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7 Applikationsbeispiele

Anhand von zwei Anwendungsbeispielen sollen mögliche Einsatzgebiete von Verhaltensmodellen leistungselektronischer Bauelemente und ihre vorteilhafte Verwendung zur Schaltungsanalyse aufgezeigt werden. In einem ersten Themenkomplex wird auf die Problematik der Verlustleistungen und der Halbleitertemperatur eingegangen und in einem zweiten Komplex wird das Thema Schaltverhalten und Schaltzeiten behandelt. Voraussetzung für Simulationen solcher Problematiken sind Halbleitermodelle, welche sowohl das statische wie auch das dynamische Verhalten realitätsnah wiedergeben. Das Modell des hier in den Schaltungen eingesetzten IGBT (Kap. 4) besitzt diese Eigenschaften, so daß es für Schaltungsanalysen, bei denen es auf die Bestimmung der Verluste oder des Schaltverhaltens ankommt, geeignet ist. Die Untersuchungen wurden mit dem Simulator Simplorer durchgeführt.

Eine Verifikation dieser Applikationsschaltungen durch Messungen ist nicht Ziel der Darlegungen. Die Verifikation der Halbleitermodelle erfolgte im Kap. 4.6, so daß man davon ausgehen kann, daß die von diesen Bauelementen beeinflußten Größen richtig simuliert wurden.

7.1 Verlustleistungsermittlung im IGBT-Wechselrichter und Berechnung der Chiptemperatur

Eine der häufigsten bei der Analyse leistungselektronischer Schaltungen zu lösenden Aufgaben ist die Bestimmung von Verlustleistungen. Dies wird im Zusammenhang mit der Kühlkörperdimensionierung, der Auswahl geeigneter Bauelemente, der Berechnung der Chiptemperatur oder der Ermittlung von Belastungsobergrenzen notwendig. Ein Vorteil der Verlustbestimmung durch Simulation ist die Erfassung aller Teilverluste und die Wahl eines beliebigen Arbeitspunktes. Datenblattangaben zu Schaltverlusten im IGBT beziehen sich in der Regel auf den Bereich zwischen 0,1IC und 0,9IC. Sie sind nur für ausgewählte Strom- und Spannungswerte und Ansteuerbedingungen verfügbar. Rückstromspitzen der Freilaufdiode und der größte Teil der Tailphase werden damit ausgeschlossen und gehen in eine analytische Energiebilanz mit Datenblattwerten nicht ein. Dies führt zu erheblichen Unsicherheiten bei der Projektion des Wechselrichters.

Im nachfolgenden Abschnitt soll am Beispiel eines 3-phasigen Wechselrichters mit Pulsweitenmodulation (PWM) und hoher Pulsfrequenz ein Verfahren aufgezeigt werden, mit dem unter anderem folgende Fragen durch Simulation zu lösen sind:

1. Wie groß ist die Verlustleistung im Wechselrichter bei gegebenen elektrischen Parametern?
Der an den Wechselrichter angeschlossene Antrieb hat ein Haltemoment aufzubringen, wodurch durch den Gleichstrom ein Transistor besonders belastet wird.
2. Wie lange darf der gepulste Gleichstrom fließen, ohne den Transistor zu überhitzen?
3. Bei welcher Kühlkörpertemperatur ist ein bestimmter gepulster Gleichstrom zulässig? oder
4. Welcher Strom darf maximal bei bekannter Kühlkörpertemperatur fließen?

7.1.1 Untersuchungen zu Verlusten im Dreiphasenwechselrichter

Zur Beantwortung der ersten Frage müssen die Verluste einer leistungselektronischen Schaltung in einem Arbeitspunkt bestimmt werden. Diese setzen sich aus den Durchlaßverlusten der 6 Dioden und 6 IGBT und den Schaltverlusten, die vorwiegend in den IGBT entstehen, zusammen. Um nicht die Verluste in den Halbleitern einzeln ermitteln zu müssen, werden die Gesamtverluste der Schaltung durch Anwendung des Energieerhaltungssatzes aus der Differenz zwischen eingespeister und entnommener Energie gemäß Abb. 7.1 bestimmt:

Zur Berechnung der Teilenergien der Gleichungen (7.1/2) werden mit einer Transientenanalyse der Schaltung in Abb. 7.2 die Ein- und Ausgangsströme ermittelt. Mit Hilfe einfacher Beziehungen können so die eingespeiste Energie:

und die in den Lastwiderständen der drei Phasen r,s,t umgesetzte Energie:

berechnet werden. Für die angegebene Schaltung ist beim Aufstellen der Energiebilanz und der Berechnung des Wirkungsgrades zu berücksichtigen, daß sich nach Ablauf des Simulationszeitraumes t1 die in den Lastinduktivitäten gespeicherte Energie verändert haben kann. Dies ist immer dann der Fall, wenn sich das System zum Simulationsstart in einem nichteingeschwungenen Zustand befand.

