2.1 Grundlegender Aufbau und Funktion eines Gelenks
Jedes Gelenk besteht aus einem auf knöchener Basis konvex geformten
Gelenkkopf und konkaver Gelenkpfanne. Kopf und Pfanne bilden eine Kongruenz.
Je nach Form der kongruenten Gelenkkörper und ihrer Artikulation kann
man eine Einteilung in einachsige ( Scharnier- und Zapfengelenk
), zweiachsige ( Ellipsoid- und Sattelgelenk ), drei- oder
vielachsige ( Kugel- und Nußgelenk ) und straffe Gelenke
vornehmen. Sie zeichnen sich durch ihre anatomisch definierten Freiheitsgrade
aus. Die Gelenkflächen sind mit einem hyalinen Knorpel von 2 bis 6
mm Dicke überzogen, "im zentralen Teil der Gelenkfläche dicker
als im peripheren, an den konvexen Abschnitten kräftiger ausgeprägt
als an den konkaven Teilen" (Tittel, K., /112/, S. 50). Größere
und stärker beanspruchte Gelenke weisen meist eine dickere Knorpelschicht
auf als kleinere und weniger belastete. Der Gelenkspalt zwischen den artikulierenden
Gelenkflächen sichert die Gelenktrophik durch die Synovia und ist
ein Qualitätszeichen des Gelenkzustandes. Das Gelenk wird von einer
Gelenkkapsel umschlossen, die sich in die innere Gelenkkapselschicht
( Membrana synovialis ) und die äußere Gelenkkapselschicht
( Membrana fibrosa ) strukturiert. Die innere Gelenkkapselschicht produziert
die für das Gelenk äußerst wichtige Gelenkschmiere ( Synovia
), die sowohl für eine optimale " Schmierung " und Ernährung
der Gelenkkörper, vor allem des hyalinen Knorpels (bradytrophes Gewebe),
als auch für den Abtransport von Stoffwechselschlacken verantwortlich
ist. Sie wird durch das synoviale Kapillarnetz versorgt. Das Gelenk sichert
seinen Grundenergiebedarf über glycolytische Prozesse ab. Deshalb
ist eine regelmäßige und ausreichende Entschlackung sehr wichtig.
Die Stabilität des Gelenks wird durch Verstärkungsbänder
der Gelenkkapsel gewährleistet. Eine gut entwickelte Skelettmuskulatur
(Belastungskompensation) sowie ein intaktes Binde- und Stützgewebe
(z.B. Sehnen und Bänder, Knorpel, Knochenbau ) sind Garant für
eine anforderungsgerechte Gelenkstabilität. Für eine optimale
knochenprotektile Belastungsübertragung weisen einige Gelenke ( z.B.
Articulatio genus ) Menisken auf, die mit den angrenzenden Gelenkflächen
sog. Teilgelenke bilden. Zu solchen Sonderstrukturen zählen auch die
Schleimbeutel ( Bursa synovialis ). Ein Gelenk mit seinen Bestandteilen
bildet ein biologisches System oder auch eine Funktionseinheit. Dieses
wird bestimmt durch:
- Formstabilität durch den knöchernen Unterbau
- qualitätserhaltende Trophik des Gelenkknorpels
- Produktion einer optimal zusammengesetzten Gelenkflüssigkeit
- angepaßte Belastungsverteilung durch Kapselbandapparat und Muskulatur
- adäquate funktionelle Inanspruchnahme des Gelenks.
Es gilt der Grundsatz: Adäquate Bewegung sichert optimale Ernährung des Gelenks ( speziell des hyalinen Knorpels ) und damit Strukturerhaltung!.
Jede Störung innerhalb dieses Systems kann eine Funktionseinschränkung oder Veränderungen in den anderen Komponenten und letztlich irreversible Schäden am Gelenkknorpel oder sogar an den subchondralen Basen der Gelenkflächen zur Folge haben ( z.B. Arthritis ). " Nichtgebrauch eines Gelenks, gleich welcher Ursache, hat somit eine Störung der Knorpelernährung (Durchsaftung des Gelenkknorpels) und somit eine Störung des Knorpelstoffwechsels zur Folge." (Schmidt, H., /96/, S.46) Fehlende Entwicklungsreize während des Wachstumsprozesses können zu bedeutenden Entwicklungsstörungen ( Unterent-wicklung ) am gesamten Gelenksystem führen.
Der gesunde hyaline Gelenkknorpel sichert durch seine
spezifischen Eigenschaften eine hohe Belastbarkeit des entsprechenden Gelenks.
Deshalb können Schäden am Gelenkknorpel einen bedeutenden Funktions-
und Belastbarkeitsverlust ( je nach Art und Schwere der Verletzung bzw.
Zerstörung des Gelenkknorpels ) der Funktionseinheit Gelenk hervorrufen.
Der hyaline Knorpel ist gefäßlos. Er besteht aus Knorpelzellen
( Chondrozyten ) und zwischengelagerten Faser- und Füllsubstanzen,
der sogenannten Matrix. Das Verhältnis zwischen Grundgerüst und
Matrix beträgt 1 : 10. Damit überwiegt die Matrix. Die kollagenen
Faserstrukturen in der Knorpelgrundsubstanz bilden ein auf Zug belastbares
dreidimensionales dichtes Netzwerk, in welchem gebundene Eiweißzucker,
sogenannte Proteoglykane ( Glucosaminoglucane, Chondroitinsulfat und Keratansulfat
durch Hyaluronsäure zu einem Komplex verbunden ) eingeordnet sind.
Die Proteoglucane und Glucosaminoglucane üben eine ordnende Wirkung
auf die kollagenen Fibrillen aus. Eine biochemische Zusammensetzung des
hyalinen Gelenkknorpels kann näherungsweise mit 15-20 % Kollagen,
5 % Glucosaminoglucane, 5 % Eiweißsubstanzen, 75 % Intercellularsubstanz
(vgl. Noack, W. in /125/, S. 20) beschrieben werden. Diese Proteoglucane
bestimmen durch ihr hohes Wasserbindungsvermögen Formkonstanz und
Elastizität des hyalinen Knorpels ( Wasserkissenfunktion ) und sichern
damit eine hohe Druckresistenz. " Der durch diese Fesselung ( Kollagenfasernetz;
d.A. ) gebändigte osmotische Druck erreicht etwa 3 atm. Die Knorpelhärte
ist somit direkt abhängig von der Intaktheit des Kollagenfasernetzes."
(Seesko, H., /102/, S.38) Die Matrix besitzt eine Halbwertszeit
von nur einigen 100 Tagen und wird von den Chondrozyten kontinuierlich
produziert. Im Gegensatz zur Matrix ist die Knorpelgrundsubstanz auf Lebenszeit
angelegt. Sie verliert mit dem Wachstumsende ihre Eigenschaft, sich mitotisch
zu teilen (Zellen vom sog. postmitotischem Typ). Damit ist nach dem Abschluß
des Längenwachstums keine Regeneration mehr möglich. Deshalb
sind Schäden am Grundgerüst des hyalinen Knorpels irreversibel
und Ziel einer Behandlung ist dann, die degenerativen Gelenkabnutzungsprozesse
zu " stoppen " oder zumindest zu verzögern. Das Netzwerk des hyalinen
Knorpels bildet kleine Funktionseinheiten ( Domänen ), die bei Belastung
elastisch verformt und komprimiert werden und dadurch ihr Gewebswasser
in benachbarte, weniger belastete Domänen abgeben. Damit wird klar,
daß die Belastungsgeschwindigkeit Einfluß auf die Belastungsgrenze
des hyalinen Knorpels hat. Bei extrem schnellen Druckbelastungen ( Schnellkraftsportarten
/ Kampfsport ) nimmt er eine glasharte Konsistenz an und kann traumatisiert
werden. Der hyaline Knorpel verfügt durch seinen Bau über erstaunliche
mechanische Eigenschaften.
Er ist für die knochenprotektive Umformung einwirkender Druck-
und Schwerkräfte sowie Realisierung einer reibungsarmen Bewegung verantwortlich.
