei konstanter Ansteuerspannung VGE = 15V und
Zwischenkreisspannung VCC = 20V geschaltet. Als Meßschaltung
ist der Tiefsetzsteller einsetzbar. Als schnelle Methode mit 2..3 Einzelmessungen
kann bei den Einschaltimpulse mit unterschiedlichen, geringen induktiven
Lasten gearbeitet werden. Die Lastinduktivitäten sorgen für einen
nahezu konstanten Stromanstieg. Somit ist es möglich, über einen
großen Bereich den gemessenen IC-Werten die dazugehörigen
Werte von VCE zuzuordnen. Durch LCE und Leitwertmodulation
( = LCE*
) wird vom Stromanstieg eine zu hohe Spannung verursacht. Die Ergebnisse
sind um den entstandenen Fehler zu korrigieren.
Er ist für einen Stromanstieg <1A/µs vernachlässigbar,
kann aber schon bei di/dt > 10A/µs einige 100mV betragen.
Exakter sind die Meßergebnisse nach Erreichen des stationären
Endwertes des Stroms. Um diesen bei der kurzen Einschaltdauer schnell zu
erreichen, ist hier ein induktivitätsarmer Lastkreis aufzubauen. Die
Höhe des Stromimpulses ist durch Wechseln des Lastwiderstandes oder
komfortabler durch eine Reihenschaltung zweier IGBT (siehe
Kap. 3.4) zu variieren. Bei der zweiten Methode kann mit der Höhe
der Gatespannungsimpulse des vorgeschalteten Schutz-IGBT der Strom stufenlos
eingestellt werden. Das auszumessende Bauelement wird nicht abgeschaltet,
so daß dessen Kollektor-Emitter-Spannung VCE niedrig bleibt.
Als Vorteil ist eine hohe Auflösung des interessierenden Spannungsbereichs
am DSO möglich.
Aus der Meßreihe von Einzelimpulsen sind aus den oszillographierten
Werten des Stromes IC und der VCE die Wertepaare
für die Kennlinie auszulesen (Abb. 4.25/26). Eine Automatisierung
ist mit einer Folge von Gatespannungsimpulsen mit steigender Amplitude
möglich. Die Werte der dadurch kontinuierlich zunehmenden Stromwerte
werden den gleichzeitig oszillographierten Spannungswerten VCE(sat)
zugeordnet und gemeinsam als Kennlinie ausgegeben.
Zur temperaturabhängigen Modellierung sind zwei Kennlinien bei
Raumtemperatur und bei einer Temperatur knapp unterhalb von j(max)
aufzunehmen. Für die Bestimmung der temperaturabhängigen Durchlaßspannung
ist nach /Bober/ eine lineare Interpolation zwischen
den Grenzwerten ausreichend.
Bei allen Versuchen ist VCE relativ klein ( 20V),
die Temperatur und die Gatespannung (=15V) ist für alle Versuche konstant.
Der Anstieg der Kennlinien ändert sich im Bereich kleiner Ströme
am meisten. Bei der Übernahme der Funktionen als Wertepaare sind in
diesem Bereich möglichst viele Punkte zu setzen, um das Konvergenzverhalten
während der Simulation zu verbessern.
Im Blockierzustand des IGBT (VGE < VGE(th) , VCE > 0) fließt ein Reststrom, der meist als Einzelwert für eine bestimmte Spannung VCE und unterschiedliche Temperaturen gegeben ist. Er ist sehr gering und stellt an die Modellierung keine hohen Genauigkeitsanforderungen. Von größerer Bedeutung ist die Durchbruchsspannung VCES(BR). Zur Modellierung sollte die maximal zulässige Sperrspannung VCES ausgewählt werden, da sie als eine Art Garantieerklärung des Herstellers, eine Grenze für den Einsatz des Bauelementes darstellt. Auf eine meßtechnische Bestimmung der tatsächlichen Durchbruchsspannung kann verzichtet werden.
Die Rückwärtssperrfähigkeit spielt nur bei diskreten IGBT eine Rolle. In Modulbauweise verhindert die interne Freilaufdiode den Aufbau einer Sperrspannung. Für die Durchbruchsspannung in Sperrichtung gilt das gleiche in bezug auf die Verwendung der max. zulässige Spannung, wie für den Blockierzustand.