Die Simulationsschaltung wurde gemäß Abb. 7.2 umgesetzt.
Die Ausgangsdaten für den beispielhaft angenommenen Arbeitspunkt sind:
Nennstrom Iu, v, w :  16,5A        Zwischenkreisspannung VCC: 560V
Ausgangsfrequenz  :   50Hz        Gatevorwiderstand RG         : 10
 Pulsfrequenz fPuls  :  16kHz       Ansteuerspannung VGG          : +15V/-10V
 Verriegelungszeit tdv : 2µs          IGBT-Modul: CM50DY-24H (Mitsubishi).

Bei dem IGBT handelt es sich um einen 50A/1200V PT-Typ. Die Parametrisierung der Halbleitermodelle erfolgte ausschließlich mit Datenblattangaben. Fehlende Angaben zur Tailstrommodellierung wurden aus den Vorgaben zu Ausschaltzeiten und Ausschaltverlusten gewonnen. Im Interesse geringer Simulationszeiten ist bei der Simulation eines Wechselrichters mit einer Vielzahl von Schaltvorgängen auf einen einfachen Aufbau bei der Modellierung des Halbleiters zu achten. Eine Berücksichtigung der Eigenerwärmung wurde aus diesem Grund nicht vorgesehen. Innerhalb der für thermische Vorgänge kurzen Simulationszeiträume (einige Millisekunden) kann in guter Näherung von einer konstanten Betriebstemperatur ausgegangen werden, die sich in Abhängigkeit der elektrischen Betriebsgrößen eingestellt hat. Die Parametrisierung erfolgt für diese Temperatur, wobei eine lineare Abhängigkeit zwischen den Datenblattwerten für 25°C und 125°C angenommen wird. Für jede Betriebstemperatur existiert ein eigener Parametersatz. Zur Simulation des Wechselrichters unter den oben angegebenen elektrischen Bedingungen wurde eine Chiptemperatur von 125°C angenommen. Abweichungen um 5...10°C wirken sich kaum in den elektrischen Parametern des Bauelementes aus.

Die Steuerung wird ähnlich wie bei den SPE-Modellen durch Zerlegung in Systemzustände für die Modellierung aufbereitet. Die Umsetzung der PWM erfolgt mit 3 Petrinetzen gleicher Struktur (Abb. 7.2). Die Schnittstellen zu der in einer Ersatzschaltung nachgebildeten Leistungselektronik sind gesteuerte Quellen, deren Spannungswerte in den Petrinetzen festgelegt werden.

Zur Berechnung der Einschaltdauer tein nach der in Abb. 7.2 abgebildeten Gleichung wird für jede Phase eine um 120° versetzte Sinusfunktion vorgegeben (Abb. 7.3). Die Berechnung erfolgt jeweils bei Initialisierung des Zustandes Z1. Durch Vorgabe der Spannung VGG für die Gatespannungsquelle wird im Zustand Z2 die positive Brückenhälfte angesteuert. Nach Ablauf von tein geht das System in den Zustand Z3 über. Die Einschaltdauer für die zweite Brückenhälften ergibt sich aus der Differenz TPuls - tein -2*tdv . Die Verriegelungszeit tdv , die zur Vermeidung eines Brückenkurzschlusses notwendig ist, wird durch einen Verzögerungsoperator zwischen die Umschaltevorgänge der Brückenhälften eingefügt.

Zum Simulationsstart müssen die Lastinduktivitäten mit Stromanfangswerten versehen werden, wie sie dem Systemzustand bei Simulationsstart (t=0) bei stationärem Betrieb entsprechen würden. Diese ergeben sich entsprechend der Höhe der Wechselrichter- Ausgangsspannung, deren Phasenwinkel, dem Lastwiderstand und der Vorgabe des Amplitudenfaktors der PWM. Zur Bestimmung der Anfangswerte können in die Simulationsschaltung statische Modelle von Transistoren eingesetzt werden. Mit diesen ist durch die einfachere Schaltung die Simulation mehrerer Perioden des Laststromes bis zum Erreichen eines stationären Zustandes in kurzer Zeit möglich.