Der Reibungskoeffizient im gesunden Gelenk beträgt 0,003 bis 0,02,
dies ist eine Zehnerpotenz niedriger als in technisch hochwertigen, hydrodynamisch
geschmierten Lagersystemen (vgl. Zippel, H., /128/, S. III). Die
Ernährung des hyalinen Gelenkknorpels erfolgt einerseits durch die
Synovia. Dieser Prozeß wird über Diffusion bzw. über das
Schwammprinzip durch Be- und Entlasten realisiert. Hier wird deutlich,
daß ein häufiges, gelenkadäquates, physiologisches Durchbewegen
der Gelenke notwendig ist, um eine optimale Verteilung der Synovia im Gelenkinnenraum
zu gewährleisten. Die zweite Ernährungsquelle des hyalinen Knorpels
ist das subchondrale Gefäßsystem der entsprechenden Knochenstrukturen.
Das wachsende Gelenk hat den Vorteil, daß der Gelenkknorpel noch
von Gefäßen des subchondralen Bereiches direkt erreicht wird.
Eine frühzeitige Sklerose der subchondralen Strukturen, meist Folge
einer Rißbildung in diesem Bereich, führt zu einer Mangelernährung
des Gelenkknorpels und damit unausweichlich zu degenerativen Gelenk-veränderungen.
Der funktionelle Reiz des hyalinen Gelenkknorpels ist der intermittierende
Druck, der durch eine mahlende Drehdruckbewegung und rollende Reibung ohne
großen Krafteinsatz gekennzeichnet ist. Dauerdruck ( statische Belastung
) ist hingegen ein absolut vernichtender Reiz für den hyalinen Knorpel.
Anatomische Normabweichungen und Fehlbildungen können einen solchen
negativen Reiz bedingen. Aufgrund der Bradytrophik des Gelenkknorpels vollziehen
sich Adaptationen sehr langsam, meist über Jahre hinweg. Dennoch kann
die Füllsubstanz auf kurzzeitige Belastungssteigerung schnell reagieren,
indem sie durch eine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme die Knorpelschicht
vergrößert ( sog. temporäre Dickenzunahme ) und damit gleichzeitig
kleinere Gelenkinkongruenzen ausgleicht. Diese kurzzeitige " Hypertrophie
" bildet sich nach ca. 30 min Belastungspause zurück. Junges hyalines
Knorpelgewebe besitzt eine bessere Adaptationsfähigkeit als älteres
Gewebe. Das gesunde menschliche Gelenk besitzt eine enorm breite Toleranz.
Wie Groh (1962) anhand eines Kraft-Frequenz-Diagrammes des Hüftgelenkes
nachwies, wird die von Pauwels errechnete Grenzbelastung von 220
kp/cm² Knorpelfläche zur Entstehung einer Coxarthrose ( Hüftgelenksarthrose
) selbst bei leistungssportlichen Laufbelastungen ( 10 000 m - Läufer:
50 kp/cm² Knorpelfläche ) bei weitem nicht erreicht. (Reichelt,
A., /89/, S.274) Damit ist bei gesunden Gelenken langjähriges
leistungsorientiertes Sporttreiben als Ursache für die Entstehung
von Arthrosen auszuschließen. Das Nervensystem des Gelenks ermöglicht
durch Propriorezeptorengruppen, insbesondere durch die sog. Gelenkspindeln,
die Feinsteuerung der Gelenkmotorik und stellt gleichzeitig den natürlichen
Überlastungsschutz dar.
Das Hüftgelenk ( Articulatio coxae ) des Erwachsenen ist funktionell
ein modifiziertes dreiachsiges Kugelgelenk, das aufgrund seiner anatomischen
Besonderheiten auch als Nußgelenk bezeichnet wird. Es ermöglicht
Bewegungen in allen drei Ebenen des Raumes und Rotationsbewegungen. Die
Sicherung dieses Gelenkes erfolgt durch seine anatomische Bestimmtheit
( knöcherne Gelenkteile ), einen kräftigen Bandapparat und die
das Hüftgelenk von allen Seiten umgebende Muskulatur. Seine Komplexität
und Belastungstoleranz resultieren entwicklungsbedingt aus der besonderen
Mittlerfunktion von Körperstamm und unteren Extremitäten ( aufrechter
Gang ).
2.2.1 Hüftgelenkspfanne ( acetabulum )
Die Hüftgelenkspfanne, die beim Erwachsenen einer Hohlhalbkugel
entspricht, wird beim Heranwachsenden durch Bestandteile des Darmbeines
( Os ilium ), des Sitzbeines ( Os ischii ) und des Schambeines
( Os pubis ), die sich durch die hyaline Knorpelschicht der Y-Fuge
gemeinsam zum Hüftbein ( Os coxae ) vereinigen, gebildet. Der
Krümmungsradius der Hohlhalbkugel beträgt im Mittel 2,7 cm und
ihre Knorpelfläche 16 cm² (Tönnis, D., /114/, S.1).
Die Hüftgelenkspfanne ist nicht vollständig mit hyalinem Knorpel
überzogen, sondern nur an einem 2 cm breiten, bis zu 3 mm dicken,
mondsichelförmigen Pfannenabschnitt, der Facies lunata, der
den physiologischen Belastungzonen der artikulierenden Gelenkkörper
entspricht. Die dadurch entstehende Vertiefung in der Mitte der Gelenkpfanne
( Fossa acetabuli ) ist mit lockerem Binde- und Fettgewebe ausgefüllt,
das dünne Blutgefäße enthält und zur Pufferung von
Erschütterungen des Schenkelhalskopfes ( Caput femoris ) auf
die Hüftgelenkspfanne dient. Der knöcherne Pfannenkörper
findet seine Fortsetzung in einen faserknorpeligen, bis zu 1 cm breiten
prismatischen Randsaum - der Pfannenlippe ( Labrum acetabulare )
und umschließt damit etwas mehr als die Hälfte des Schenkelhalskopfes
( " Nußgelenk " ). Sie liegt am Hüftkopf eng an und wird von
der kräftigen Gelenkkapsel mit umschlossen. Der Gelenkpfannen / -kopf
/ -bänderkomplex gewährleistet eine außerordentlich große
Belastbarkeit. Der am unteren Pfannenrand verbleibende Einschnitt ( Incisura
acetabuli ) wird durch ein Querband - das Lig. transversum acetabuli
- überbrückt. Die Hüftgelenkspfanne ist nach kaudal-lateral
geöffnet. Diese Öffnung läßt sich durch eine an den
Pfannenrändern tangential angeschmiegte Ebene - die sog. Pfanneneingangsebene
( nach v. Lanz ) - beschreiben. Ihre Lage wird durch den Winkel
zwischen Körperlängsachse und der Tangente am Pfannenrand bestimmt.
Der durchschnittliche Wert dieses Neigungswinkels beträgt 42°,
die mittlere Streuung wird nach v. Lanz mit Werten zwischen 37°
und 47° angegeben. Neugeborene weisen eine mittlere Neigung von 31°,
Kinder von 10 Jahren bereits eine mittlere Neigung von 39° auf. Die
eingangs erwähnte Y-Fuge verknöchert mit Wachstumsende und ist
beim Erwachsenen in der Regel nicht mehr nachweisbar. Kommt es während
der physiologischen Entwicklung zu sog. Ossifikationsrückständen
der Pfannenränder oder fehlt der physiologische Entwicklungsreiz
2.2.2 Schenkelhalskopf, Schenkelhals und Femurtorsionswinkel
Der Schenkelhalskopf stellt zwei Drittel einer Kugel mit konstantem
Krümmungshalbmesser von ca. 2,5 cm dar. Seine Mittelpunktslage entspricht
im Normalfall der der Hüftpfanne. Der obere Pol des Caput femoris
ist leicht abgeflacht und beherbergt die kleine dreieckige Grube ( Fovea
capitis ). Damit erfolgt eine Belastungsverteilung auf einen Ring um
den oberen Pol. Der Schenkelkopf ist zu zwei Dritteln überknorpelt,
ventral und dorsal etwas tiefer als an den Seiten. Die Knorpelpartien von
Kopf und Pfanne bilden am gesunden Hüftgelenk eine anatomische Einheit.
