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4.5 Parametrisierung

4.5.1 Einfluß der Parameter auf die Modellierung

Bereits zu Beginn der Modellierung muß beim Aufbau einer Modellstruktur berücksichtigt werden, welche Daten dem vermeintlichen Nutzer der Modelle zur Parametrisierung zur Verfügung stehen. Für den Entwicklungsingenieur sind dies in erster Linie Datenblätter oder einfache Messungen. Dagegen kann auf Angaben über die Dotierungsprofile und den geometrischen Aufbau des Halbleitermaterials in der Regel nicht zurückgegriffen werden. Alle verfügbaren Daten werden somit letztlich aus Messungen extrahiert, die von den Anschlüssen aus in das Bauelement hinein sein Verhalten unter bestimmten Umgebungsbedingungen untersuchen. Auch wegen dieser Voraussetzung ist eine Modellierung des Verhalten vom untersuchten Bauelement logisch und sinnvoll. Aus den vorhandenen Parametern ist eine Auswahl zu treffen, die
  1. in durchschnittlich dokumentierten Datenblättern enthalten sind oder bei Bedarf mit einfachen Meßaufbauten gewonnen werden können,
  2. das charakteristische Verhalten des Bauelementes wiedergeben und
  3. sich leicht in ein Simulationssystem einbinden lassen.
Parameter, die mehrere Eigenschaften des Bauelementes beeinflussen, sind zu vermeiden, da dann Optimierungen notwendig werden, deren Umfang schnell mit der Anzahl der voneinander abhängigen Größen zunimmt.

In der Art der Parametergewinnung ist zu unterscheiden ob sie bei der Modellerstellung oder beim Nutzer erfolgen soll. Während bei der Modellerstellung Parametermessungen unvermeidbar sind, um einen späteren Vergleich von Simulationsdaten mit dem ausgemessenen Bauelement zur Verifikation zu ermöglichen, stellt der mit einer meßtechnischen Parametrisierung verbundene Aufwand für den Anwender oft ein Problem dar.

Leichter und für jedermann zugänglich sind die von den Herstellern gelieferten Datenblätter. Mit den darin enthaltenen Kennlinien und Kennwerten sollte eine schnelle, wenn auch nur grobe Parametrisierung möglich sein. Kennwerte aus Datenblättern haben meist worst-case-Charakter, so daß zum Teil erhebliche Abweichungen zwischen Datenblattangabe und ausgemessenem Bauelement bestehen. Der Gesamtfehler der Modelle setzt sich dann aus dem Modellfehler und den typischen Datenblatt-Toleranzen zusammen. Umfang und Art des bereitgestellten Materials weicht von Hersteller zu Hersteller stark voneinander ab. Oft sind deshalb nicht alle zur Modellierung notwendigen Angaben enthalten und müssen notfalls durch Schätzungen ergänzt werden.

Der bessere Weg sind Ergänzungen durch gemessene Werte. Für die meist einfachen Meßverfahren sind als Mindestvoraussetzung ein Digitalspeicheroszilloskop DSO, Pulsgenerator und Stromversorgungsgeräte notwendig.
Die nachfolgend beispielhaft angeführten Datenblattwerte und am Bauelement vorgenommenen Messungen beziehen sich auf ein NPT-IGBT Modul SKM50GB101D mit den Nennwerten IC =50A und VCE =1000V von der Firma Semikron /Semikron/

4.5.2 Statische Parameter

Zur statischen Beschreibung eines Leistungshalbleiters sind die Beziehungen von Strom und Spannung an den Anschlüssen und sein Übertragungsverhalten zu ermittelt und an das Modell zu übergeben. Wie im Kap. 4.2 festgestellt wurde, sind für den IGBT die Transferkennlinie zur Beschreibung des Übertragungsverhaltens und die Sättigungskennlinie zur Beschreibung des Ausgangsverhaltens maßgeblich. Die Beziehungen am Eingang beschränken sich auf Grund des isolierten Gates auf die Angabe eines Leckstroms IGES. Dieser liegt im nA-Bereich und ist für Simulation leistungselektronischer Schaltungen ohne Bedeutung. Der Parameter liegt als Datenblattwert vor. Der IGBT ist statisch rückwirkungsfrei. Es gibt keine Parameter.
4.5.2.1 Ausgangsverhalten
Hierbei handelt es sich um den Kollektorstrom als Funktion der Kollektor-Emitter-Spannung IC =  f(VCE). Im normalen Betrieb sind der leitende, der sperrende und der Blockierzustand zu unterscheiden. Im leitenden Zustand wird die Strom-Spannungs-Beziehung in Anlehnung an den Bipolartransistor als Sättigungskennlinie bezeichnet. Sie entspricht dem statischen Spannungsabfall des IGBT im gesättigten Zustand. Sie ist außerdem eine Funktion der Gatespannung, insbesondere bei kleinen Spannungen VGE . Für Werte in Nähe der Nenngatespannung = 15V ist diese Abhängigkeit geringer als die vorhandene Parameterstreuung zwischen den Bauelementen und kann vernachlässigt werden. Die Kennlinie ist dem Datenblatt direkt als Sättigungskennlinie oder dem Ausgangskennlinienfeld für VGE = VGE(nenn) zu entnehmen.