Zur Berechnung der Verluste ist nicht die Simulation über eine ganze Periode des Laststromes notwendig (Abb. 7.4). Die Simulation wurde bei t1 = 5ms = /2 abgebrochen. Der Zeitabschnitt ist hinreichend groß gegenüber der Pulsfrequenz von 16kHz und reicht völlig aus, um bei der Integration der Leistungen Schwankungen in Folge der Pulsung vernachlässigen zu können. Mit den ermittelten Endwerten für Win (t1) = 12,075Ws und WLast (t1) = 11Ws ergibt sich mit:

eine Eingangsleistung Pin = 2415W und eine Ausgangsleistung PLast = 2200W. Der Wirkungsgrad des Wechselrichters ist  = 0,91. Die durch Simulation ermittelte Verlustleistung Pv von 215W liegt trotz Verwendung von Datenblattwerten zur Parametrisierung der Halbleiter damit sehr nahe an dem durch Messung gewonnenen Wert von Pv = 222W. Die mit dieser Methode erfaßten Verluste bzw. der Wirkungsgrad sind immer nur für einen Arbeitspunkt des Wechselrichters zu bestimmen (PLast , f,  , Ansteuerung). Für einen anderen Arbeitspunkt ist eine neue Simulation zu starten, die PWM ist neu einzustellen und es sind neue Anfangswerte für die Ströme in den Lastinduktivitäten zu bestimmen. Dies kann bisweilen sehr aufwendig werden.

Werden zur Dokumentation Kennlinien über den gesamten Arbeitsbereich des Wechselrichters benötigt, ist es sinnvoll, die Simulation mit einer analytischen Berechnung zu kombinieren. In /El-Dwaik/ wird eine Methode der Verlustbestimmung mit Hilfe einer analytischen Beschreibung der im Wechselrichter auftretenden Durchlaß- und Schaltverluste angeführt:

mit Î als Scheitelwert des Laststromes und won , woff als die auf 1A-Laststrom normierte Schaltverlustenergien (Won,off /IC). Die normierten Schaltverluste umfassen den gesamten Schaltvorgang, also einschließlich Rückstromspitze beim Einschalten und Tailphase beim Ausschalten. Um dies sicherzustellen, sind beide Werte aus simulierten Einzelimpulsen bestimmbar, wie es in Abb. 7.7 dargestellt ist. Mit Hilfe dieser Gleichung ist es in guter Näherung möglich, über den gesamten Bereich die Verluste bzw. den Wirkungsgrad (Abb. 7.5) in Abhängigkeit von der Ausgangsleistung (=f(Î)) der Pulsfrequenz (fPuls ) oder der Ansteuerbedingungen (won ,woff ) zu bestimmen. Durch die simulierten Stützstellen können vorhandene Unsicherheiten in der Berechnung nach Gleichung (7.7), die sich beispielsweise aus der linearen Durchlaßkennliniennäherung ergeben, vermindert werden.

7.1.2 Belastbarkeit des Wechselrichters bei gepulstem Gleichstrom

Ein für die Auslegung des Wechselrichters interessanter Sonderfall ist das Erzeugen eines Haltemomentes in einem nachgeschalteten Antrieb, wie es beispielsweise in Aufzügen, Kränen oder Elektro-KFZ notwendig werden kann. Das Haltemoment bedingt einen Gleichstrom, dessen Höhe durch das zu kompensierende Gegenmoment vorgegeben und durch Pulsung eingestellt wird.

Daraus resultiert für einen der Transistoren im Wechselrichter (TrN3 in Abb. 7.6) eine ständige Belastung ohne die im Wechselrichterbetrieb vorhandenen Phasen zur Abkühlung. In der Freilaufphase wird der Laststrom von der Diode DP3 übernommen. Da es auf die Untersuchung der meistbelasteten Bauelemente ankommt, kann zur Simulation die Wechselrichterschaltung auf einen Tiefsetzsteller reduziert werden (Abb. 7.6). Die beiden Transistoren TrP1 und TrP2 bleiben ständig eingeschaltet (keine Schaltverluste) und werden nur mit dem halben Strom belastet, so daß die dort auftretenden Verluste kein Problem darstellen.

Wie bereits bei den Ausführungen zur temperaturabhängigen Modellierung des IGBT (Kap. 4.4) angemerkt wurde, ist die gemeinsame Simulation von elektrischen und thermischen Problematiken in einem Simulationslauf wegen der extrem unterschiedlichen Zeitkonstanten °C/s <->  V/ns nicht sinnvoll. Mit der kleinsten Zeitkonstante wird die Schrittweite der Simulation festgelegt (z.B. 10ns). Die Simulation einer Sekunde Echtzeit bedeutet selbst bei dynamischer Schrittweitenanpassung die Berechnung einiger 100000 Stützstellen und bedingt einen hohen, nicht vertretbaren Zeitaufwand, unabhängig vom Simulationssystem oder der verwendeten Rechentechnik. Um auf eine Simulation der Temperaturverhältnisse am Chip nicht verzichten zu müssen, besteht die Lösung in einer getrennten Simulation der elektrischen und thermischen Probleme.