Die meßtechnische Aufnahme erfolgt punktweise bis ca. 0,1IC
als stationärer Strom und für größere Stromwerte in
Kurzschlußversuchen. Die veränderliche (einstellbare) Größe
ist die Gatespannung. Jedem eingestellten Wert VGE wird der
stationäre Endwert des Kurzschlußstromes zum Wertepaar zugeordnet
(siehe Abb. 4.27/28). Als Meßschaltung dient ein Tiefsetzsteller
(Kap. 3.4.2)
mit kurzgeschlossener Last. Die Messungen sind als Einzelimpulse mit kurzer
Einschaltdauer vorzunehmen, um Einflüsse der Eigenerwärmung vernachlässigen
zu können. Ein möglichst kleiner Gatevorwiderstand
(RG < 10 ) und eine induktivitätsarme äußere
Beschaltung ist für ein ausreichend schnelles Erreichen des Endwertes
von IC notwendig. Die Kollektor-Emitter-Spannung VCE
ist bei allen Versuchen konstant zu halten, ein üblicher Wert liegt
bei 30V. In einem Kennlinienschreiber wird die Meßreihe automatisiert.
Einer Folge von Gatespannungsimpulsen mit steigender Amplitude werden die
gleichzeitig gemessenen Stromwerte zugeordnet und gemeinsam als Kennlinie
ausgegeben.
Die Transferkennlinie ist leicht temperaturabhängig. Für
den Großteil der Anwendungen im positiven Temperaturbereich sind
2 Kennlinien mit unterschiedlichen Temperaturen ausreichend. Zwischen den
Wertepaaren kann interpoliert werden.
Mit den bekannten Werten von CGC kann durch Umstellen der
Gleichungen (4.41) und (4.43) die Kollektor-Emitterkapazität CCE
aus der Ausgangskapazität und die Gate-Emitter-Kapazität CGE
aus der Eingangskapazität berechnet werden. Im positiven Spannungsbereich
beschränkt sich CGE auf die Gate-Source-Oxidschichtkapazität
der MOSFET-Struktur und ist folglich im dargestellten ausgemessenen Bereich
konstant. Im negativen Spannungsbereich (keine Datenblattangaben bekannt)
kommt es zusätzlich zu einer Akkumulation von Ladungsträgern
zwischen p+ -Bodylayer und Gate, so daß sich die wirksame
Gesamtkapazität vergrößert. Als Ergebnis eigener Messungen
konnte ungefähr einer Verdopplung von CGE im Bereich bis
VGE =-15V ermittelt werden. In /Budihardjo/
ist eine ähnliche Abhängigkeit dokumentiert.
Die zur Modellierung der Gate-Kollektor-Kapazität CGC
notwenigen Angaben im Bereich positiver Spannungen VGC (VGE
> VCE ) sind aus den CV-Kurven nicht zu ermitteln. Nach /Behr/
erreicht die Millerkapazität aber ihren Maximalwert erst bei ca. 2...3V.
Zur Lösung des Problems wird die Gateladungskurve (Abb 4.31) bzw.
das Meßergebnis eines Konstantstromversuches herangezogen (siehe
Kap. 3.4). Daraus sind Maximal- und Minimalwert von CGC
und CGE unter Betriebsbedingungen zu berechnen.
In den linearen Teilabschnitten in Abb. 4.31 kann die Beziehung für
den Gateeingang
auf jeweils einen Summanden reduziert werden. Im ersten Zeitabschnitt
kann bei konstanter Spannung über den Ausgangsklemmen die Gesamteingangskapazität
bestimmt werden:
Im Fall einer konstanten Spannung zwischen Gate und Hilfsemitter, wie
im zweiten Zeitabschnitt, ist CGC mit Gleichung (4.46) bestimmbar.