Zur meßtechnischen Bestimmung werden kurze Einzelimpulse unterschiedlicher Stromhöhe bei konstanter Ansteuerspannung VGE = 15V und Zwischenkreisspannung VCC = 20V geschaltet. Als Meßschaltung ist der Tiefsetzsteller einsetzbar. Als schnelle Methode mit 2..3 Einzelmessungen kann bei den Einschaltimpulse mit unterschiedlichen, geringen induktiven Lasten gearbeitet werden. Die Lastinduktivitäten sorgen für einen nahezu konstanten Stromanstieg. Somit ist es möglich, über einen großen Bereich den gemessenen IC-Werten die dazugehörigen Werte von VCE zuzuordnen. Durch LCE und Leitwertmodulation (  = LCE* ) wird vom Stromanstieg eine zu hohe Spannung verursacht. Die Ergebnisse sind um den entstandenen Fehler zu korrigieren.

Er ist für einen Stromanstieg <1A/µs vernachlässigbar, kann aber schon bei di/dt > 10A/µs einige 100mV betragen.
Exakter sind die Meßergebnisse nach Erreichen des stationären Endwertes des Stroms. Um diesen bei der kurzen Einschaltdauer schnell zu erreichen, ist hier ein induktivitätsarmer Lastkreis aufzubauen. Die Höhe des Stromimpulses ist durch Wechseln des Lastwiderstandes oder komfortabler durch eine Reihenschaltung zweier IGBT (siehe Kap. 3.4) zu variieren. Bei der zweiten Methode kann mit der Höhe der Gatespannungsimpulse des vorgeschalteten Schutz-IGBT der Strom stufenlos eingestellt werden. Das auszumessende Bauelement wird nicht abgeschaltet, so daß dessen Kollektor-Emitter-Spannung VCE niedrig bleibt. Als Vorteil ist eine hohe Auflösung des interessierenden Spannungsbereichs am DSO möglich.

Aus der Meßreihe von Einzelimpulsen sind aus den oszillographierten Werten des Stromes IC und der VCE die Wertepaare für die Kennlinie auszulesen (Abb. 4.25/26). Eine Automatisierung ist mit einer Folge von Gatespannungsimpulsen mit steigender Amplitude möglich. Die Werte der dadurch kontinuierlich zunehmenden Stromwerte werden den gleichzeitig oszillographierten Spannungswerten VCE(sat) zugeordnet und gemeinsam als Kennlinie ausgegeben.

Zur temperaturabhängigen Modellierung sind zwei Kennlinien bei Raumtemperatur und bei einer Temperatur knapp unterhalb von j(max) aufzunehmen. Für die Bestimmung der temperaturabhängigen Durchlaßspannung ist nach /Bober/ eine lineare Interpolation zwischen den Grenzwerten ausreichend.

Bei allen Versuchen ist VCE relativ klein ( 20V), die Temperatur und die Gatespannung (=15V) ist für alle Versuche konstant. Der Anstieg der Kennlinien ändert sich im Bereich kleiner Ströme am meisten. Bei der Übernahme der Funktionen als Wertepaare sind in diesem Bereich möglichst viele Punkte zu setzen, um das Konvergenzverhalten während der Simulation zu verbessern.

Im Blockierzustand des IGBT (VGE < VGE(th) , VCE > 0) fließt ein Reststrom, der meist als Einzelwert für eine bestimmte Spannung VCE und unterschiedliche Temperaturen gegeben ist. Er ist sehr gering und stellt an die Modellierung keine hohen Genauigkeitsanforderungen. Von größerer Bedeutung ist die Durchbruchsspannung VCES(BR). Zur Modellierung sollte die maximal zulässige Sperrspannung VCES ausgewählt werden, da sie als eine Art Garantieerklärung des Herstellers, eine Grenze für den Einsatz des Bauelementes darstellt. Auf eine meßtechnische Bestimmung der tatsächlichen Durchbruchsspannung kann verzichtet werden.

Die Rückwärtssperrfähigkeit spielt nur bei diskreten IGBT eine Rolle. In Modulbauweise verhindert die interne Freilaufdiode den Aufbau einer Sperrspannung. Für die Durchbruchsspannung in Sperrichtung gilt das gleiche in bezug auf die Verwendung der max. zulässige Spannung, wie für den Blockierzustand.

4.5.2.2 Übertragungsverhalten
Für das Übertragungsverhalten des IGBT ist der Einfluß der Eingangsgröße ‘Gatespannung' auf die Ausgangsgröße ‘Kollektorstrom' zu beschreiben. Dazu stehen die Transferkennlinie und die Transkonduktanz zur Verfügung. Zur Modellierung ist dem unmittelbaren Zusammenhang IC = f(VGE) in der Transferkennlinie der Vorzug zu geben. Diese ist direkt mit meßtechnischen Mitteln bestimmbar und kann mit einer spannungsgesteuerten Stromquelle einfach in allen bekannten Netzwerksimulatoren umgesetzt werden. Die Funktion kann man sowohl aus der Kennlinie des Datenblatts, als auch den mit Messungen gewonnenen Kurven entnehmen. Angaben im negativen Temperaturbereich stehen im Datenblatt selten zur Verfügung. Ebenso fehlen Angaben über Ströme >2 IC(nenn). Beides kann durch Messung ermittelt werden.