In der ersten Phase erfolgt die Simulation der elektrischen Größen. Die Schaltung des Tiefsetzsteller wird mit dynamischen Halbleitermodellen und einer ohmisch-induktiven Lastnachbildung in eine Simulationsschaltung umgesetzt. Induktivitäten und Kapazitäten werden mit Anfangswerten versehen, die dem Schaltungszustand der Freilaufphase mit vollem Laststrom entspricht. Bei gegebenem Wert für die Zwischenkreisspannung und einem vorgegebenen Laststrom berechnet der Simulator die Klemmengrößen der Bauelemente (Abb. 7.7). Aus dem Integral des Produktes der Augenblickswerte von iC(t) und vCE(t) wird die Verlustenergie pro Einzelimpuls am IGBT berechnet. Mit der bekannten Periodendauer ist die durchschnittliche Gesamtverlustleistung für das Bauelement aus der Simulation unter den gegebenen Rahmenbedingungen bestimmbar.

Zur Aufnahme der Temperaturabhängigkeit der Verluste werden die Halbleitermodelle für zwei unterschiedliche Temperaturen parametrisiert (z.B. nach Datenblattangaben für 25°C und 125°C) und auf die beschriebene Weise die Verlustleistungen bestimmt. Mit Hilfe der beiden Stützstellen kann eine Funktion Pv =f( ) abgeleitet werden:

Aus dem in Abb. 7.7 dargestellten Schaltvorgang ergeben sich mit den Verlustleistungen Pv25° = 132W und Pv125° = 182W die Werte für die temperaturabhängige Berechnung der Verluste K = 0,5W/°C und Pv0° = 119,5W. Die angenommene lineare Abhängikeit ist bei den vorhandenen Unsicherheiten durch Streuung der Bauelemente hinreichend genau. Für andere Lastverhältnisse (IDC,VCC, f, Tastverhältnis) ergeben sich neue Werte, da Durchlaß- und Schaltverluste unterschiedliche Tendenzen in ihrem Temperaturverhalten aufweisen.

Für die Freilaufdiode wird auf gleiche Weise verfahren. Diese besitzt im Gegensatz zum IGBT auf Grund ihres Durchlaßverhaltens eine fallende Kennlinie. Im Bereich der gewählten Tastverhältnisse (TV = 0,5...0,65) hoben sich der temperaturabhängige Beitrag der Schaltverluste (Rückstromspitze) und der Durchlaßverluste der Diode nahezu auf, so daß mit einer konstanten Diodenverlustleistung über den gesamten Temperaturbereich gearbeitet werden konnte.

Zur Berechnung von Temperaturverläufen mit Simulation wird aus der thermischen Impedanz Zth(j-c) eine RC-Ersatzschaltung abgeleitet (Kap. 3.1.1.2). Drei RC-Glieder sind zur Nachbildung der thermischen Verhältnisse bis zur Gehäuseoberfläche ausreichend (Abb. 7.9). Wärmeleitwiderstände der Materialien und Übergangswiderstände werden zusammengefaßt, wo dies möglich ist. Zu den Impedanzen ist der Übergangswiderstand zwischen Gehäuse und Kühlkörper (Kk) hinzuzufügen.

Über diesen muß gleichermaßen die Wärme der IGBT und Dioden abfließen. Bei der Anordnung der thermischen Ersatzschaltung (Parallelschaltung/Reiheneschaltung) sind die Herstellerangaben zu den Werten von Zth und Rth zu beachten. Mit Gleichung (7.9) werden die ermittelten Verluste über eine Stromquelle als Wärmestrom in die thermische Ersatzschaltung eingespeist.