Die schnelle Spannungsänderung von VCE ist möglich,
da CGC noch seinen Minimalwert besitzt:
Mit dem Zusammenbrechen von VCE nimmt CGC schnell
den Maximalwert an. Diese Kapazität ist bei immer noch konstanter
Spannung VGE aus den Werten des dritten Zeitabschnitts zu berechnen:
Die Eingangskapazität Cies des Modells setzt sich aus
CGE und CGC zusammen. Folglich ergibt sich für
CGE :
Der Wendepunkt im Kurvenverlauf der Millerkapazität, der zur Parametrisierung
der Gleichspannungsquelle im Modell notwendig ist, kann aus den Spannungen
des Konstantstromversuches zum Zeitpunkt t2 berechnet werden.
Voraussetzung ist ein vernachlässigbar kleiner Kollektorstrom. Aus
dem Knick in VCE wird ersichtlich, daß ab diesem Spannungswert
eine größere Kapazität wirkt.
Für das ausgemessene Bauelement wurden die Kapazitätswerte:
CGE0 = 7,6nF; CCE0 = 2nF; CGC(min) = 200pF
und CGC(max) = 15.2nF ermittelt. VCGC lag bei 2,3V.
Es waren keine Temperaturabhängigkeiten bei den Kapazitäten meßtechnisch
nachweisbar.
Durch Anlegen einer Tangente an die Exponentialfunktion wird THI bestimmt (Abb. 4.32). Mit den nun bekannten Größen Itail0 und THI können die zur Modellierung eingesetzten Ersatzschaltelemente dimensioniert werden.
Nachteilig ist, daß die Auswertung nur per Hand erfolgen
kann. Die unvermeidbare, von den Streuinduktivitäten verursachte
Spannungsspitze beim Ausschalten erzeugt ein Unterschwingen
im Tailstromverlauf, so daß durch Hineinlegen einer Exponentialfunktion
der Kniestrom abgeschätzt werden muß.
Bei einem solchen Verfahren kommt zu den Meßfehlern
(Offset, Auflösung des DSO) ein hoher Fehler durch die
Auswertung hinzu. Eine sehr genaue Modellierung ist aus diesem
Grund nicht möglich. Durch eine Anpassung der Modellparameter
nach einer Probesimulation kann der Fehler reduziert werden.
Eine hohe Präzision bei der Tailstrommodellierung ist wegen
der vorhandenen großen Bauelementestreuung und der immer
geringer werdenden Bedeutung des Tailstroms nicht notwendig.
Für die komplexere Modellierung mit Hilfsnetzwerk sind die Abhängigkeiten des Kniestroms vom Kollektorstrom IC0 von vor dem Abschalten, der anliegenden Sperrspannung nach dem Schalten und der Temperatur zu bestimmen. Dies ist nur durch Oszillographieren des Ausschaltvorgangs unter verschiedenen Einsatzbedingungen möglich. Für den untersuchten NPT-IGBT wurden die in Abb. 4.33 dargestellten Zusammenhänge gemessen. Eine Temperaturabhängigkeit lag nicht vor.
Wegen der geringen Spannungsdifferenz im Zähler und der Unsicherheiten bei der Bestimmung der statischen Gatespannung besteht bei dieser Meßmethode die Gefahr eines relativ großen Fehlers. Es werden daher mit der beschriebenen Methode nur Richtwerte bestimmt, welche aber zur Modellierung ausreichend sein sollten.
Mit der Annahme, daß sich die Spannung VCE aus den
3 Teilspannungen nach Gleichung (4.53) zusammensetzt,
läßt sich aus der Spannungsdifferenz bei gleichem Strom
IC die Gesamtinduktivität berechnen:
Für das untersuchte Modul wurde LCE*
130nH ermittelt. Wie im Kap.
4.1.3.1 erläutert wurde, setzt sich die aus dem Spannungsabfall
ermittelte scheinbare Induktivität LCE* aus den physikalisch
real vorhandenen Induktivitäten der Anschlußverbindungen LC
+ LE1 + LE2 = LCE und einem induktiv wirkenden
Anteil des Bahnwiderstandes LLwm des Halbleiters zusammen. Die
modellinterne Induktivität muß daher nicht zwangsläufig
mit der physikalisch realen Induktivität der Anschlüsse übereinstimmen.