Die meßtechnische Aufnahme erfolgt punktweise bis ca. 0,1IC als stationärer Strom und für größere Stromwerte in Kurzschlußversuchen. Die veränderliche (einstellbare) Größe ist die Gatespannung. Jedem eingestellten Wert VGE wird der stationäre Endwert des Kurzschlußstromes zum Wertepaar zugeordnet (siehe Abb. 4.27/28). Als Meßschaltung dient ein Tiefsetzsteller (Kap. 3.4.2) mit kurzgeschlossener Last. Die Messungen sind als Einzelimpulse mit kurzer Einschaltdauer vorzunehmen, um Einflüsse der Eigenerwärmung vernachlässigen zu können. Ein möglichst kleiner Gatevorwiderstand
(RG < 10 ) und eine induktivitätsarme äußere Beschaltung ist für ein ausreichend schnelles Erreichen des Endwertes von IC notwendig. Die Kollektor-Emitter-Spannung VCE ist bei allen Versuchen konstant zu halten, ein üblicher Wert liegt bei 30V. In einem Kennlinienschreiber wird die Meßreihe automatisiert. Einer Folge von Gatespannungsimpulsen mit steigender Amplitude werden die gleichzeitig gemessenen Stromwerte zugeordnet und gemeinsam als Kennlinie ausgegeben.

Die Transferkennlinie ist leicht temperaturabhängig. Für den Großteil der Anwendungen im positiven Temperaturbereich sind 2 Kennlinien mit unterschiedlichen Temperaturen ausreichend. Zwischen den Wertepaaren kann interpoliert werden. 

4.5.3 Dynamische Parameter

Unter dynamischen Parametern von Leistungshalbleitern sind ausschließlich solche zu verstehen, die das Schaltverhalten der Bauelemente prägen. Das Klemmenverhalten während der Schaltvorgänge wird von resistiven, kapazitiven und induktiven Komponenten beeinflußt, wobei der kapazitive Charakter überwiegt. Kennlinien wie Frequenzgang, Amplitudengang oder H- und S-Parameter, wie sie für Bauelemente der Signalverarbeitung bekannt sind, finden bei der Modellierung von Leistungshalbleitern keine Verwendung. Die Methoden der Parametrisierung sind nach der Art der im Modell verwendeten Ersatzschaltelemente gegliedert.
4.5.3.1 Kapazitäten
Wie die Analyse der Schaltvorgänge (Kap. 4.1.2) gezeigt hat, sind die Schaltzeiten und Flankensteilheiten maßgeblich durch die beschränkte Änderungsgeschwindigkeit von Ladungen begründet. Zur Interpretation der bei den Schaltvorgängen auftretenden Ladungsänderungen werden Kapazitäten zwischen den Anschlußklemmen herangezogen (siehe Interelektrodenkapazitäten in Abb. 4.29).
Am häufigsten sind in den Datenblättern die spannungsabhängigen Kapazitätsverläufe durch C = f(V)-Kennlinien gegeben. Die drei Kennlinien in Abb 4.30 entsprechen den an den Anschlußklemmen wirksamen Kapazitäten:
Zu Beachten ist dabei, daß bei Bauelementen in Modulbauweise mit Coes sowohl die Kapazitäten des schaltenden Halbleiters als auch die der Freilaufdiode erfaßt werden.

Mit den bekannten Werten von CGC kann durch Umstellen der Gleichungen (4.41) und (4.43) die Kollektor-Emitterkapazität CCE aus der Ausgangskapazität und die Gate-Emitter-Kapazität CGE aus der Eingangskapazität berechnet werden. Im positiven Spannungsbereich beschränkt sich CGE auf die Gate-Source-Oxidschichtkapazität der MOSFET-Struktur und ist folglich im dargestellten ausgemessenen Bereich konstant. Im negativen Spannungsbereich (keine Datenblattangaben bekannt) kommt es zusätzlich zu einer Akkumulation von Ladungsträgern zwischen p+ -Bodylayer und Gate, so daß sich die wirksame Gesamtkapazität vergrößert. Als Ergebnis eigener Messungen konnte ungefähr einer Verdopplung von CGE im Bereich bis VGE =-15V ermittelt werden. In /Budihardjo/ ist eine ähnliche Abhängigkeit dokumentiert.

Die zur Modellierung der Gate-Kollektor-Kapazität CGC notwenigen Angaben im Bereich positiver Spannungen VGC (VGE > VCE ) sind aus den CV-Kurven nicht zu ermitteln. Nach /Behr/ erreicht die Millerkapazität aber ihren Maximalwert erst bei ca. 2...3V. Zur Lösung des Problems wird die Gateladungskurve (Abb 4.31) bzw. das Meßergebnis eines Konstantstromversuches herangezogen (siehe Kap. 3.4). Daraus sind Maximal- und Minimalwert von CGC und CGE unter Betriebsbedingungen zu berechnen.
In den linearen Teilabschnitten in Abb. 4.31 kann die Beziehung für den Gateeingang

auf jeweils einen Summanden reduziert werden. Im ersten Zeitabschnitt kann bei konstanter Spannung über den Ausgangsklemmen die Gesamteingangskapazität bestimmt werden:

Im Fall einer konstanten Spannung zwischen Gate und Hilfsemitter, wie im zweiten Zeitabschnitt, ist CGC mit Gleichung (4.46) bestimmbar. Die schnelle Spannungsänderung von VCE ist möglich, da CGC noch seinen Minimalwert besitzt:

Mit dem Zusammenbrechen von VCE nimmt CGC schnell den Maximalwert an. Diese Kapazität ist bei immer noch konstanter Spannung VGE aus den Werten des dritten Zeitabschnitts zu berechnen:

Die Eingangskapazität Cies des Modells setzt sich aus CGE und CGC zusammen. Folglich ergibt sich für CGE :

Der Wendepunkt im Kurvenverlauf der Millerkapazität, der zur Parametrisierung der Gleichspannungsquelle im Modell notwendig ist, kann aus den Spannungen des Konstantstromversuches zum Zeitpunkt t2 berechnet werden. Voraussetzung ist ein vernachlässigbar kleiner Kollektorstrom. Aus dem Knick in VCE wird ersichtlich, daß ab diesem Spannungswert eine größere Kapazität wirkt.