Für die Beantwortung der Fragen 2-4 ist es zulässig die thermische Kühlkörperkapazität als unendlich zu betrachten, d.h. der Kühlkörper besitzt eine konstante Temperatur. Die Kühlkörpertemperatur wird durch eine Gegenspannungsquelle in der Schaltung berücksichtigt. Da mit dieser Schaltung keine elektrischen Schaltvorgänge mehr zu simulieren sind, kann die Simulationsschrittweite an die thermischen Zeitkonstanten angepaßt werden, so daß die Temperaturverläufe in Sekundenschnelle vorliegen. Die Spannungen über den Ersatzkapazitäten entsprechen der Temperatur im jeweiligen Material. Die Sperrschichttemperatur wird über CthSi bzw. über der Verlustleistungsquelle abgelesen.
Die Ausgangsbedingung zur konkreten Beantwortung der eingangs gestellten Fragen sind:

Zur Frage 2: ‘Wie lange kann ein bestimmter Strom fließen, bis die Temperaturgrenze von 150°C erreicht wird?', sind außer der Ermittlung der Verlustfunktion (Gl.(7.9)) noch Aussagen zum vorherigen Belastungszustand zu machen (j ). In diesem Temperatur- und Zeitbereich ist die Anfangstemperatur der Kupferbodenplatte des Moduls entscheidend.

Die in Abb 7.10 dargestellten simulierten Temperaturverläufe wurden für den Fall "Bauelement vorher unter Vollast" mit j(t0) = 125°C und "Bauelement vorher in Ruhe" mit j(t0) = 90°C ermittelt. Die zulässigen Zeiten liegen im Beispielfall für einen Strom von 35A zwischen 130ms und 2s. Das zunehmende Tastverhältnis verkürzt die zulässige Zeit durch die zusätzlichen statischen Verluste während der längeren Einschaltdauer ebenso wie eine höhere Anfangstemperatur. In jedem Fall ist die Pulsung des Gleichstroms von 35A unter diesen Bedingungen nur zeitlich begrenzt zulässig. Eine Zerstörung des Bauelementes ist durch eine Verringerung des Stroms oder durch das Herabsetzen der Kühlkörpertemperatur zu verhindern.
 

Daraus ergeben sich die weiteren Fragen 3 ‘Welche Kühlkörpertemperatur muß gesichert werden, damit der benötigte Strom von 35A fließen kann?' und 4 ‘Welcher Strom darf bei der gegebenen Kühlkörpertemperatur von 90°C maximal fließen?'. Die Lösung der Frage 3 ist relativ einfach durch stufenweise Reduktion der Spannung von Eth-Kk in der thermischen Ersatzschaltung möglich. Dies geschieht solange, bis der stationäre Endwert der berechneten Sperrschichttemperatur unter der 150°C-Grenze bleibt. Viele Simulatoren bieten für solche Aufgaben die Möglichkeit der Multisimulation, bei der einzelne Parameter für verschiedene Simulationsläufe verändert werden können, so daß aus der Lösungsschar die richtige Lösung ausgewählt werden kann. Mit den oben ermittelten Beziehungen Pv = f() wurde mit der thermischen Ersatzschaltung bei TV=0.5 eine maximale Kühlkörpertemperatur von 72°C und bei TV=0.65 von 69,8°C ermittelt. Die Temperaturverläufe der Sperrschichttemperatur bei Kk = 72°C und 69,8°C (Abb. 7.11) sind nahezu identisch.

Zur Beantwortung der Frage 4 ist als Zwischenlösung eine Funktion j (t ->  ) = f (IC) zu ermitteln, aus der dann der maximal zulässige Stromwert für j (t ->  ) = 150°C abgelesen werden kann. Aus Gleichung (7.7) kann für konstante Pulsfrequenz und gleichbleibende Ansteuerbedingungen die Beziehung

abgeleitet werden. Zur Ermittlung der Konstanten K1 und K2 werden zwei Punkte auf der Funktion benötigt. Einen liefert die Simulationen mit Pv (IC =35A). Der Zweite erfordert eine weitere Simulation und Verlustleistungsbestimmung mit einem kleineren Strom. Bei TV=0.5 erhält man als Simulationsergebnis die stationären Sperrschichttemperaturen j(35A) = 171,5°C und j(25A) = 146,6°C, so daß die Berechnung für K1 und K2 ergibt:

Die Lösung der quadratischen Gleichung mit den ermittelten Konstanten für eine Temperaturdifferenz von 60K=150°C-90°C führt zu einem zulässigen gepulsten Gleichstrom von 26,6A. Für das TV=0.65 beträgt dieser Strom 25A. Eine Kontrollsimulation eines Einzelimpulses und die Bestimmung der verursachten Verluste bestätigt diese Werte. Der Temperaturverlauf der Sperrschichttemperatur ist ebenfalls in Abb. 7.11 dargestellt.