Die Dicke des hyalinen Gelenkknorpels variiert entsprechend der Druckbelastung
der Gelenkpartien. In den Hauptbelastungszonen ( etwas unter und vor der
Mitte ) beim Gehen bzw. Stehen findet man Knorpelstärken von 2,7-3,7
mm ( nach v. Lanz u. Wachsmuth ) während zum Rand hin
die Dicke nur noch 1,0-1,9 mm mißt. Ein für die Frühentwicklung
des Hüftkopfes wichtiges Blutgefäß, welches im Lig.
capitis femoris verläuft, findet in der Fovea capitis sein
Ziel. In Gelenkneutralstellung liegen Fossa acetabuli, der Ursprung
des Lig. capitis femoris und Fovea capitis einander gegenüber.
Die entwicklungsbedingte Ossifikation des proximalen Femurendes wird von
einem Kopfepiphysenkern sowie einem Kern im Bereich des Trochanter major
gesteuert. Wachstumsstörungen ( verspätetes Erscheinen der Kerne
) können zu Dysplasien führen, die zwischen beiden Hüftgelenken
nicht im Zusammenhang stehen müssen.
Der Schenkelhals ( Collum femoris )
Der Schenkelhals wird faßt vollständig von der Hüftgelenkkapsel
umschlossen, die vorn bis zur Zwischenrollhügellinie des Schenkelbeines
zieht und hinten bereits in der Mitte des Schenkelhalses endet. Seine Abwinkelung
gegenüber dem Femurschaft wird durch Belastung und Funktion bedingt.
So stehen die Wachstumszonen der Epiphysen im Normalfall senkrecht zum
druckresultierenden Kraftvektor. Die sog. Antetorsion ermöglicht und
limitiert die Innen- und Außenrotationsfähigkeit des Femurs.
Die Neigung des Schenkelhalses wird durch den Centrum-Collum-Diaphysenwinkel
( CCD-Winkel nach Müller ), der auch als Neigungswinkel
Der Femurtorsions- oder auch Antetorsionswinkel ( AT-Winkel
) beschreibt die physiologische Drehung des Schenkelhalses gegenüber
der transversalen Kniekondylenachse nach vorn. " Legt man ein Femur auf
den Tisch, so weist der Schenkelhals nach medial oben, er ist antetorquiert.
" (Hähnel, H. / Ehricht, H.-G., /42/, S. 289) Seine
Bestimmung erfolgt durch das Anlegen der Tangente an den Kniegelenkkondylen
und deren Schnitt mit der Schenkelhalsachse aus kranialer Aufsicht. Der
normale Antetorsionswinkel beim Erwachsenen beträgt +14°.
Es sind pathologische Abweichungen sowohl in Antetorsions- als auch Retrotorsionsrichtung
möglich, wie auch Anteversion bzw. Retroversion des Schenkelkopfes
beobachtet wurden ( vor allem nach langfristiger Lorenz-Behandlung ). Auch
die Antetorsion unterliegt während der physiologischen Entwicklung
deutlichen Veränderungen. Beim Neugeborenen gibt v. Lanz für
die Antetorsion durchschnittlich 31° an. Bis zum Erwachsenenalter erfährt
sie eine Abnahme bis auf 12°. " Bei einer Hüftdysplasie ist sie
häufig erhöht. " ( Tönnis, D., /114/, S. 4 )
2.2.3 Achsendefinitionen -
Schenkelschaftachse, mechanische Längs-, Femurschaft-
und Kniebasisachse, Vertikallinie
Die mechanische Längsachse des Beines verbindet bei gesunden
anatomischen Verhältnissen die Gelenkmittelpunkte des Hüft-,
Knie- und oberen Sprunggelenkes.
Die Femurschaftachse ist durch die durchschnittliche Femurdiaphysen-mittelpunktslage
eindeutig bestimmt und bildet medial mit der Schenkelschaftachse den oben
erwähnten CCD-Winkel.
Die Kniebasisachse ( auch Kniebasislinie ) ist die Verbindungslinie
beider Femurkondylenflächen und mit der sog. Kniegelenksachse identisch.
Sie steht senkrecht zur Vertikallinie ( auch Medianlinie oder Normale
).
2.2.4 Gelenksicherung
Der Bandapparat des Hüftgelenks ist sehr komplex und " schraubenartig
" angelegt. Dies bedeutet, daß man bei Hüftgelenksstreckung
von einem" zugedrehten " Bandapparat, bei Beugung der Hüfte hingegen
von einer " aufgedrehten " ( entspannten ) Stellung der Bänder spricht.
Das Lig. iliofemorale ( auch BERTINsches Band ) entspringt
am vorderen unteren Darmbeinstachel ( Spina iliaca anterior inferior
), teilt sich in zwei Züge und zieht fächerartig zur Zwischenrollhügellinie
( Linea intertrochanterica ). Der obere kürzere Zug schränkt
eine Adduktion und Außenrotation des Beines ein, der längere
vordere hingegen hemmt mit dem gesamten vorderen Kapselanteil eine Überstreckung
( Retroversion ) des Spielbeines. Das Lig. iliofemorale ist
mit 300 bis 350 kg Zugfestigkeit der stärkste Bandzug des menschlichen
Körpers, 6 bis 8 cm lang, 1,5 cm dick und 2 bis 3cm breit. Seine Hauptfunktion
besteht darin, das Becken bei Schwerpunktverlagerungen im Gleichgewicht
zu halten und ein evtl. Nachhintenkippen des Oberkörpers zu vermeiden.
Es sichert mit dem M. glutaeus maximus die aufrechte Haltung. Das
Lig. pubofemorale nimmt seinen Ursprung am oberen Schambeinast und
strahlt mit dünnen Fasern in die mediale Gelenkkapselwand. Es hemmt
das Abspreizen des Beines und die Außenrotation des abduzierten Schenkels.
Überblick des Bandapparates:
I a) oberes
2.2.4.2 Die Gelenkkapsel ( Capsula articularis )
2.2.4.3 Die Hüftgelenksmuskulatur
Anteversion ( Beugung )
1. Lenden-Darmbeinmuskel ( M.iliopsoas )
Retroversion ( Streckung )
1. großer Gesäßmuskel ( M. glutaeus maximus )
Abduktion
Adduktion
Innenrotation
Außenrotation
(Tittel,K., /112/, S.267 und Tönnis, D., /114/, S.
8)
2.2.5 Blutgefäße des Hüftgelenks
2.2.5.2 Blutgefäßversorgung der Hüftpfanne
Die Hüftgelenkspfanne wird entwicklungsbedingt durch drei wesentliche
Zuströme versorgt. Aus der A. obturatoria zieht die A. praeacetabuli
zum Schambein ( Os pubis ) und die A. infraacetabularis zum Unterrand
der Pfanne. Der Iliumanteil und das Pfannendach werden von der A. supraacetabularis
versorgt, die von der A. glutaea superior geschickt wird. Den Bluttransport
zum dorsalen Pfannenbereich und Os ischii gewährleistet der Endast
der
2.2.6 Nervenversorgung des Hüftgelenks
2.3 Funktion des gesunden Hüftgelenks
2.3.1 Anteversion ( Beugung )
2.3.2 Retroversion ( Streckung )
2.3.3 Abduktion und Adduktion
2.3.4 Innen- und Außenrotation
2.4.2 Zur Entwicklung des Hüftgelenkkopfes
und des Schenkelhalses
Für die Entwicklung von Hüftkopf und Schenkelhals sind drei
Epiphysenkerne verantwortlich, denn zunächst sind Femurkopf bis Trochanter
major nur eine einheitlich wachsende Knorpelanlage. Diese sind der Kopfepiphysenkern,
der mit dem 2.-8. Lebensmonat erscheint, der Epiphysenkern des Trochanter
major, welcher zwischen dem 2. und 7. Lebensjahr nachweisbar wird und der
des Trochanter minor, der erst zwischen dem 6. und 11. Lebensjahr hervortritt.