Für das ausgemessene Bauelement wurden die Kapazitätswerte: CGE0 = 7,6nF; CCE0 = 2nF; CGC(min) = 200pF und CGC(max) = 15.2nF ermittelt. VCGC lag bei 2,3V. Es waren keine Temperaturabhängigkeiten bei den Kapazitäten meßtechnisch nachweisbar.

4.5.3.2 Tailstromphase
Über das Tailstromverhalten des IGBT existieren in den Datenblättern kaum Parameter. Unter Annahme eines Stromverlaufs nach Gl. (4.13) sind als unbekannte Parameter der Kniestroms Itail0 und die Zeitkonstante (Hochinjektionslebensdauer THI) zu ermitteln.

Durch Anlegen einer Tangente an die Exponentialfunktion wird THI bestimmt (Abb. 4.32). Mit den nun bekannten Größen Itail0 und THI können die zur Modellierung eingesetzten Ersatzschaltelemente dimensioniert werden.

Nachteilig ist, daß die Auswertung nur per Hand erfolgen kann. Die unvermeidbare, von den Streuinduktivitäten verursachte Spannungsspitze beim Ausschalten erzeugt ein Unterschwingen im Tailstromverlauf, so daß durch Hineinlegen einer Exponentialfunktion der Kniestrom abgeschätzt werden muß.

Bei einem solchen Verfahren kommt zu den Meßfehlern (Offset, Auflösung des DSO) ein hoher Fehler durch die Auswertung hinzu. Eine sehr genaue Modellierung ist aus diesem Grund nicht möglich. Durch eine Anpassung der Modellparameter nach einer Probesimulation kann der Fehler reduziert werden. Eine hohe Präzision bei der Tailstrommodellierung ist wegen der vorhandenen großen Bauelementestreuung und der immer geringer werdenden Bedeutung des Tailstroms nicht notwendig.

Für die komplexere Modellierung mit Hilfsnetzwerk sind die Abhängigkeiten des Kniestroms vom Kollektorstrom IC0 von vor dem Abschalten, der anliegenden Sperrspannung nach dem Schalten und der Temperatur zu bestimmen. Dies ist nur durch Oszillographieren des Ausschaltvorgangs unter verschiedenen Einsatzbedingungen möglich. Für den untersuchten NPT-IGBT wurden die in Abb. 4.33 dargestellten Zusammenhänge gemessen. Eine Temperaturabhängigkeit lag nicht vor.

4.5.3.3 Gateinnenwiderstand
Es existieren keine Datenblattangaben zum dynamisch wirksamen Gateinnenwiderstand. Eine Berechnung ist aus Werten während der Gateplateauphase VGE(pl) möglich:

Mit den Meßwerten aus Abb. 4.34 und den zum Strom IG = IC gehörenden Punkten aus der Transferkennlinie ergibt sich:

Der Versuch sollte im Leerlauf durchgeführt werden, damit während des Einschaltvorgangs über der im Gate-Emitter-Kreis befindlichen parasitären Induktivität vom Laststrom keine Spannung induziert wird. Während der Plateauphase (VGE = konstant) fließt der gesamte Gatestrom über den MOS-Kanal, er wird in dieser Phase durch den Abbau der RLZ verursacht. Er entspricht damit im Sinne der Transferkennlinie einem Kollektorstrom, so daß der Wert für VGE(TKL) in Gl. (4.50) dem Punkt IC = IG zu entnehmen ist.

Wegen der geringen Spannungsdifferenz im Zähler und der Unsicherheiten bei der Bestimmung der statischen Gatespannung besteht bei dieser Meßmethode die Gefahr eines relativ großen Fehlers. Es werden daher mit der beschriebenen Methode nur Richtwerte bestimmt, welche aber zur Modellierung ausreichend sein sollten.

4.5.3.4 Induktivitäten
Es liegen nur Datenblattangaben für die Gesamtinduktivität zwischen Kollektor und Emitter vor. Eine Berechnung aus der Geometrie ist äußerst kompliziert und nur bei genauer Kenntnis des inneren Aufbaus möglich. Auch mit Hilfe von Messungen ist auf Grund der von außen zugänglichen Meßpunkte nur die Gesamtinduktivität LCE und LE2 als Einzelinduktivität bestimmbar. Außerdem werden bei dem verwendeten Meßverfahren zusätzlich zur Induktivität der Bonddrähte alle anderen von einer Stromänderung abhängigen Spannungsabfälle erfaßt (LWM).

Als Meßschaltung wird der Tiefsetzsteller eingesetzt. Ein linearisierter Stromanstieg wird durch eine Induktivität von einigen µH im Laststrompfad erreicht. Die Gatespannung beträgt 15V und VCC liegt bei 30V. Ströme und Spannungen werden oszillographiert. Der direkt meßbare Spannungsabfall zwischen Hilfs- und Hauptemitteranschluß bei einem nahezu konstantem Stromanstieg erlaubt die Berechnung von LE2 :

Die bei dem ausgemessenen Exemplar (Abb. 4.35) mit den Werten der Zeitpunkte t1 und t2 berechnete Induktivität beträgt 11,2nH. Wegen der relativ kleinen Spannungsdifferenzen ist der Meßaufbau besonders sorgfältig zu wählen, um Verfälschungen der Meßergebnisse durch Spannungsinduktion in die Meßschleife zu vermeiden. Die aufgespannte Fläche zwischen Meßspitze des DSO und Masseanschluß ist deshalb klein zu halten und der Strom ist vorzugsweise potentialfrei zu messen. Ein Offsetfehler des DSO hebt sich durch die Subtraktion der Spannungswerte auf.