   

7.2 Einfluß der realen Schaltzeiten auf optimierte Pulsmuster

Neben der Verlustermittlung sind Untersuchungen zum Schaltverhalten die wichtigsten Aufgaben der Schaltungsanalyse. Im allgemeinen geht es dabei um die Ermittlung von Schaltzeiten und Flankensteilheiten und daraus resultierenden Folgen, wie Schaltverzug, Schaltverluste oder EMV-Probleme. Aufwendige Meßreihen zur Aufnahme dieser Größen an unterschiedlichen Arbeitspunkten sind durch Simulation mit vertrauenswürdigen Modellen ersetzbar. Im Rahmen des Schaltungsentwurfs können Kompromisse bei gegensetzlichen Anforderungen gefunden werden, z.B. zwischen niedrigen Schaltverlusten und EMV-gerechtem Verhalten. Ziel der Simulation kann in diesem Zusammenhang eine Optimierung des Ansteuerkreises (RG; ±VGG ) des IGBT sein. Da aber Untersuchungen zu Verlusten und Wirkungsgrad bereits im vorangegangenen Abschnitt erfolgten, soll jetzt vor allem das Zeitverhalten mit den Punkten Flankensteilheit und Schaltzeiten näher betrachtet werden.

Es ist möglich, die von schnell schaltenden Leistungshalbleitern, wie dem IGBT, verursachten steilen Strom- und Spannungsflanken und die sich daraus ergebenden Belastungen für das Bauelement selbst und andere Schaltungskomponenten durch Simulation zu bestimmen. Grenzwerte werden von den Bauelemente-Herstellern vorgegeben. Mit Hilfe der ermittelten Schaltflanken können Untersuchungen zu Problemen der EMV, besonders leitungsgebundener Störungen und deren Bekämpfung, durchgeführt werden. Aus den realitätsnah simulierten Aus- und Eingangsgrößen von Stromrichterschaltungen sind über eine Fast-Fourier-Transformation FFT deren Oberschwingungsanteile zu berechnen, so daß bereits in der Entwicklungsphase eines Gerätes Maßnahmen zur Erfüllung vorhandener Richtlinien getroffen werden können.

Obwohl in der Tendenz die Schaltzeiten bei neuen Bauelementen immer weiter verkürzt werden, bleibt ihr Einfluß dennoch erhalten. Schaltzeiten spielen beispielsweise bei der Aktivierung eines Überstromschutzes mit VCE(sat) -Überwachung oder bei der Festlegung der Verriegelungszeiten tdv von Wechselrichtern eine Rolle. Bei PWM führt diese durch fehlende Einschaltzeit zu Amplitudenverlusten im Vergleich zum theoretisch möglichen Ausgangsstrom. Je höher die Pulsfrequenz, desto größer ist der Einfluß von tdv.

Mit dem für diesen Abschnitt ausgewählten Applikationsbeispiel sollen Aussagen zum Einfluß realer Schaltzeiten auf das Frequenzspektrum eines mit theoretischem Ansatz erzeugten Pulsmusters getroffen werden. Den leistungselektronischen Teil der Anwendungsschaltung bildet ein Einphasenwechselrichter einer Unterbrechungsfreien Stromversorgung USV, der mit einem nachgeschalteten Filter eine möglichst sinusförmige Ausgangsspannung liefern soll. Für einen einfachen Filteraufbau als Tiefpaß ist es notwendig, daß das Amplitudenspektrum der Ausgangsspannung des Wechselrichters einen hohen Anteil der Grundschwingung besitzt und Oberschwingungen mit niederer Ordnungszahl (3, 5, 7,...) möglichst nicht vorhanden sind. Höherfrequente, energieärmere Spannungsanteile lassen sich leichter herausfiltern. Ein für diesen Zweck theoretisch erstelltes Pulsmuster geht von idealen Schaltflanken aus. Praktisch vorhandene Schaltzeiten führen zu Überlappungen bei synchronen Ein- und Ausschaltvorgängen in einem Brückenzweig, so daß Verriegelungszeiten zur Vermeidung von Brückenkurzschlüssen notwendig sind. Die realen Schaltzeiten führen zu Änderungen am Frequenzspektrum. Das Ignorieren dieser Tatsache könnte unter Umständen zu fehlerhafter Filterauslegung führen.

Die zu lösenden Probleme lauten daher:

1. Mit welchem Pulsmuster können die Anforderungen an die Ausgangsspannung des Wechselrichters erfüllt werden?
2. Welche Verriegelungszeiten sind für einen sicheren Betrieb notwendig?
3. Sind nichterwünschten Oberschwingungen mit einer beachtenswerten Amplitude zu erwarten?