Eine Aufteilung in Teilinduktivitäten, wie im Modell verwendet, ist nur durch Abschätzung anhand der Größenverhältnisse im Modulaufbau in bezug auf die zwei ermittelten Werte möglich. Da die Leiterlänge von der Grundplatte bis zu den äußeren Anschlußklemmen ungefähr gleich lang sind, wird LC = LE2 = 11nH gesetzt. Die im Ansteuerkreis liegenden Bonddrähte werden mit LE1 = 5nH abgeschätzt. Die Differenz zu LCE* = 130nH ist auf die Wirkung der LWM zurückzuführen.
Abweichungen zwischen Simulation und Realität können durch Fehler im Modell oder durch Streuung der Parameter auftreten. Deshalb ist das zur Simulation verwendete Modell ausschließlich mit Meßdaten zu parametrisieren. Nur so sind in den Ergebnissen Abweichungen durch die stets vorhandene Parameterstreuung zwischen Bauelement und Datenblatt auszuschließen und kann der durch das Modell bedingte Fehler eingeschätzt werden. Als Ergebnis der Verifikation sind Modellfehler und Einsatzgrenzen zu spezifizieren.
Die wichtigste Kennlinie zur Charakterisierung der Kapazitäten
im Modell und damit des Schaltverhaltens ist die Gateladungskurve. Sie
ist gleichbedeutend mit dem im Konstantstromversuch gewonnenen Kurvenverlauf.
In der Simulationsschaltung (Abb. 4.40) wird ähnlich wie im praktischen
Versuch mit einer Stromquelle ein konstanter Strom in das Gate eingespeist
und der Anstieg der Spannungen mit den oszillographierten Werten verglichen
(Abb. 4.39).
Mit den im Modell realisierten Kapazitäten werden die Ladungsänderungen
während eines Schaltvorgangs richtig beschrieben. Die Änderungen
im Anstieg der Spannungen entstehen durch die Spannungsabhängigkeit
der Kapazitäten. Wegen der Parametrisierung aus den Meßdaten
sind bei der Simulation kaum Unterschiede zu den Flanken der gemessenen
Spannungen festzustellen.
Anschließend an den Vergleich der im Modell realisierten Eigenschaften gehört im Rahmen der Verifikation eine Liste der nicht modellierten Eigenschaften. Für das hier erstellte IGBT-Modell betrifft das die Durchbruchsspannungen, die Eigenerwärmung und die dynamische Leitwertmodulation.
Das Schaltverhalten des IGBT wird stark durch den Gatevorwiderstand
RG beeinflußt. Über ihn wird die Höhe des Gatestromes,
der zum Umladen der Bauelementekapazitäten notwendig ist, begrenzt
und damit die Schaltgeschwindigkeit eingestellt. Eine Erhöhung von
RG (Bsp. RG = 6 -> RG = 47 in Abb.
4.43) führt zu längeren Schaltzeiten, zu flacheren Schaltflanken
und zu höheren Schaltverlusten. Diese Eigenschaft wird vom Modell
richtig wiedergegeben. Die angesprochenen Auswirkungen treten gleichermaßen
in Messung und Simulation auf. Damit ist der Nachweis für eine richtige
Modelierung der über das Gate gesteuerten Ladungen erbracht.
Die zweite Einflußgröße der Ansteuerung ist die Höhe
der Ansteuerspannung VGG. Eine Verringerung führt zunächst
wegen der geringeren Spannungsdifferenz beim Einschalten zu einem kleineren
Gatestrom und damit zu einem langsameren Schaltvorgang. Beim Ausschalten
müssen bis zum Erreichen der Schwellspannung weniger Ladungen abgeführt
werden, so daß der Schaltzeitpunkt eher erreicht wird (Bsp. VGG
= 10V in Abb. 4.44). Bei einer weiteren Reduzierung begrenzt die Gatespannung
den Kollektorstrom. Der IGBT entsättigt, wodurch die Kollektor-Emitter-Spannung
und folglich auch die Verluste steigen (Bsp. VGG = 8V). Die
Kurvenverläufe von Simulation und Messung sind in den abgebildeten
Beispielen fast identisch. Das Übertragungsverhalten wird auch bei
transienten Vorgängen vom Modell realitätsgetreu wiedergegeben.
Der Einfluß der Gatespannung auf VCE im Zustand der Sättigung
ist vernachlässigbar klein.