Die zur Berechnung der wirksamen Gesamtinduktivität LCE* nötigen Werte lassen sich aus 2 verschieden Versuchen mit unterschiedlichen Stromanstiegen gewinnen. Die Größen IC , diC/dt und VCE sind den Oszillogrammen (Abb. 4.36) zu einem Zeitpunkt zu entnehmen, an dem der Einschaltvorgang abgeschlossen ist (t>t0 + 6µs).

Mit der Annahme, daß sich die Spannung VCE aus den 3 Teilspannungen nach Gleichung (4.53) zusammensetzt,

läßt sich aus der Spannungsdifferenz bei gleichem Strom IC die Gesamtinduktivität berechnen:

Für das untersuchte Modul wurde LCE*  130nH ermittelt. Wie im Kap. 4.1.3.1 erläutert wurde, setzt sich die aus dem Spannungsabfall ermittelte scheinbare Induktivität LCE* aus den physikalisch real vorhandenen Induktivitäten der Anschlußverbindungen LC + LE1 + LE2 = LCE und einem induktiv wirkenden Anteil des Bahnwiderstandes LLwm des Halbleiters zusammen. Die modellinterne Induktivität muß daher nicht zwangsläufig mit der physikalisch realen Induktivität der Anschlüsse übereinstimmen.

Eine Aufteilung in Teilinduktivitäten, wie im Modell verwendet, ist nur durch Abschätzung anhand der Größenverhältnisse im Modulaufbau in bezug auf die zwei ermittelten Werte möglich. Da die Leiterlänge von der Grundplatte bis zu den äußeren Anschlußklemmen ungefähr gleich lang sind, wird LC = LE2 = 11nH gesetzt. Die im Ansteuerkreis liegenden Bonddrähte werden mit LE1 = 5nH abgeschätzt. Die Differenz zu LCE* = 130nH ist auf die Wirkung der LWM zurückzuführen. 

4.5.4 Besonderheiten von IGBT in Modulbauweise mit interner Freilaufdiode

Häufig werden IGBT in Form von Halbbrücken oder als komplette Drehstrombrücke in sixpacks in Modulbauweise gemeinsam mit Freilaufdioden angeboten. Bei der verhaltensbeschreibenden Modellierung verschmelzen die Eigenschaften und Parameter beider Bauelemente. Diese Module besitzen keine Rückwärtssperrfähigkeit, da für VCE <0 die Diode in den leitenden Zustand übergeht. In diesem Fall bestimmt die Durchlaßkennlinie der Diode das statische Verhalten des Moduls. Die Diodenkennlinie kann dem Datenblatt entnommen werden oder durch Oszillographieren eines von der Lastinduktivität getriebenen abklingenden Stromes gemessen werden. Die Diodenkapazitäten sind Bestandteil der Ausgangskapazität des Moduls und können nicht von denen des IGBT getrennt werden.

4.5.5 Erweiterung der Parametersätze auf Bauelemente der gleichen Produktfamilie

Darunter sind IGBT eines Herstellers und unterschiedlicher Stromklasse zu verstehen. Die von den Herstellern in Modulbauweise gelieferten IGBT höherer Stromklassen sind in der Regel durch Parallelschalten mehrerer Siliziumchips entstanden. Demzufolge können aus den Parametern eines Einchipmoduls mit dem Nennstrom IC1 die Parameter größerer Module mit IC = n*IC1 mit Hilfe des Faktors n berechnet werden. Entsprechend den Beziehungen bei Parallelschaltungen werden Leitwerte und Kapazitäten durch Multiplikation mit n erweitert, gleiches gilt für die Ströme in der Transferkennlinie und der Sättigungskennlinie.


 Zusammenfassung Parametergewinnung:

 
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4.6 Verifikation und Wertung des Modells

Eine Verifikation gehört zu jedem Modell, unabhängig vom Gegenstand und der Technik der Modellierung. Der Umfang der notwendigen Untersuchungen ist davon abhängig, ob es sich um die Ersterstellung eines neuen Modells handelt oder ob ein bereits vorhandenes Modell neu parametrisiert wurde. Für den letzten Fall ist ein Vergleich von den zur Parametrisierung verwendeten Kennwerten und Kennlinien mit den entsprechenden simulierten Werten ausreichend. Bei der erstmaligen Erstellung eines Modells ist der Wahrheitsgehalt des modellierten technischen Sachverhaltes durch einen Vergleich mit der praktischen Realität zu überprüfen. Bei schaltenden Leistungshalbleiter ist daher der wichtigste Punkt der Verifikation ein Vergleich von simulierten und oszillographierten Strom- und Spannungstransienten, insbesondere von Schaltvorgängen, in einer praxisnahen Schaltung. Um mögliche Einsatzbedingungen von Modell und Bauelement abzudecken, sind die Schaltungsbedingungen innerhalb des SOA zu variieren.

Abweichungen zwischen Simulation und Realität können durch Fehler im Modell oder durch Streuung der Parameter auftreten. Deshalb ist das zur Simulation verwendete Modell ausschließlich mit Meßdaten zu parametrisieren. Nur so sind in den Ergebnissen Abweichungen durch die stets vorhandene Parameterstreuung zwischen Bauelement und Datenblatt auszuschließen und kann der durch das Modell bedingte Fehler eingeschätzt werden. Als Ergebnis der Verifikation sind Modellfehler und Einsatzgrenzen zu spezifizieren. 