Mit Abschluß des Wachstums verknöchern die Kerne und es kommt
zum Schluß der Epiphysenfuge. Dies ist beim männlichen Geschlecht
zwischen dem 15. und 21., beim weiblichen zwischen dem 14. und 19. Lebensjahr
der Fall. Verzögert sich das Auftauchen des Kopfepiphysenkernes über
das Normale hinaus, so besteht ein berechtigter Verdacht auf ein krankhaftes
Geschehen. Dies kann eine Einschränkung der Belastbarkeit zur Folge
haben. Für eine normle Entwicklung des Hüftkopfes, des Schenkelhalses
und der Pfannenabschnitte mit der Y-Fuge bedarf es einer sehr feinen Abstimmung
mit regulärer Gelenkfunktion und Gelenkbelastung. Die statisch-muskuläre
Belastung auf das Gelenk hat teil an der Ausbildung des CCD-Winkels wie
auch der Kopfeigenschaften. Hier zeigt sich, daß die funktionelle
Belastung des Gelenks entwicklungsphysiologische Bedeutung hat. Bei gesunder
Entwicklung steht die resultierende Druckkraft senkrecht auf der Epiphysenzone.
Bei Abweichungen, wie Coxa vara und Coxa valga, fällt die resultierende
Kraft aus der Normalenebene heraus und erzeugt Zug- und Schubspannungen
im Epiphysenbereich. Muskuläre Dysbalancen, wie sie zum Beispiel bei
Spastikern in Form eines gesteigerten Adduktorentonus auftreten, erzeugen
somit ebenfalls pathologische CCD-Winkel oder Änderungen der Femurtorsion.
2.4.3 Zur Blutgefäßversorgung während
der fünf Entwicklungsphasen
2.5 Biomechanik und Belastbarkeit des gesunden Hüftgelenks
Eine nach wie vor zentrale Frage der Orthopädie ist die Einschätzung
der Belastbarkeit und die Bestimmung von Gelenkbelastung und -beanspruchung
des menschlichen Hüftgelenks. " Das menschliche Hüftgelenk stellt
eine evolutionäre Notlösung der Natur dar. " ( Legal, H.
in Tönnis, D., /114/,S. 26 ) Die Anforderungen an dieses Gelenk
sind mit dem anthropologischen Übergang zum aufrechten Gang enorm
gestiegen, trägt doch ein Hüftgelenk beim Einbeinstand ( sog.
Standbeinperiode des Ganges ) 5/6 des gesamten Körpergewichts ( Gesamtkörpergewicht
minus Standbeingewicht ). Biomechanisch stellt das Hüftgelenk mit
seiner entwicklungsbedingten Verwringung des Bandapparates und der nach
ventral geöffneten Gelenkpfanne kein Optimum dar. Im folgenden soll
nur ein Überblick über die wesentlichsten Erkenntnisse der Biomechanik
des Hüftgelenks folgen. Eine allumfassende und erschöpfende Deskription
würde den Rahmen und das Anliegen dieser Arbeit sprengen. Vielmehr
geht es um das Verständnis, warum die Beurteilung der tatsächlichen
Hüftgelenksverhältnisse sehr komplex und schwierig ist und oft
keine eindeutig abschließenden Aussagen möglich sind.
2.5.1 Ein kurzer historischer Exkurs ( zur Literatur
)
2.5.2 Zur Biomechanik des Hüftgelenks
2.5.2.2 Gleichgewichtsrelationen, physikalische Momente am Hüftgelenk
( Statik des Hüftgelenks )
2.5.2.3 Die Veränderung biomechanischer
Parameter bei anatomischen Besonderheiten am Beispiel von Coxa valga et vara
Bereits Pauwels gab eine grobe Abschätzung von Richtung
und Größe der Gelenkresultierenden R sowie der Muskelkraft
M zum Körperpartialgewicht G5 für die Coxa norma,
Coxa valga und Coxa vara an. Für normale Hüftgelenksituationen
besteht ein Verhältnis von Körperpartialgewicht zu abduzierender
Muskelkraft wie 1 : 3 ,
2.5.3 Schlußbetrachtungen
Wie bereits erwähnt, ist das menschliche Hüftgelenk ein evolutionärer
Kompromiß der Natur und damit keine biomechanische Optimallösung.
Anatomische Abweichungen in allen drei Dimensionen ( z.B. Coxa valga et
vara, Coxa torta mit ihren Variationen und Kombinationen ) verändern
die Kräfterelationen am und im Hüftgelenk. Zusätzlich können
muskuläre Dysbalancen, ein insuffizienter Kapsel-Band-Apparat sowie
Gelenkknorpelstoffwechsel und andere Faktoren die Belastbarkeit des Hüftgelenks
herabsetzen. Biomechanische Berechnungsmodelle können zur Einschätzung
der Gelenksituation und zur Planung operativer Korrekturen
2.2 Anatomie des gesunden Hüftgelenks
( zentrischer Druck ) des sphärischen Schenkelhalskopfes, der
für die Ausbildung einer genügend tiefen Hüftgelenkspfanne
notwendig ist, kommt es zu einem Ausprägungsdefizit - einer Pfannendysplasie.
Schenkelhalskopf ( caput femoris )
( A. Fick ) oder Schenkelhalswinkel ( v. Lanz
) bezeichnet wird, dem nach innen offenen Winkel zwischen Schenkelhals-
und Schenkelschaftachse, beschrieben. Im Mittel beträgt er bei Mann
und Frau 125-126° ( Lange u. Pitzen ), während v.
Lanz Schwankungen zwischen 120-133° für nichtpathologisch
angab. Liegt die Gesamtheit der biomechanischen Faktoren im Normalbereich,
so können durchaus auch größere CCD-Winkel für nichtpathologisch
erklärt werden. Vor allem im Wachstum unterliegt der CCD-Winkel großen
Schwankungen, beim Neugeborenen beträgt er ca. 150°, mit Beginn
der Belastung ca. 140° und mit 15 Jahren ca. 133°. " Mit zunehmendem
Alter und bei Osteoporose verringert er sich bis auf 120° ( v. Lanz
1950 ). " (Tönnis, D., /114/, S. 3) Pathologische CCD-Winkel
gehen häufig aus mangelnder Kongruenz der Gelenkkörper und den
daraus resultierenden muskulären Dysbalancen hervor.
Der Femurtorsionswinkel
Die Schenkelschaftachse verläuft durch die Mittelpunkte
der Schaftquerschnitte der proximalen und distalen Drittelgrenze.
2.2.4.1 Bandapparat des Hüftgelenks
Die dorsal gelegene Gelenkkapselwand wird durch das vom Sitzbein kommende
und zum oberen Ansatz des BERTINschen Bandes ziehende Lig. ischiofemorale
verstärkt. Seine Funktion liegt in der Hemmung der Innenrotation,
Adduktion und dorsalen Überstreckung. Die drei beschriebenen Bandzüge
stehen außerdem mit dem sog. Ringband ( Zona orbicularis )
in Verbindung, das weder an einem Knochen entspringt noch an einem Knochen
ansetzt. Da es einen kleineren Durchmesser besitzt als der Schenkelkopf,
zieht es den Kapselschlauch derart zusammen, daß es scheint, daß
der Gelenkkopf durch eine sehnige Schlinge ( oder auch " Knopfloch " )
gesteckt ist. Als fünftes Band trägt das Lig. capitis femoris
zur Gelenkstabilität bei. Es zieht vom Pfannengrund ( Fossa acetabuli
) direkt zur gegenüberliegenden Kopfgrube ( Fovea capitis femoris
). Durch die Beherbergung wichtiger Blutgefäße in der Wachstumsperiode
hat das Lig. capitis femoris eine wesentliche Bedeutung für
die Entwicklung des Gelenkkopfes. Darüber hinaus scheint es für
die Verteilung der Synovia eine entscheidende Rolle zu spielen.
b) vorderes Darmbein-Schenkelband ( Lig. iliofemorale ),
( 6-8 cm lang / 1,5-3 cm breit / Zugfestigkeit von 300-350 kg,
damit stärkster Bandzug des menschlichen Körpers ),
II a) äußeres
b) inneres Schambein-Schenkelband ( Lig. pubofemorale ),
III a) äußeres
b) inneres Sitzbein-Schenkelband ( Lig. ischiofemorale ),
IV Ringband ( Zona orbicularis ),
V Kopfband ( Lig. capitis femoris );
( im Inneren des Hüftgelenkes verlaufend ).
Die straffe, trichterförmige, enganliegende Hüftgelenkskapsel
ist die dickste und kräftigste unseres Bewegungsapparates. Sie entspringt
am Rand der Hüftgelenkspfanne sowie am Querband und zieht vorne zur
Zwischenrollhügellinie des Femurs und hinten zur Mitte des Schenkelhalses.