Zum Test verschiedener Arbeitspunkte im SOA gehört ein Vergleich
von Simulationsergebnissen mit Messungen bei unterschiedlichen Lastspannungen
und -strömen (Abb. 4.45). Die Variation von VCC führt
bei konstantem Lastwiderstand zu unterschiedliche Kollektorströmen.
Während des Schaltvorgangs ergeben sich daraus geringfügige Änderungen
im Gatespannungsplateau und in den Schaltzeiten. Die höhere Schaltleistung
hat steigende Schaltverluste zur Folge. Im leitenden Zustand nehmen die
Durchlaßverluste mit der Größe des Stroms und der damit
verbundenen höheren Sättigungsspannung VCE(sat) zu.
Der Einfluß der unterschiedlichen Belastungen wird vom Modell richtig
wiedergegeben. Die geringfügigen Abweichungen in den Verlustenergien
sind auf die nicht modellierte dynamische Leitwertmodulation zurückzuführen,
die in der Realität etwas größere Verluste nach dem Einschalten
verursacht. Dieser Fehler ist vernachlässigbar, da die Tolleranzen
der Sättigungsspannungen und damit auch der Durchlaßverluste
bis zu 20% betragen.
Die Simulation mit Halbleitermodellen kann besonders vorteilhaft zur
Untersuchung von Havariefällen und kritischen Betriebszuständen
eingesetzt werden. Zerstörungsfrei können Schutzstrategien und
Beschaltungsmaßnahmen entworfen werden. Es bedarf dadurch einer geringeren
Anzahl von Testversuchen. Die Wahrscheinlichkeit der Zerstörung von
Bauelementen in der praktischen Testphase sinkt.
Als extremer Fall der Belastung wurde für eine weitere Messung
der Lastwiderstand kurzgeschlossen und wiederum Meß- und Simulationsdaten
verglichen (Abb. 4.46). Im dargestellten Versuch entsteht über der
noch vorhandenen Streuinduktivität im Lastkreis durch den schnell
ansteigenden Strom ein Spannungsabfall, so daß der IGBT nicht entsättigt.
Damit ist eine der Randbedingungen für den Kurzschluß-Fall 1
(KS1), das Einschalten auf kurzgeschlossene Last, nicht erfüllt. Bei
der Messung konnte die Gleichspannung nicht konstant gehalten werden. Ursachen
sind der große Innenwiderstand der Gleichspannungsquelle und der
nichtideale Stützkondensator. Als Bezugsgröße für
den Datenvergleich wurde deshalb die Spannung über dem Elektrolytkondensator
gewählt. Wie in Abb. 4.46 dargestellt wird, sind die Simulationsergebnisse
mit dem erstellten Modell auch bei extremer Überlast zu Untersuchungen
einsetzbar.
Einen entscheidenden Einfluß auf die Strom- und Spannungsverläufe
bei extremen Änderungen in den transienten Kurvenverläufen, wie
bei Kurzschlüssen, haben parasitäre Elemente im Last- und Ansteuerkreis.
Ein großer Teil der Abweichungen beim Ausschaltvorgang in Abb. 4.46
sind auf eine nicht ausreichende Modellierung dieser Größen
zurückzuführen. Um die vorhandenen Effekte zu verdeutlichen,
wird nachfolgend deren Wirkung anhand von 2 Beispielen mit Simulationsergebnissen
diskutiert.
Im ersten Beispiel ist die Wirkung der Streuinduktivität Ls
(Abb. 4.47) des Schaltungsaufbaus dargestellt. Diese ergibt sich aus den
Verbindungen zwischen Spannungsquelle und IGBT. Mit einer zunehmenden Streuinduktivität
wird der Spannungseinbruch von VCE größer (Abb. 4.48).
Ab ca. 600nH sinkt die Spannung bis in den Bereich der Sättigungsspannung.
Der darauffolgende Anstieg der Spannung führt zu einer Abnahme der
Rückwirkungskapazität. Die überschüssigen Ladungen
fließen über das Gate ab. Der mit dem Gatestrom verbundene Spannungsabfall
über dem Gatevorwiederstand addiert sich zur Gatespannung VGG
und verursacht eine Überhöhung von VGE und damit auch
des Kurzschlußstromes.