7.2.1 Erzeugen des Pulsmusters

Zur Berechnung der elektrischen Ansteuerwinkel wird ein theoretischer Ansatz gewählt /Kronbg/. Ansatzpunkte sind die Überlegungen, daß sich die Ausgangsspannung des Wechselrichters in ein diskretes Spektrum periodischer Funktionen zerlegen läßt, und daß wegen ihrer Symmetrie geradzahlige Anteile entfallen. Für die auf Zwischenkreisspannung normierte Ausgangsspannung und die Koeffizienten für die Amplituden gelten die Beziehungen:

Wegen der Symmetrieverhältnisse ist eine Betrachtung einer ¼ Periode ausreichend. Bei einem zweiwertigen System wechselt die normierte Ausgangsspannung zu den Ansteuerzeitpunkten zwischen den Werten +1 und -1 gemäß Abb. 7.12. Mit dieser Randbedingung kann ein allgemeingültiges Gleichungsystem aufgestellt werden, welches die Beziehung zwischen den Ansteuerwinkeln   und den Koeffizienten herstellt.

Zum Erreichen einer großen Amplitude der Grundschwingung wird im Gleichungssystem b1 = 1 und zur Unterdrückung der Oberschwingungen 3. bis m. Ordnung wird b3 ... bm = 0 gesetzt. Mit Hilfe mathematischer Software ist das Gleichungssystem zu lösen, so daß die Ansteuerwinkel der ersten ¼ Periode zur Unterdrückung der Oberschwingungen beliebig hoher Ordnungszahl berechenbar sind. Die Komplementärwinkel für den Bereich /2 bis  berechnen sich aus 2n1n. In der zweiten Periodenhälfte gelten die gleichen Winkel, nur wird jetzt die Zuordnung zu den Transistoren im Wechselrichter vertauscht. Grenzen für die Anzahl der unterdrückten Oberschwingungen entstehen mit steigender Pulsfrequenz (fPuls = m+2) durch die realen Schaltzeiten und das Anwachsen der Verluste, wodurch ab einem Punkt der Wirkungsgrad der USV sinkt. Ziel für das in Abb. 7.12 dargestellte Pulsmuster war die Beseitigung der ersten 6 Oberschwingungen von der 3. bis zur 13. Ordnung. Für die erste ¼ Periode lauten diese Winkel in Bogenmaß:
 11 =0,20336; 12 = 0,33939; 13 = 0,61054; 14 = 0,68522; 15 = 1,01881; 16 = 1,04655; 17 = 1,56877. Die Komplementärwinkel zur vollen Periode ergeben sich wie oben beschrieben.

Zum Test des Pulsmusters wird die Schaltung eines Einphasen-Wechselrichter aufgebaut und damit der Zeitverlauf der Ausgangsspannung in einer Transientenanalyse bestimmt. Beschränkt sich die Aufgabenstellung auf diesen Test, so daß weder die Verluste noch das Schaltverhalten interessieren, sind idealisierte Modelle für Dioden und Transistoren (Schalter) ausreichend. Bei Simulation mit statischen Halbleitermodellen sind bei dieser Pulsfrequenz (fPuls = 750Hz) noch die Verluste im Wechselrichter mit hinreichender Genauigkeit berechenbar. In beiden Fällen wird der Strom ideal geschaltet, daher dürfen keine Streuinduktivitäten in der Schaltung enthalten sein.

Die Art der Erzeugung der Ansteuersignale hat keinen direkten Einfluß auf die Ausgangsspannung, so daß eine effektive Modellierung dieses Schaltungsteils über Petrinetze (siehe Kap. 3.1.2) erfolgen kann. Die Struktur der Netze ist in Abb. 7.13 nur angedeutet. Die Ansteuerwinkel  werden in Abhängigkeit zur Periodendauer der Grundfrequenz in Schaltzeiten t  umgerechnet. Zum Ende jeder Halbwelle schließt sich der Zustandgraph wieder am Ausgangszustand Z0/M. In Z0/M wird nach jedem Durchlauf der Schleife die Startzeit für die Ansteuerwinkel neu gesetzt und die Polarität der Ansteuerspannung getauscht. In jedem Zustand werden zwei im Wechselrichter diagonal gegenüberliegende Transistoren angesteuert. Nach Ablauf der ersten Schaltzeit geht das System in den Zustand Z1 über und damit wechselt das Paar der angesteuerten Transistoren. Diese Netzstruktur wird entsprechend der Anzahl der Ansteuerwinkel einer Halbwelle fortgesetzt. Um später Verriegelungszeiten einfügen zu können, sind Parallelstrukturen zu diesem Graph notwendig.