Durch die Beteiligung der drei kräftigen Bänder Lig. iliofemorale,
pubofemorale und ischiofemorale ist die Gelenkkapsel bis zu
etwa 500 kg auf Zug belastbar und stellt somit einen entscheidenden Luxationsschutz
des Hüftgelenks dar.
An dieser Stelle soll eine tabellarische Übersicht über die
Muskeln des Hüftgelenks mit entsprechender Hauptfunktionszuordnung
genügen. Es ist durchaus so, daß bei unterschiedlicher Gelenkstellung
Teilmuskelzüge an anderen Bewegungs-realisierungen beteiligt sind.
Alle diese Möglichkeiten zu erörtern würde den Rahmen der
anatomischen Vorbetrachtungen sprengen. Entsprechende elektromyographische
Untersuchungen wurden zum Nachweis geführt und sind in thematisierten
wissenschaftlichen Publikationen zugänglich ( z.B. Inman 1953;
Josef u. Williams 1957; Close 1964; Baumann u.
Behr 1969; Burkhard u. Taillard 1973; Breitenfelder
1975 - aus Tönnis, D., /114/ ).
2. gerader Schenkelmuskel ( M. rectus femoris )
3. Schenkelbindenspanner ( M. tensor fasciae latae )
4. Schneidermuskel ( M. sartorius )
5. mittlerer Gesäßmuskel ( vorderer Anteil ) ( M. glutaeus
medius )
2. mittlerer und kleiner Gesäßmuskel ( hintere
Anteile ) ( M. glutaeus medius et minimus )
3. großer Schenkelanzieher ( M. adductor magnus )
4. ischiokrurale Muskulatur
1. mittlerer Gesäßmuskel ( M. glutaeus medius )
2. kleiner Gesäßmuskel ( M. glutaeus minimus )
3. birnförmiger Muskel ( M. piriformis )
1. Kamm-Muskel ( M. pectineus )
2. langer Schenkelanzieher ( M. adductor longus )
3. kurzer Schenkelanzieher ( M. adductor brevis )
4. großer Schenkelanzieher ( M. adductor magnus )
5. schlanker Muskel ( M. gracilis )
6. großer Gesäßmuskel ( M. glutaeus maximus )
7. vierseitiger Schenkelmuskel ( M. quadratus femoris )
8. innerer Hüftlochmuskel ( M. obturatorius internus )
9. Zwillingsmuskeln ( Mm. gemelli )
1. mittlerer Gesäßmuskel ( M. glutaeus medius )
2. vorderer Anteil des kleinen Gesäßmuskels ( M. glutaeus
minimus )
3. unterer Anteil des großen Schenkelanziehers ( M. adductor
magnus )
4. Schenkelbindenspanner ( M. tensor faciae latae )
1. Kamm-Muskel ( M. pectineus )
2. langer Schenkelanzieher ( M. adductor longus )
3. kurzer Schenkelanzieher ( M. adductor brevis )
4. mittlerer Gesäßmuskel ( M. glutaeus medius )
5. hinterer Anteil des kleinen Gesäßmuskels ( M. glutaeus
minimus )
6. großer Gesäßmuskel ( M. glutaeus maximus )
7. birnförmiger Muskel ( M. piriformis )
8. innerer Hüftlochmuskel ( M. obturatorius internus )
9. äußerer Hüftlochmuskel ( M. obturatorius externus
)
10. vierseitiger Schenkelmuskel ( M. quadratus femoris )
11. oberer und unterer Zwillingsmuskel ( M. gemellus superior et
inferior )
2.2.5.1 Blutgefäßversorgung des Hüftkopfes und Schenkelhalses
Wesentlich für die Blutversorgung des Hüftgelenks ist der
Gefäßkranz der Aa. circumflexa femoris medialis et lateralis,
der aus der A. femoralis profunda entspringt. Wie bereits erwähnt,
wird die Fossa acetabuli während des Wachstums und z.T. auch
noch später durch die A. acetabularis, die mit dem Lig.
capitis aus der Pfanne zum Kopf zieht, versorgt, die von der A.
obturatoria geschickt wird. Weitere Gefäße zur Versorgung
des Schenkelhalses und des Kopfes werden von der A. glutaea inferior
et superior gespeist. Aus der A. circumflexa femoris lateralis
verjüngt sich der R. colli ventralis. Neben der Versorgung
des Trochanter major mit dem R. trochantericus major, wird
die ventrale Seite des Schenkelhalses durchblutet. Die Hüftkopfversorgung
sowie die Durchblutung der medialen, dorsalen und lateralen Halsregionen
übernimmt die A. circumflexa femoris medialis. Besonders wichtig
sind hier der R. nutritius capitis proximalis ( proximales Kopfgefäß
), der von lateral zum Kopf und während des Wachstums zur Epiphyse
zieht, und der R. nutritius capitis distalis ( distales Kopfgefäß
) der von medial-kaudal den Caput erreicht und ebenfalls die Epiphyse versorgt.
Des weiteren besteht noch eine Verbindung der Blutgefäße der
Gelenkkapsel mit dem Schenkelhals
( retinakuläre Arterien ).
A.glutaea inferior, die A. retroacetabularis. Der Pfannenboden
wird zusätzlich von der oben bereits genannten
A.acetabularis durchblutet. Zwischen den Gefäßen
der Hüftpfanne und den Gefäßen von Caput und Schenkelhals
bestehen feine Anastomosen, die eine evtl. Mitversorgung anderer Anteile
ermöglichen.
Das Hüftgelenk wird von drei großen Nervenästen versorgt.
Der N. femoralis, der hauptsächlich den M. rectus femoris ansteuert,
schickt Nervenfasern zum ventral gelegenen Teil des Gelenks. Von medial
ziehen Nervenfasern des N. obturatorius an die Pfanne und dorsal
übernimmt der N. ischiadicus die nervale Ansteuerung über
den Muskelast des M. quadratus femoris. Durch diese Art der vegetativen
Versorgung erklären sich diffuse Oberschenkel- bzw. Knieschmerzen
bei Hüftgelenkserkrankungen.
Die Funktion des Hüftgelenks wird durch dessen Freiheitsgrade
und die dadurch ermöglichten Bewegungen der unteren Extremitäten
charakterisiert. Dem Hüftgelenk kommt eine bedeutende Mittlerfunktion
von Körperstamm und unteren Extremitäten zu und es ist wohl das
am stärksten beanspruchte Gelenk ( aufrechter Gang ) des menschlichen
Bewegungsapparates. Die Komplexität unseres Bewegungsapparates läßt
auch hier keine eindeutige Isolierung von Bewegungs- und Bewegungsumfangsrealisierung
auf nur ein Gelenk, in unserem Fall auf das Hüftgelenk, zu. Die Aktivität
des Hüftgelenks wird immer durch Mitbewegungen zum Beispiel des Beckens
oder der Wirbelsäule ergänzt. Bewegungsrealisierungen der unteren
Extremitäten machen Teilbewegungen im Hüftgelenk notwendig (
z.B. Tibiarotation ). Dennoch lassen sich sechs Grundbewegungen
des Hüftgelenks herausheben: Anteversion ( Flexion oder Beugung
), Retroversion ( Extension oder Streckung ), Abduktion, Adduktion,
Außen- und Innenrotation.
Tittel gibt die normale Beugefähigkeit des Hüftgelenks
bei aufrechtem Stand an. Demnach ist eine Beugung der Hüfte mit gestrecktem
Bein bis 80°, bei gebeugtem Unterschenkel des Spielbeines bis 120°
möglich. Bei der klinischen Diagnostik des Hüftgelenks erfolgt
die Prüfung des Bewegungsumfangs in Rückenlage bei ausgeglichener
Lendenlordose, so daß nur noch eine Beckenkippung nach vorn von ca.12°
vorhanden ist ( nach Debrunner ). Aus dieser Stellung wird die Flexion
bis zu einem spürbaren Mitgehen des Beckens bestimmt. Der normale
Umfang beträgt so 130-140°.