4.6.1 Vergleich gemessener und simulierter Kennlinien

Ein Vorteil der Modellierung von Kennlinien mit Hilfe von Wertepaaren ist eine detailgetreue Wiedergabe der gemessenen Werte in der Simulation über den gesamten ausgemessenen Bereich. Eine Abweichung der simulierten Funktionsverläufe von den Meßwerten entsteht nur, wenn zur stetigen Modellierung der Kurvenverläufe nachträglich eine Korrektur der Meßwerte vorgenommen wurde. Die Simulation erfolgt in einer Simulationsschaltung mit ähnlichem Aufbau wie die Meßschaltung. Es ist sinnvoll ohne den Effekt der Eigenerwärmung zu simulieren. Dann können statische Kennlinien mit hinreichend flachen Rampen der äußeren Quellen komplett durchsimuliert werden. Zur Simulation statischer Kennlinien (Abb. 4.37/38) kann in der Simulationsschaltung auf die Berücksichtigung parasitärer Induktivitäten bzw. Kapazitäten des Meßaufbaus verzichtet werden.

Wie erwartet, wird eine hohe Übereinstimmung zwischen den Simulationsergebnissen des mit Meßdaten parametrisierten Modells und der Messung selbst erreicht. Mit der Sättigungskennlinie sind alle statischen Spannungsabfälle zwischen den Ausgangsklemmen erfaßt. Durch die Transferkennlinie wird das Übertragungsverhalten des Bauelementes wiedergegeben. Mit den dargestellten Kennlinien sind oft angeführte statische Kennwerte, wie VCE(sat) oder VGE(th) bereits verifiziert. Weitere statische Größen, die überprüft werden, sind die Sperr- oder Leckströme ICES und IGES.

Die wichtigste Kennlinie zur Charakterisierung der Kapazitäten im Modell und damit des Schaltverhaltens ist die Gateladungskurve. Sie ist gleichbedeutend mit dem im Konstantstromversuch gewonnenen Kurvenverlauf. In der Simulationsschaltung (Abb. 4.40) wird ähnlich wie im praktischen Versuch mit einer Stromquelle ein konstanter Strom in das Gate eingespeist und der Anstieg der Spannungen mit den oszillographierten Werten verglichen (Abb. 4.39).

Mit den im Modell realisierten Kapazitäten werden die Ladungsänderungen während eines Schaltvorgangs richtig beschrieben. Die Änderungen im Anstieg der Spannungen entstehen durch die Spannungsabhängigkeit der Kapazitäten. Wegen der Parametrisierung aus den Meßdaten sind bei der Simulation kaum Unterschiede zu den Flanken der gemessenen Spannungen festzustellen.

Anschließend an den Vergleich der im Modell realisierten Eigenschaften gehört im Rahmen der Verifikation eine Liste der nicht modellierten Eigenschaften. Für das hier erstellte IGBT-Modell betrifft das die Durchbruchsspannungen, die Eigenerwärmung und die dynamische Leitwertmodulation. 

4.6.2 Überprüfung von transienten Vorgängen

Wie einleitend zum Abschnitt Verifikation festgestellt wurde, stellt der Vergleich von gemessenen und simulierten transienten Kurvenverläufen bei einem Modell, welches für die Schaltungsanalyse bestimmt ist, das entscheidende Gütekriterium dar. Als Testschaltung wurde der Tiefsetzsteller eingesetzt, der bereits zur Parametergewinnung Verwendung fand (Abb. 4.41). Diese Schaltung ist zur Verifikation geeignet, da sie als Teilstruktur in allen hartschaltenden Stromrichtertopologien enthalten ist.

Die Simulationsschaltung ist entsprechend den realen Gegebenheiten nachzugestalten und gemeinsam mit dem IGBT-Modell in eine Netzwerkdatei einzugeben (Abb. 4.42). Parasitäre Elemente im Schaltungsaufbau, beispielsweise der Anschlußleitung oder des Stützkondensators, müssen mit einbezogen werden. Die Streuinduktivität Ls der Anschlußleitungen kann bei bekanntem diC/dt aus der gemessenen Spannungsspitze eines Ausschaltvorganges berechnet werden. Die über den Leitungsabschnitten verteilt liegenden Steuinduktivitäten werden zu einer gemeinsamen zusammengefaßt. Die Ersatzschaltelemente des Elektrolytkondensators können einem Datenblatt entnommen werden oder sind aus der Spannungsänderung bei einem hohen Stromimpuls (Kurzschluß, siehe Abb. 4.46) zu bestimmen. Das nichtideale Schaltverhalten der Treibertransistoren wirkt sich auch auf den Leistungshalbleiter aus. Dies kann durch rampenförmige Schaltflanken der Spannung von VGG berücksichtigt werden. Eine Besonderheiten bei der hier realisierten Schaltung ist ein zusätzlicher Gatewiderstande RGoff, der sich aus den unterschiedlich angesteuerten Transistoren der Meßschaltung ergibt.

In den folgenden Abbildungen sind paarweise die Ergebnisse der Simulation und das dazugehörige Oszillogramm bei Variation einer Größe der Schaltung dargestellt. Dabei wird die richtige Reaktion des Modells auf Änderungen der Steuergrößen und auch der Lastverhältnisse überprüft. Die abgebildeten Kurvenverläufe stehen stellvertretend für eine Vielzahl von durchführbaren Untersuchungen. Der Einschaltvorgang wird bei nicht lückendem Laststrom maßgeblich von der eingesetzten Freilaufdiode bestimmt. Deshalb wurde zur Verifikation des IGBT-Modells mit Einzelimpulsen mit vorwiegend ohmscher Last gearbeitet.