Im weiteren Verlauf pegelt sich der Kurzschlußstrom auf den von der Gatespannung begrenzten stationären Endwert ein. Damit entsprechen die Simulationsergebnisse dem theoretisch erwarteten Verhalten. Wichtige Modellparameter sind die Transferkennlinie und die Eingangskapazitäten des Bauelementes. Der Stromanstieg von IC und die Überspannung von VCE werden von Ls bestimmt.
Eine weitere parasitäre Induktivität, die auf das Kurzschlußverhalten
einen entscheidenden Einfluß ausübt, ist die vom Laststrom durchflossene
Induktivität im Ansteuerkreis LE1 (Abb. 4.47). Deren Größe
kann nur abgeschätzt werden, da diese sich aus kurzen Leiterstücken
und aus einer verkoppelten Induktivität über die aufgespannte
Fläche im Ansteuerkreis zusammensetzt. Sie ist in den Halbleitergleichungen
eines physikalisch modellierten IGBT nicht berücksichtigt. Ihre Wirkung
wird besonders im Fall eines Kurzschlusses im eingeschalteten Zustand des
Bauelementes (KS2) sichtbar (Abb. 4.49). Auch in diesem Fall sorgen die
Verschiebeströme über die Millerkapazität für eine
Anhebung der Gate-Emitter-Spannung und dadurch für eine weit über
den stationären Kurzschlußstrom hinausgehende Stromspitze. Die
über der Induktivität LE1 induzierte Spannung ist
der Änderung der Gatespannung sowohl beim Einschalten (=Stromanstieg)
als auch beim Ausschalten entgegengerichtet. Dadurch wirkt sie im Kurzschlußfall
bedämpfend auf die Strom- und Spannungsverläufe von IC
und VCE ein. Im normalen Schaltbetrieb ist der Einfluß
eher gering. Mit einer angenommenen Induktivität von 5nH reduzieren
sich im Simulationsbeispiel die Stromspitze um 35% und die Spannungsspitze
um über 50%.
Die Forderung nach hochgenauen Modellen sollte allerdings nicht zu hoch geschraubt und im Rahmen der technischen Gegebenheiten betrachtet werden. Bei der Bewertung von Simulationsergebnissen ist immer ein Unsicherheitsfaktor von 10...20% zu berücksichtigen. Die wesentlichsten Abweichungen entstehen oft nicht durch Modellierungsfehler, sondern in Folge der produktionsbedingten Parameterschwankungen.
Der Vergleich
des Ausschaltvorgangs in Abb. 4.50 mit einem nach Datenblatt und einem
meßtechnisch parametrisierten Modell verdeutlicht dies. Ursache für
die um 20% größere Ausschaltverzögerung tdoff
sind andere Werte für die Bauelementekapazitäten. Erhebliche
Unterschiede bestehen auch bei der Bestimmung der statischen Verluste.
Nach Datenblatt besitzt das untersuchte Bauelement SKM50GB101D bei Nennstrom
(IC = 50A) und Raumtemperatur eine Durchlaßspannung VCE(sat)
von maximal 3,5V und typisch von 3V, gemessen wurde der Spannungsabfall
von 2,62V. Dies ist eine Abweichung zwischen Maximalwert und Meßwert
von
25%. Da die Durchlaßverluste
(VCE(sat) * IC) auch bei mittleren Schaltfrequenzen
(<= 10kHz) noch bis zu 60% zu den Gesamtverlusten beitragen, ergeben
sich für die Gesamtverlustenergiebilanz Toleranzen von bis zu 15%.
Wird dies bei der Beurteilung der erreichten Simulationsergebnisse berücksichtigt,
ist mancher vordergründig als gravierend bezeichneter Mangel als geringfügig
zu bezeichnen. Daraus ergibt sich die Berechtigung, bei Modellen zur Schaltungsanalyse
einige Feinheiten, beispielsweise im Schaltverhalten, zu vernachlässigen.
Bei der Verhaltensmodellierung ist es so möglich, sich auf die wesentlichen
Eigenschaften eines Bauelementes zu beschränken.
Anfang
Inhaltsverzeichnis
5 Anwendung des Verfahrens auf weitere Leistungshalbleiter
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