Die Überstreckung des Spielbeines nach hinten ist im aufrechten
Stand durch die physiologische Hemmung der Bertinschen Bänder
nur bis 13° ausführbar. Die klinische Bestimmung der Extension
erfolgt ebenfalls in Rückenlage. Die Lendenlordose wird durch Anbeugen
und Fixieren eines Beines ( Thomas-Handgriff ) vollständig
ausgeglichen. Wenn der untersuchte Oberschenkel flach auf die Unterlage
gelegt werden kann, entspricht dies der Neutral-0-Stellung. Die Überstreckung
wird nun durch weiteres Beugen des anderen Beines bei bleibender flacher
Auflage des untersuchten Oberschenkels gemessen. Der Normalwert beträgt
12°. Bei entsprechender Beckenfixierung ist eine Untersuchung auch
in Seitlage möglich.
Das Abspreizen ( Abduktion ) eines Beines um die Sagitalachse im aufrechten
Stand kann mit einer Bewegungsamplitute von 40-60° zur Vertikalachse
erfolgen. Das Grätschen beider Beine schließt im Normalfall
einen Winkel von 80-120° ein. Das Heranführen ( Adduktion ) des
abgespreizten Beines über die Körpermittellinie hinaus ist bis
zu 10° möglich. Zur klinischen Diagnostik erfolgt die Untersuchung
des Patienten in Rückenlage. Um die Beckenmitbewegung bei eingeschränkter
Ab- bzw. Adduktion zu ertasten, wird die Beckenstellung durch Auflegen
der Daumen- und Mittelfingerkuppe einer Hand auf die Spinae iliacae
anteriores superiores kontrolliert. Die 0-Stellung ist dann erreicht,
wenn die Verbindungslinie beider Spinae senkrecht zur Körperlängsachse
steht. Bei dieser Untersuchungslagerung wird die normale Abduktion mit
30-50° und die Adduktion mit 20-30° angegeben
( vgl. Tönnis, D., /114/, S. 91 ).
Das Hüftgelenk ermöglicht durch seine " Nußgelenk "-
Eigenschaften auch eine Innen- und Außenrotation. Die Innenrotation
( auch femorale Pronation oder Einwärtsdrehen ) ist
im Stand mit gestrecktem Bein um 35° ausführbar ( vgl. Tittel,
K., /112/, S. 258 ). Der Orthopäde mißt die Rotation in
Bezug zur Spinaachse, die genau horizontal liegen sollte. Die Bestimmung
des Bewegungsumfangs erfolgt sowohl in Bauch- ( Hüfte gestreckt )
als auch in Rückenlage ( Hüfte 90° gebeugt ) bei gebeugtem
Kniegelenk. " Die normale Innenrotation beträgt bei Streckstellung
im Hüftgelenk 30-40°, bei Beugung 40-45°. " ( Tönnis,
D., /114/, S. 91 ) Bei der Außenrotation differieren die Angaben.
Tittel nennt für die im Stand ausführbare Auswärtsdrehung
15°, Tönnis hingegen nennt für die oben genannte Diagnostik
in Bauch- und Rückenlage einheitliche Werte von 40-50°.
Die Kombination der Grundbewegungen macht ein Beinkreisen möglich.
Dieses läßt sich durch Bahnkurven auf einer imaginären
Kugelsphäre darstellen.
2.4 Zur physiologischen Entwicklung des Hüftgelenks
2.4.1 Zur Entwicklung der Hüftpfanne
Die Anlage der Hüftgelenkspfanne erfolgt schon in früher
Embryonalzeit mit der Vereinigung der knorpeligen Vorstufen von Os ilium,
Os ischii und Os pubis in der 7. Woche. Die Ossifikationskerne
entstehen im 3. und 4. Monat der Schwangerschaft. Die weitere Entwicklung
vollzieht sich nun aus dem kreisrunden, nur kaudal offenen Pfannendachknorpel,
der mit den drei Säulenknorpeln der Y-Fuge ( Wachstums-zone ) zwischen
den drei Beckenknochen in Verbindung steht. Die Y-Fuge schließt sich
bei Mädchen zwischen dem 13. und 16. Lebensjahr, bei Jungen zwischen
dem 15. und 18. Lebensjahr. Mit ca. 8-9 Jahren treten am Pfannenrand Knochenkerne
auf
( oberer / vorderer / unterer Os acetabuli ), die hauptsächlich
für den pubertären Wachstumsschub verantwortlich zeichnen. In
sensitiven Wachstumsphasen ist besonders auf individuelle Belastbarkeitsparameter
zu achten, da diese wesentlich vom Zustand der Epiphysenfugen bestimmt
werden. Das Pfannenwachstum vollzieht sich in zwei Ebenen. Die erste betrifft
den Pfannenerker, der die Besonderheit eines simultanen Übergangs
von enchondraler
( knorpelnaher ) und periostaler ( die Knochenhaut betreffende ) Knochenbildung
aufweist. Störungen in diesem Ossifikationsprozeß können
zu einer Hüftdysplasie führen. Die zweite Ebene betrifft die
Ausbildung einer genügend tiefen, kugeligen Hüftpfanne durch
den Entwicklungsreiz ( zentrierter Druck ) des sphärischen Gelenkkopfes.
Bleibt dieser aus oder ist er nur ungenügend, ist eine Unterentwicklung
vorgezeichnet. Zahlreiche Tierversuche und unbehandelte ältere Hüftluxationen
bestätigen diese Tatsache.
Während der sog. Geburtsphase ( Zeit der Geburt ) wird
die Versorgung des knorpeligen Hüftkopfes im wesentlichen durch ein
Gefäßsystem innerhalb wie auch außerhalb der Kapsel durch
die A. circumflexa femoris medialis gewährleistet. Zusätzlich
übernehmen Gefäße des Lig. capitis einen kleinen Teil.
Schenkelhals und Trochanterbereich werden von der A. circumflexa femoris
lateralis versorgt. ( nach Trueta ) In der Kleinkindphase
( ca. 4 Monat bis 4 Jahre ) besteht bis zum Auftreten des epiphysären
Knochenkerns im 1. Lebensjahr kein Zusammenhang von dorsolateraler und
dorsomedialer Kopfversorgung ( v. Lanz u. Wachsmuth ). Nach
dem Auftreten des Kerns vereinigen sich die Bezirke. " Der Hauptzufluß
kommt nach Trueta zu dieser Zeit aus den metaphysären Gefäßen,
welche mit vielen kleinen Ästen die Knorpelzone durchziehen, die später
zur Epiphysenzone des Schenkelhalses wird. " ( Tönnis, D.,
/114/,S. 23 ) Die sog. Intermediäre Phase verläuft in
etwa vom 4. bis zum 7. Lebensjahr. Mit der Ausbildung der Epiphysenzone
und durch das starke Wachstum bilden sich die retinakulären Gefäße
am Kopfzentrum zurück. Die Versorgung der proximalen Femurepiphyse
erfolgt fast ausschließlich vom proximalen Kopfgefäß der
A. circumflexa femoris medialis. Gefäße im Lig. capitis findet
man während dieser Phase kaum. Eine Versorgung des Femurkopfes durch
die Epiphysenzone hindurch erfolgt auch in der Präadoleszentenphase
( 9. bis 10. Lebensjahr ) nicht. Allerdings treten nun wieder häufiger
Gefäße über das Lig. capitis an den Kopf heran. In der
fünften, der sog. Adoleszentenphase, dringen nun durch den
Schluß der Wachstumszonen Gefäße vom Schenkelhals in den
Kopf vor und bilden mit den retinakulären Gefäßen und denen
des Lig. capitis ein enges, für den Erwachsenen typisches, Gefäßnetz.
Im 19. Jahrhundert begann man, das Hüftgelenk biomechanisch zu
untersuchen. Auf die Untersuchungen zur Wirkungsweise der Oberschenkelmuskulatur
durch A. Fick (1850) folgten anatomische Studien zur Hüftmuskulatur
durch R. Fick (1904, 1911). Problemen der Schwerpunktverlagerung
in verschiedenen Gang- und Standphasen des Menschen verschrieben sich Braune
und Fischer (1889). 1899 legte Fischer sein Werk "Der
Gang des Menschen" vor und schuf damit die Grundlage für die Untersuchungen
von Pauwels, welcher 1935 eine umfassende Arbeit über die mechanische
Belastung und Beanspruchung des Hüftgelenks veröffentlichte.