Das Schaltverhalten des IGBT wird stark durch den Gatevorwiderstand RG beeinflußt. Über ihn wird die Höhe des Gatestromes, der zum Umladen der Bauelementekapazitäten notwendig ist, begrenzt und damit die Schaltgeschwindigkeit eingestellt. Eine Erhöhung von RG (Bsp. RG = 6 -> RG = 47  in Abb. 4.43) führt zu längeren Schaltzeiten, zu flacheren Schaltflanken und zu höheren Schaltverlusten. Diese Eigenschaft wird vom Modell richtig wiedergegeben. Die angesprochenen Auswirkungen treten gleichermaßen in Messung und Simulation auf. Damit ist der Nachweis für eine richtige Modelierung der über das Gate gesteuerten Ladungen erbracht.

Die zweite Einflußgröße der Ansteuerung ist die Höhe der Ansteuerspannung VGG. Eine Verringerung führt zunächst wegen der geringeren Spannungsdifferenz beim Einschalten zu einem kleineren Gatestrom und damit zu einem langsameren Schaltvorgang. Beim Ausschalten müssen bis zum Erreichen der Schwellspannung weniger Ladungen abgeführt werden, so daß der Schaltzeitpunkt eher erreicht wird (Bsp. VGG = 10V in Abb. 4.44). Bei einer weiteren Reduzierung begrenzt die Gatespannung den Kollektorstrom. Der IGBT entsättigt, wodurch die Kollektor-Emitter-Spannung und folglich auch die Verluste steigen (Bsp. VGG = 8V). Die Kurvenverläufe von Simulation und Messung sind in den abgebildeten Beispielen fast identisch. Das Übertragungsverhalten wird auch bei transienten Vorgängen vom Modell realitätsgetreu wiedergegeben. Der Einfluß der Gatespannung auf VCE im Zustand der Sättigung ist vernachlässigbar klein.

Zum Test verschiedener Arbeitspunkte im SOA gehört ein Vergleich von Simulationsergebnissen mit Messungen bei unterschiedlichen Lastspannungen und -strömen (Abb. 4.45). Die Variation von VCC führt bei konstantem Lastwiderstand zu unterschiedliche Kollektorströmen. Während des Schaltvorgangs ergeben sich daraus geringfügige Änderungen im Gatespannungsplateau und in den Schaltzeiten. Die höhere Schaltleistung hat steigende Schaltverluste zur Folge. Im leitenden Zustand nehmen die Durchlaßverluste mit der Größe des Stroms und der damit verbundenen höheren Sättigungsspannung VCE(sat) zu. Der Einfluß der unterschiedlichen Belastungen wird vom Modell richtig wiedergegeben. Die geringfügigen Abweichungen in den Verlustenergien sind auf die nicht modellierte dynamische Leitwertmodulation zurückzuführen, die in der Realität etwas größere Verluste nach dem Einschalten verursacht. Dieser Fehler ist vernachlässigbar, da die Tolleranzen der Sättigungsspannungen und damit auch der Durchlaßverluste bis zu 20% betragen.

Die Simulation mit Halbleitermodellen kann besonders vorteilhaft zur Untersuchung von Havariefällen und kritischen Betriebszuständen eingesetzt werden. Zerstörungsfrei können Schutzstrategien und Beschaltungsmaßnahmen entworfen werden. Es bedarf dadurch einer geringeren Anzahl von Testversuchen. Die Wahrscheinlichkeit der Zerstörung von Bauelementen in der praktischen Testphase sinkt.
Als extremer Fall der Belastung wurde für eine weitere Messung der Lastwiderstand kurzgeschlossen und wiederum Meß- und Simulationsdaten verglichen (Abb. 4.46). Im dargestellten Versuch entsteht über der noch vorhandenen Streuinduktivität im Lastkreis durch den schnell ansteigenden Strom ein Spannungsabfall, so daß der IGBT nicht entsättigt. Damit ist eine der Randbedingungen für den Kurzschluß-Fall 1 (KS1), das Einschalten auf kurzgeschlossene Last, nicht erfüllt. Bei der Messung konnte die Gleichspannung nicht konstant gehalten werden. Ursachen sind der große Innenwiderstand der Gleichspannungsquelle und der nichtideale Stützkondensator. Als Bezugsgröße für den Datenvergleich wurde deshalb die Spannung über dem Elektrolytkondensator gewählt. Wie in Abb. 4.46 dargestellt wird, sind die Simulationsergebnisse mit dem erstellten Modell auch bei extremer Überlast zu Untersuchungen einsetzbar.

Einen entscheidenden Einfluß auf die Strom- und Spannungsverläufe bei extremen Änderungen in den transienten Kurvenverläufen, wie bei Kurzschlüssen, haben parasitäre Elemente im Last- und Ansteuerkreis. Ein großer Teil der Abweichungen beim Ausschaltvorgang in Abb. 4.46 sind auf eine nicht ausreichende Modellierung dieser Größen zurückzuführen. Um die vorhandenen Effekte zu verdeutlichen, wird nachfolgend deren Wirkung anhand von 2 Beispielen mit Simulationsergebnissen diskutiert.