Die FFT der mit dieser Schaltung simulierten Ausgangspannung Va = 220V zeigt das erwartete Spektrum (Abb. 7.12). Oberschwingungen bis zur 13. Ordnung sind nicht enthalten. Um die FFT richtig durchführen zu können, sind einige Grundregeln der Signaltheorie zu beachten. Vor der Simulation muß sichergestellt werden, daß exakt ganze Perioden im eingeschwungenen Zustand mit ausreichend Stützstellen für die Analyse zur Verfügung stehen. Die Anzahl der Stützstellen richtet sich nach der Ordnung der auszuwertenden Oberschwingungen.

7.2.2 Einflüsse des realen Schaltverhaltens

Da bei der Berechnung der Pulsmuster von idealen Sprüngen an den Schaltflanken ausgegangen wurde, sind Untersuchungen notwendig, die den Einfluß realen Schaltverhaltens auf das Spektrum der Ausgangsspannung und das Verhalten des Wechselrichters bestimmen. Zu erwarten sind Verzögerungszeiten, die ein Schalten exakt zu den berechneten Zeiten unmöglich machen. Weiter werden die Flanken verschliffen und es ist bei höheren Pulsfrequenzen mit einer Zunahme der Verluste zu rechnen.

Das Auftreten von Schaltzeiten fordert Verriegelungszeiten tdv zwischen den Schaltvorgängen der Brückenhälften eines Brückenzweiges, in der keiner der beiden Transistoren angesteuert wird. Anderenfalls erzeugen der sich im Ausschaltvorgang befindliche Transistor und der gerade einschaltende Transistor einen Kurzschluß (Abb. 7.14).

Eine niedrige Pulsfrequenz, wie oben ideal simuliert, erlaubt den Einsatz von Bipolartransistoren, allerdings schalten diese sehr langsam, so daß große Verriegelungszeiten notwendig sind, welche das ideal berechnete Pulsmuster zerstören. Der Einsatz von IGBT mindert diesen Nachteil, da auch höhere Pulsfrequenzen als im Beispiel angestrebt werden. Mit Hilfe der Simulation können die minimal zulässigen Verriegelungszeiten ermittelt werden. In der Schaltung nach Abb. 7.13 werden die Transistoren durch dynamische Modelle dieses Bauelementes ersetzt. Die Modelle sind für den ungünstigsten Fall zu parametrisieren, das heißt hohe Temperatur und maximale Kapazitäten für maximale Schaltzeiten. Der geeignete Gatevorwiderstand ist auszuwählen, wobei ein Kompromiß zwischen kurzen Delay-Zeiten und steilen Flanken von Strom und Spannung zu finden ist. Mit dynamischen Modellen ist die Simulation unter Einbeziehung von Streuinduktivitäten möglich, so daß induzierte Spannungsspitzen bei der Optimierung des Ansteuerkreises berücksichtigt werden können. Die notwendige Verriegelungszeit steigt wegen größerer Halbleiterkapazitäten mit der Ausgangsnennleistung der USV. Die störende Wirkung der Verriegelungszeiten nimmt mit der Anzahl der zu unterdrückenden Oberschwingungen (~Pulsfrequenz) zu.

Für die Beispielsimulationen wurde der Einphasen-Wechselrichter für eine Leistungsklasse bis 40 kVA dimensioniert mit den Parametern Va = 220V, RG = 20, VGG = ±15V, IGBT-Module: SKM200GB101D (Semikron) und der Ordnung der höchsten zu unterdrückenden Oberschwingung m = 13.

Die FFT der Ausgangsspannung weist eindeutig einen Anstieg der Amplituden der unerwünschten Oberschwingungen mit steigender Verriegelungszeit auf. Bei dieser Pulsmusterwahl und der für die Leistungsklasse großzügig bemessenen Verriegelungszeit von tdv = 10µs liegen sie aber immer noch in einem Bereich um 1% der Grundschwingung und stellen damit keine Störung dar. Es ist in diesem Bereich noch zulässig mit statischen Transistormodellen zu arbeiten. Als bestmögliche Verriegelungszeit wurde tdv = 5µs ermittelt.

Auf dieser Basis weiterführende Simulationsaufgaben können die Filterauslegung und eine Abstimmung des Pulsmusters mit der Grenzfrequenz des Filters sein. Eine Aufgabe, bei der dynamische Halbleitermodelle benötigt werden, ist das Bestimmen einer optimalen Pulsfrequenz, um die Verluste im Wechselrichter und im Filter als Gesamtschaltung zu minimieren.