Pauwels Ansatz zur Abschätzung der Hüftgelenksbelastung
bildet auch heute noch die Grundlage für Berechnungsverfahren und
biomechanische Untersuchungen des Hüftgelenks. Er nutzte für
seine Abschätzungen die sog. Standbeinperiode des Ganges
( 16. Gangphase nach Fischer ) und ging davon aus, daß
die größten auf das Hüftgelenk wirkenden Kräfte in
quasistatischen Phasen ( in infinitesimal kleinen Zeiträumen als statisch
auffaßbar ) auftreten. Vor Pauwels hatten bereits Koch
(1917) und Storck (1931) erste Abschätzungen der statischen
und dynamischen Gelenkbelastung bei Beachtung des Körpergewichts sowie
der Richtung und Größe der resultierenden Hüftgelenkskraft
erarbeitet. Nach den fundamentalen Arbeiten von Pauwels konzentrierten
sich die folgenden wissenschaftlichen Untersuchungen auf die weitere biomechanische
Durchdringung von Muskelkraft - Gelenkrelationen und deren mathematische
Beschreibung ( Inman 1947, Merchant 1965 ) sowie auf eingehendere
Bewegungsstudien ( Williams und Lissner 1962 ), auf die Entwicklung
der Alloarthroplastik ( Denham 1959 ) und auf die präoperative
Planung und Durchführung von Umstellungsosteotomien ( Osborne
und Fahrni 1950 ). Kummer (1968, 1969) und Amtmann
u. Kummer (1968) legten schließlich ein Belastungsmodell unter
Einbeziehung aller geometrischen Daten des Becken-Bein-Skeletts vor, und
Kummer konnte die tragende Fläche des Kugelgelenks und die
Verteilung der Spannung anschaulich darstellen. Ein erstes Rechenprogramm
für wissenschaftliche Untersuchungen lieferten Hamacher und
Roesler (1971, 1972, 1974). Brinckmann et al. (1974) entwickelten
ein erstes Computerprogramm zur Berechnung der operativ veränderten
Hüftgelenksbelastung. Im weiteren arbeiteten Legal, Ruder u.
Reinecke (1977, 1978, 1979, 1980) wie auch Brinckmann et al.
(1980, 1981) an einer Erweiterung und Effektivierung der Rechenmodelle.
Legal et al. gelang es, die geometrische Gelenkdatenerfassung auf
eine 2-dimensionale Beckenübersichtsaufnahme zu reduzieren. Durch
die enorme computertechnische Entwicklung in den letzten Jahren sind heute
wesentlich breitere Untersuchungsmöglichkeiten gegeben und sie erlauben
mit Sicherheit eine bessere und genauere Diagnostik und Therapie ( z.B.
Computertomographie, Hüftscreening ).
Zunächst bedarf es einer kurzen Begriffserläuterung, die
die unterschiedliche Bedeutung von Belastung und Beanspruchung
des Hüftgelenks deutlich machen soll. Unter Belastung sind
die auf einen Körper einwirkenden äußeren Kräfte zu
verstehen. Sie wird am Hüftgelenk durch die sog. Hüftgelenkresultierende
R repräsentiert, die als vektorielle Summe aller Kräfte
von der Pfanne auf den Hüftgelenkkopf übertragen wird. Beanspruchung
beschreibt die durch Belastung hervorgerufenen Verformungen und Spannungen
des Materials ( z.B. hyaliner Knorpel, knöchernes Gelenkfundament
). Diese beiden Begriffe machen bereits deutlich, daß eine Einschätzung
über tatsächliche Gelenkverhältnisse weitaus schwieriger
ist, als nur die numerische Berechnung einer gelenkresultierenden Kraft.
Das menschliche Hüftgelenk ist ein räumliches Phänomen,
das in seiner Funktionalität entwicklungsbedingt von mehreren Winkelgrößen,
wie z.B. dem CCD-Winkel und dem Antetorsionswinkel, von Form und Eigenschaften
der Gelenkflächen und bestehenden Muskelkraftrelationen bestimmt wird.
Wie schon erwähnt, stellt das menschliche Hüftgelenk kein ideales
Kugelgelenk mit nahezu optimalen biomechanischen Vorzügen dar, sondern
weicht in Form und Eigenschaft von diesem Idealmodell ab.
2.5.2.1 Hüftpfanne und -kopf aus biomechanischer Sicht
Die Hüftpfanne stellt eine Hohlhalbkugel dar, die mit ihrem Knorpellimbus
den Hüftkopf über seinen Äquator hinaus umfaßt. Die
Pfanneneingangsebene ist entwicklungsbedingt nach lateral-kaudal geneigt
und nach ventral geöffnet. Der Kopf ist eine Halbkugel, die nach lateral
in den Schenkelhals übergeht. Im Idealfall würden geometrischer
Pfannen- und Kopfmittelpunkt übereinstimmen und in der Pfanneneingangsebene
liegen. Da aber physiologisch zwischen Gelenkpfanne und -kopf ein für
die Gelenkfunktion äußerst wichtiger Zwischenraum, der Gelenkspalt,
liegt, wird der Kopfmittelpunkt bereits beim gesunden Hüftgelenk aus
der Pfanneneingangsebene nach lateral-kaudal verschoben. Für die meisten
Betrachtungen kann diese Abweichung jedoch vernachlässigt und für
das gesunde Gelenk ein Zusammenfallen von Pfannen- und Kopfmittelpunkt
angenommen werden. Unter der anatomischen Gelenkfläche ist
die gesamte mit Gelenkknorpel überzogene Fläche der artikulierenden
Gelenkkörper zu verstehen. Im Gegensatz zum Kugelgelenk, bei dem der
gesamte Gelenkkörper als Gelenkfläche genutzt wird, hat das Hüftgelenk
deutlich weniger Gelenkfläche zur Verfügung, nämlich die
Facies lunata der Pfanne und die bis zu zwei Drittel überknorpelte
Schenkelkopffläche. Die Facies lunata limitiert die Kontaktfläche,
also jenen Anteil der anatomischen Gelenkfläche, der mit dem Gelenkknorpel
des Kopfes in Kontakt steht, entscheidend. Wirkt eine Gelenkresultierende
R zentrisch auf ein Kugelgelenk und liegt der größte
Querschnitt des Kopfes innerhalb der Gelenkfläche der Pfanne, so zerlegt
sich R in gleichgroße Teilkräfte pi auf den Äquatorquerschnitt
( vgl. Kummer, B., /66/, S. 66-67 ), der sog. tragenden Gelenkfläche.
Die Teilkräfte pi werden physikalisch als Spannungen bezeichnet.
Betrachtet man die Druckverteilung auf der Kontaktfläche, so hat die
Normalkomponente am Zenit ihr Maximum und am Horizont ( Grenze der Kontaktfläche
) ihr Minimum ( gleich Null ). Damit zerlegt sich die Gelenkresultierende
in gleichverteilte Normalkraftkomponenten über die Kontaktfläche.
Wird nun ein Teil des Kopfäquators nicht durch die Pfanne überdacht,
erfolgt damit eine Dezimierung der tragenden Fläche. Die Kräftegleichverteilung
geht verloren und es kommt zu einem einseitigen Druckanstieg am Pfannenrand.
Es ist möglich, dieses Phänomen geometrisch darzustellen ( vgl.
Kummer, B. in Tönnis, D., /114/; Legal, H. et
al. in Tönnis, D., /114/ ). Aufgrund seiner anatomischen Eigenschaften
ist am menschlichen Hüftgelenk diese Druckverlagerung an den Rand
der Gelenkpfanne gegeben. Dies ist röntgenologisch in einer sichtbaren
Pfannendachsklerose( Sourcil ) dokumentierbar. Die Form und Ausprägung
der Pfannendachsklerose ist ein wichtiges diagnostisches Beurteilungsmerkmal
der Gelenksituation. Sie gibt Auskunft über die bestehenden Druckverhältnisse
am Pfannenrand. Der CCD-Winkel ist Resultat der Belastung des Schenkelhalses.
Er verändert sich während der physiologischen Entwicklung, wie
bereits im Abschnitt 2.2.2.2 ausgewiesen. Auch hier ist röntgenologisch
die knochenstruktiele Adaptation an die gegebenen Kraftrelationen am Hüftgelenk
zu erkennen. Die Trajektoren verdichten sich an den zug- bzw. druckbelasteten
Abschnitten des Schenkelhalses und bilden ein sog. Wardsches Dreieck.