Im ersten Beispiel ist die Wirkung der Streuinduktivität Ls (Abb. 4.47) des Schaltungsaufbaus dargestellt. Diese ergibt sich aus den Verbindungen zwischen Spannungsquelle und IGBT. Mit einer zunehmenden Streuinduktivität wird der Spannungseinbruch von VCE größer (Abb. 4.48). Ab ca. 600nH sinkt die Spannung bis in den Bereich der Sättigungsspannung. Der darauffolgende Anstieg der Spannung führt zu einer Abnahme der Rückwirkungskapazität. Die überschüssigen Ladungen fließen über das Gate ab. Der mit dem Gatestrom verbundene Spannungsabfall über dem Gatevorwiederstand addiert sich zur Gatespannung VGG und verursacht eine Überhöhung von VGE und damit auch des Kurzschlußstromes.

Im weiteren Verlauf pegelt sich der Kurzschlußstrom auf den von der Gatespannung begrenzten stationären Endwert ein. Damit entsprechen die Simulationsergebnisse dem theoretisch erwarteten Verhalten. Wichtige Modellparameter sind die Transferkennlinie und die Eingangskapazitäten des Bauelementes. Der Stromanstieg von IC und die Überspannung von VCE werden von Ls bestimmt.

Eine weitere parasitäre Induktivität, die auf das Kurzschlußverhalten einen entscheidenden Einfluß ausübt, ist die vom Laststrom durchflossene Induktivität im Ansteuerkreis LE1 (Abb. 4.47). Deren Größe kann nur abgeschätzt werden, da diese sich aus kurzen Leiterstücken und aus einer verkoppelten Induktivität über die aufgespannte Fläche im Ansteuerkreis zusammensetzt. Sie ist in den Halbleitergleichungen eines physikalisch modellierten IGBT nicht berücksichtigt. Ihre Wirkung wird besonders im Fall eines Kurzschlusses im eingeschalteten Zustand des Bauelementes (KS2) sichtbar (Abb. 4.49). Auch in diesem Fall sorgen die Verschiebeströme über die Millerkapazität für eine Anhebung der Gate-Emitter-Spannung und dadurch für eine weit über den stationären Kurzschlußstrom hinausgehende Stromspitze. Die über der Induktivität LE1 induzierte Spannung ist der Änderung der Gatespannung sowohl beim Einschalten (=Stromanstieg) als auch beim Ausschalten entgegengerichtet. Dadurch wirkt sie im Kurzschlußfall bedämpfend auf die Strom- und Spannungsverläufe von IC und VCE ein. Im normalen Schaltbetrieb ist der Einfluß eher gering. Mit einer angenommenen Induktivität von 5nH reduzieren sich im Simulationsbeispiel die Stromspitze um 35% und die Spannungsspitze um über 50%.

4.6.3 Wertung des IGBT-Verhaltensmodell

Vor der Beurteilung des Modells soll nochmals darauf hingewiesen werden, daß entsprechend dem leistungselektronischen Wirkprinzip diese Bauelemente nur als Schalter eingesetzt werden und das Modell auch nur für diesen Betrieb in der Transientenanalyse ausgelegt ist. Abweichungen, die beim Vergleich der Transienten von Messung und Simulation sichtbar werden, können durch Fehler im Modell, nicht ausreichend genau bestimmte Parameter des IGBT und parasitärer Elemente der Schaltung oder durch Meßfehler hervorgerufen werden. Die festgestellten Unterschiede sind meist gering.

Die Forderung nach hochgenauen Modellen sollte allerdings nicht zu hoch geschraubt und im Rahmen der technischen Gegebenheiten betrachtet werden. Bei der Bewertung von Simulationsergebnissen ist immer ein Unsicherheitsfaktor von 10...20% zu berücksichtigen. Die wesentlichsten Abweichungen entstehen oft nicht durch Modellierungsfehler, sondern in Folge der produktionsbedingten Parameterschwankungen.

Der Vergleich des Ausschaltvorgangs in Abb. 4.50 mit einem nach Datenblatt und einem meßtechnisch parametrisierten Modell verdeutlicht dies. Ursache für die um 20% größere Ausschaltverzögerung tdoff sind andere Werte für die Bauelementekapazitäten. Erhebliche Unterschiede bestehen auch bei der Bestimmung der statischen Verluste. Nach Datenblatt besitzt das untersuchte Bauelement SKM50GB101D bei Nennstrom (IC = 50A) und Raumtemperatur eine Durchlaßspannung VCE(sat) von maximal 3,5V und typisch von 3V, gemessen wurde der Spannungsabfall von 2,62V. Dies ist eine Abweichung zwischen Maximalwert und Meßwert von  25%. Da die Durchlaßverluste (VCE(sat) * IC) auch bei mittleren Schaltfrequenzen (<= 10kHz) noch bis zu 60% zu den Gesamtverlusten beitragen, ergeben sich für die Gesamtverlustenergiebilanz Toleranzen von bis zu 15%. Wird dies bei der Beurteilung der erreichten Simulationsergebnisse berücksichtigt, ist mancher vordergründig als gravierend bezeichneter Mangel als geringfügig zu bezeichnen. Daraus ergibt sich die Berechtigung, bei Modellen zur Schaltungsanalyse einige Feinheiten, beispielsweise im Schaltverhalten, zu vernachlässigen. Bei der Verhaltensmodellierung ist es so möglich, sich auf die wesentlichen Eigenschaften eines Bauelementes zu beschränken.

Zusammenfassung zur Modellverifikation und Einschätzung des Modells:


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Inhaltsverzeichnis
  5 Anwendung des Verfahrens auf weitere Leistungshalbleiter
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