Auch die Kortikalis reagiert mit Dickenzunahme auf die mechanische Beanspruchung
des Schaft-Schenkelhalsabschnitts.
Der aufrechte Gang des Menschen fordert, daß zwischen den unteren
Extremitäten und dem Rumpf eine Gleichgewichtswahrung stattfindet.
Ständige Körperschwer-punktverlagerungen und Veränderungen
der Unterstützungsfläche sowie der Gewichtskraft und Entstehung
von Drehmomenten müssen in der
" Mittlerzentrale " Hüftgelenk durch Muskelkräfte kompensiert
werden. Auf dem Fundament des NEWTONschen Axioms actio et reactio
stellt sich am Hüftgelenk ein Momentengleichgewicht zwischen partiellem
Körpergewicht
( Last ) und dessen Lastarm sowie zwischen der Muskelkraft der Hüftabduktoren
( Kraft ) und deren Kraftarm ein. Für die biomechanische Untersuchung
der Belastung und Beanspruchung des Hüftgelenks ist nach den Arbeiten
von Pauwels die quasistatische Phase des Einbeinstandes ( Standbeinperiode
beim langsamen Gehen - 16. Gangphase nach Fischer 1899 ) von entscheidender
Bedeutung, da beim Zweibeinstand nur das partielle Körpergewicht G4
( Körpergesamtgewicht minus Gewicht beider Beine ) als äußere
Kraft auf beide Hüftgelenke verteilt, wirkt. Das Becken ruht beim
Zweibeinstand auf beiden Schenkelköpfen, der Körperschwerpunkt
( KSP ) befindet sich zentrisch in der Unterstützungsfläche,
die beiden Hebelarme ( je 1/2 der Verbindungsstrecke beider Schenkelkopfmittel-
punkte ) sind gleich groß, d.h. zur seitlichen Stabilisierung
in der Frontalebene sind keine Muskelkräfte erforderlich und bei aufrechter
Körperhaltung weist das Lot aus dem KSP einen vernachlässigbaren
Abstand zur Hüftachse
( Verbindungslinie beider Kopfmittelpunkte ) auf und es bedarf keiner
zusätzlichen Muskelkraft zur Stabilisierung im Hüftgelenk. Es
besteht ein statisches Gleichgewicht. Der Einbeinstand erfordert nun eine
andere Betrachtungsweise. Der KSP verlagert sich zur belastungsentgegengesetzten
Seite, Last- und Kraftarm verändern sich, Muskelkräfte werden
zur Gleichgewichtssicherung notwendig. Die Strecke von Kopfmittelpunkt
C des belasteten Hüftgelenks bis zum Schnittpunkt des Lotes
aus dem KSP mit der Hüftachse bildet nun den Lastarm hG
mit der Last G5 ( partielles Körpergewicht Þ
Körpergewicht minus Gewicht des Standbeines ). Das entsprechende Kraftmoment
bildet das Produkt aus Abduktorenmuskelkraft M und Kraftarm hM
, der den Betrag des Lotes vom Kopfmittelpunkt C auf den imaginären
Muskelkraftvektor M hat. Es gilt:
Durch vektorielle Addition von Muskelkraft M und Gewichtskraft G5
erhält man schließlich die Gelenkresultierende R, welche
am Hüftkopfmittelpunkt C angreift. Der Betrag von M
hängt von der Lage des Trochanter major als Muskelansatz und
der Ursprungslage der Hüftabduktoren am Os ilium ab. Entsprechend
verändert sich natürlich auch der Kraftarm hM
. Diese relativ idealisierte Betrachtung über bestehende Kraftrelationen
am Hüftgelenk bilden die Grundlage für Berechnungsmodelle zur
mathematischen Modellierung einer vorliegenden Hüftgelenksbelastung.
Auf die Erläuterung solcher Rechenmodelle wird hier verzichtet, da
es weiterer Ausführungen zur Erfassung notwendiger geometrischer Daten
aus einer Beckenübersichtsaufnahme und zur Berechnung wichtiger Gesetzmäßigkeiten
( z.B. Hookesches Gesetz ) bedürfte.
bei einer Coxa valga wie 1 : 6 und bei einer Coxa vara wie 1 : 2 .
Mit einer anatomischen Abweichung nimmt die Gelenkbelastung und -beanspruchung
zu. Ist die Hüftkopfüberdachung mangelhaft, so kommt es zu einer
starken Druckverlagerung an den Pfannenrand, die die Belastbarkeitsgrenzen
von Gelenkknorpel und Pfannenmaterial übersteigen kann. Bei einer
Coxa valga, also einer Vergrößerung des CCD-Winkels über
die physiologische Normalschwankung hinaus ( größer 125°
), wird die tatsächlich belastete Gelenkfläche zum Pfannenrand
hin vermindert. Durch eine Verkleinerung des Kraftarms muß eine entsprechend
größere Muskelkraft aufgebracht werden. Damit nimmt nach dem
Superpositionsgesetz ( Zerlegbarkeit der Kräfte ) naturgemäß
die Gelenkresultierende R zu. Der für die Gelenkflächenbelastung
wichtige CE-Winkel ( Centrum-Ecken-Winkel ) wird kleiner. Das Resultat
einer solchen Gelenksituation zeigt sich in einer pathologischen Pfannendachsklerotisierung
( hohes Soursil zur Pfannenecke ) und kann damit eine präarthrotische
Deformität aufweisen. Die Einschätzung, ob tatsächlich eine
krankhafte Gelenksituation vorliegt, wird von weiteren wichtigen Faktoren
beeinflußt. So müssen unter anderem die räumlichen Verhältnisse
( Pfannenstellung, Antetorsion des proximalen Femurendes ) und die Stütz-
und Bindegewebseigenschaften des Patienten Beachtung finden. Eine starke
Valgusstellung kann zusätzlich, aufgrund zu großer Scherkräfte
am Hüftkopf, zu einer sog. Kopf-im-Nacken-Lage führen.
Dies zeigt dann die typische Steilhüftensituation mit steiler, dysplastischer
Pfanne, die in der Folge, durch zerstörende Druckreize, den Caput
femoris zu der von Putti benannten Dogenhutform deformieren.
Die Coxa vara erscheint auf den ersten Blick eine für das Hüftgelenk
wesentlich günstigere anatomische Normabweichung zu sein. Die Gelenkresultierende
R ist durch die schwächeren abduzierenden Muskelkräfte
deutlich kleiner. Deshalb ist bei geringer Varusstellung des Schenkelhalses
keine operative Korrektur nötig. Bei zu großer Verkleinerung
des CCD-Winkels und evtl. zusätzlicher mangelnder Überdachung
durch die Pfanne wirken die Gelenkkräfte auf den Hüftkopf stark
abscherend und ein Abrutschen des Caput ist vorauszusehen.
( Muskelansatzveränderungen, Becken- bzw. Schenkelhals-osteotomien,
Pfannenplastik und Prothetik usw. ) sehr hilfreich sein. Die Bestimmung
geometrischer Gelenkdaten und errechnete Gelenkkräfte sind allerdings
für die Diagnostik und Belastbarkeitseinschätzung allein nicht
ausreichend. Der menschliche hyaline Gelenkknorpel weist eine beachtliche
Belastbarkeitstoleranz auf, welche Groh (1962) in einem Kraft-Frequenz-Diagramm
des Hüftgelenks aufzeigte. Nach Aussage dieses Diagramms ( wie bereits
Pauwels berechnete ) ist erst bei einer Gelenkbelastung von 220
kp/cm² mit einer Entstehung einer Coxarthrose zu rechnen. Selbst bei
leistungssportlichen Laufbelastungen wird, gesunde anatomische Bedingungen
des Athleten vorausgesetzt, diese Toleranzgrenze bei weitem nicht erreicht
( 10000 m - Läufer: 50 kp/cm² ) ( vgl. Reichelt, A., /89/,
S. 274 ). Die Zuhilfenahme grundlegender biomechanischer Gesetzmäßigkeiten
läßt zumindest eine grobe tendenzielle Einschätzung der
Belastbarkeit des Hüftgelenks zu und ist für das Verständnis
der umfassenden Hüftgelenksdiagnostik unumgänglich.